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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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Das also, hieß es, seien die neuen Zeiten, das sei
das bürgerliche Regiment, das sei der Respekt vor
den preußischen ,belles lettres et beaux arts.' Eine
,Huldigung der Künste' lasse man sich gefallen, aber
eine Huldigung gegen die Künste, die sei so fern
wie je."

"Lieber Dussek," unterbrach der Prinz, "Ihre
Reflexionen in Ehren. Aber da Sie gerade von
Kunst sprechen, so muß ich Sie bitten, die Kunst
der Retardierung nicht übertreiben zu wollen. Wenn
es also möglich ist, Thatsachen. Um was handelt
es sich?"

"Iffland ist gescheitert. Er wird den Orden,
von dem die Rede war, nicht erhalten."

Alles lachte, Sander am herzlichsten, und Nostitz
skandierte: "Parturiunt montes nascetur ridiculus

Aber Dussek war in wirklicher Erregung, und
diese wuchs noch unter der Heiterkeit seiner Zuhörer.
Am meisten verdroß ihn Sander. "Sie lachen, San¬
der. Und doch trifft es in diesem Kreise nur Sie und
mich. Denn gegen wen anders ist die Spitze gerichtet,
als gegen das Bürgertum überhaupt."

Der Prinz reichte dem Sprecher über den Tisch
hin die Hand. "Recht, lieber Dussek. Ich liebe
solch Eintreten. Erzählen Sie. Wie kam es?"

"Vor allem ganz unerwartet. Wie ein Blitz aus

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Das alſo, hieß es, ſeien die neuen Zeiten, das ſei
das bürgerliche Regiment, das ſei der Reſpekt vor
den preußiſchen ,belles lettres et beaux arts.‘ Eine
‚Huldigung der Künſte‘ laſſe man ſich gefallen, aber
eine Huldigung gegen die Künſte, die ſei ſo fern
wie je.“

„Lieber Duſſek,“ unterbrach der Prinz, „Ihre
Reflexionen in Ehren. Aber da Sie gerade von
Kunſt ſprechen, ſo muß ich Sie bitten, die Kunſt
der Retardierung nicht übertreiben zu wollen. Wenn
es alſo möglich iſt, Thatſachen. Um was handelt
es ſich?“

„Iffland iſt geſcheitert. Er wird den Orden,
von dem die Rede war, nicht erhalten.“

Alles lachte, Sander am herzlichſten, und Noſtitz
ſkandierte: „Parturiunt montes nascetur ridiculus

Aber Duſſek war in wirklicher Erregung, und
dieſe wuchs noch unter der Heiterkeit ſeiner Zuhörer.
Am meiſten verdroß ihn Sander. „Sie lachen, San¬
der. Und doch trifft es in dieſem Kreiſe nur Sie und
mich. Denn gegen wen anders iſt die Spitze gerichtet,
als gegen das Bürgertum überhaupt.“

Der Prinz reichte dem Sprecher über den Tiſch
hin die Hand. „Recht, lieber Duſſek. Ich liebe
ſolch Eintreten. Erzählen Sie. Wie kam es?“

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[83/0095] Das alſo, hieß es, ſeien die neuen Zeiten, das ſei das bürgerliche Regiment, das ſei der Reſpekt vor den preußiſchen ,belles lettres et beaux arts.‘ Eine ‚Huldigung der Künſte‘ laſſe man ſich gefallen, aber eine Huldigung gegen die Künſte, die ſei ſo fern wie je.“ „Lieber Duſſek,“ unterbrach der Prinz, „Ihre Reflexionen in Ehren. Aber da Sie gerade von Kunſt ſprechen, ſo muß ich Sie bitten, die Kunſt der Retardierung nicht übertreiben zu wollen. Wenn es alſo möglich iſt, Thatſachen. Um was handelt es ſich?“ „Iffland iſt geſcheitert. Er wird den Orden, von dem die Rede war, nicht erhalten.“ Alles lachte, Sander am herzlichſten, und Noſtitz ſkandierte: „Parturiunt montes nascetur ridiculus Aber Duſſek war in wirklicher Erregung, und dieſe wuchs noch unter der Heiterkeit ſeiner Zuhörer. Am meiſten verdroß ihn Sander. „Sie lachen, San¬ der. Und doch trifft es in dieſem Kreiſe nur Sie und mich. Denn gegen wen anders iſt die Spitze gerichtet, als gegen das Bürgertum überhaupt.“ Der Prinz reichte dem Sprecher über den Tiſch hin die Hand. „Recht, lieber Duſſek. Ich liebe ſolch Eintreten. Erzählen Sie. Wie kam es?“ „Vor allem ganz unerwartet. Wie ein Blitz aus 6*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/95>, abgerufen am 23.11.2024.