kragen und eine Rose im Knopfloch. Wäsche sehr sauber.
Allmählich lebten wir uns ein und wurden gute Freunde. Was er sagte, war immer kurz und apart, mitunter mehr als nötig, denn von der Eitelkeit, immer etwas Bedeutendes sagen zu wollen, war er nicht frei zu sprechen. Aber da das Ueberlegene seiner Natur und seines Wissens klar zu Tage lag, so ließ man sich dies allerseits gern gefallen und ich nun schon ganz gewiß. Er war zu dem Ton, den er anschlug, nach aller Meinung voll berechtigt. In der Ironie war er ein Meister, so sehr, daß ich auch daran nicht Anstoß nahm, wiewohl mir - wie schon an andrer Stelle hervorgehoben - diese hochmütige Gesprächsform von Jugend auf zuwider war. Er hörte meine Gedichte ruhig mit an, und ich meinerseits lauschte mit einer Art Andacht dem Vortrag der seinigen. Sie konnten für sehr gut oder doch wenigstens für sehr talentvoll gelten und was Maron im Lenau-Klub war, war Hanisch im Platen-Klub. Wir hielten beide viel von weiten Spaziergängen und in der Regel kam er zu mir, um seinerseits mich abzuholen. Dies schien er vorzuziehen. Einmal aber drang ich doch bis in seine Wohnung vor, weil ich nicht ahnte, daß ihn das genieren könne. Große Geister haben auch ihre Schwächen. Er hatte sich
kragen und eine Rose im Knopfloch. Wäsche sehr sauber.
Allmählich lebten wir uns ein und wurden gute Freunde. Was er sagte, war immer kurz und apart, mitunter mehr als nötig, denn von der Eitelkeit, immer etwas Bedeutendes sagen zu wollen, war er nicht frei zu sprechen. Aber da das Ueberlegene seiner Natur und seines Wissens klar zu Tage lag, so ließ man sich dies allerseits gern gefallen und ich nun schon ganz gewiß. Er war zu dem Ton, den er anschlug, nach aller Meinung voll berechtigt. In der Ironie war er ein Meister, so sehr, daß ich auch daran nicht Anstoß nahm, wiewohl mir – wie schon an andrer Stelle hervorgehoben – diese hochmütige Gesprächsform von Jugend auf zuwider war. Er hörte meine Gedichte ruhig mit an, und ich meinerseits lauschte mit einer Art Andacht dem Vortrag der seinigen. Sie konnten für sehr gut oder doch wenigstens für sehr talentvoll gelten und was Maron im Lenau-Klub war, war Hanisch im Platen-Klub. Wir hielten beide viel von weiten Spaziergängen und in der Regel kam er zu mir, um seinerseits mich abzuholen. Dies schien er vorzuziehen. Einmal aber drang ich doch bis in seine Wohnung vor, weil ich nicht ahnte, daß ihn das genieren könne. Große Geister haben auch ihre Schwächen. Er hatte sich
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kragen und eine Rose im Knopfloch. Wäsche sehr sauber.</p><lb/><p>Allmählich lebten wir uns ein und wurden gute Freunde. Was er sagte, war immer kurz und apart, mitunter mehr als nötig, denn von der Eitelkeit, immer etwas Bedeutendes sagen zu wollen, war er nicht frei zu sprechen. Aber da das Ueberlegene seiner Natur und seines Wissens klar zu Tage lag, so ließ man sich dies allerseits gern gefallen und ich nun schon ganz gewiß. Er war zu dem Ton, den er anschlug, nach aller Meinung voll berechtigt. In der Ironie war er ein Meister, so sehr, daß ich auch <hirendition="#g">daran</hi> nicht Anstoß nahm, wiewohl mir – wie schon an andrer Stelle hervorgehoben – diese hochmütige Gesprächsform von Jugend auf zuwider war. Er hörte meine Gedichte ruhig mit an, und ich meinerseits lauschte mit einer Art Andacht dem Vortrag der seinigen. Sie konnten für sehr gut oder doch wenigstens für sehr talentvoll gelten und was Maron im Lenau-Klub war, war Hanisch im Platen-Klub. Wir hielten beide viel von weiten Spaziergängen und in der Regel kam er zu mir, um seinerseits mich abzuholen. Dies schien er vorzuziehen. Einmal aber drang ich doch bis in seine Wohnung vor, weil ich nicht ahnte, daß ihn das genieren könne. Große Geister haben auch ihre Schwächen. Er hatte sich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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kragen und eine Rose im Knopfloch. Wäsche sehr sauber.
Allmählich lebten wir uns ein und wurden gute Freunde. Was er sagte, war immer kurz und apart, mitunter mehr als nötig, denn von der Eitelkeit, immer etwas Bedeutendes sagen zu wollen, war er nicht frei zu sprechen. Aber da das Ueberlegene seiner Natur und seines Wissens klar zu Tage lag, so ließ man sich dies allerseits gern gefallen und ich nun schon ganz gewiß. Er war zu dem Ton, den er anschlug, nach aller Meinung voll berechtigt. In der Ironie war er ein Meister, so sehr, daß ich auch daran nicht Anstoß nahm, wiewohl mir – wie schon an andrer Stelle hervorgehoben – diese hochmütige Gesprächsform von Jugend auf zuwider war. Er hörte meine Gedichte ruhig mit an, und ich meinerseits lauschte mit einer Art Andacht dem Vortrag der seinigen. Sie konnten für sehr gut oder doch wenigstens für sehr talentvoll gelten und was Maron im Lenau-Klub war, war Hanisch im Platen-Klub. Wir hielten beide viel von weiten Spaziergängen und in der Regel kam er zu mir, um seinerseits mich abzuholen. Dies schien er vorzuziehen. Einmal aber drang ich doch bis in seine Wohnung vor, weil ich nicht ahnte, daß ihn das genieren könne. Große Geister haben auch ihre Schwächen. Er hatte sich
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/106>, abgerufen am 23.07.2024.
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