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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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doxien, mehr gelesen werden sollte, als er gelesen wird,
behauptet geradezu, ,daß in unserm Zeitalter die
besten Menschen die schlechteste Reputation haben
müßten'. Der gute Kaiser! Ich bitte Sie. Welche
Augen wohl König Friedrich gemacht haben würde,
wenn man ihn den ,guten Friedrich' genannt hätte."

"Bravo, Bülow," sagte der Prinz, und grüßte
mit dem Glase hinüber. "Das ist mir aus der Seele
gesprochen."

Aber es hätte dieses Zuspruches nicht bedurft.
"Alle Könige," fuhr Bülow in wachsendem Eifer fort,
"die den Beinamen des ,guten' führen, sind solche,
die das ihnen anvertraute Reich zu Grabe getragen
oder doch bis an den Rand der Revolution gebracht
haben. Der letzte König von Polen war auch ein
sogenannter ,guter'. In der Regel haben solche
Fürstlichkeiten einen großen Harem und einen kleinen
Verstand. Und geht es in den Krieg, so muß irgend
eine Kleopatra mit ihnen, gleichviel mit oder ohne
Schlange."

"Sie meinen doch nicht, Herr von Bülow," ent¬
gegnete Schach, "durch Auslassungen wie diese, den
Kaiser Alexander charakterisiert zu haben."

"Wenigstens annähernd."

"Da wär ich doch neugierig."

"Es ist zu diesem Behufe nur nötig, sich den
letzten Besuch des Kaisers in Berlin und Potsdam

doxien, mehr geleſen werden ſollte, als er geleſen wird,
behauptet geradezu, ‚daß in unſerm Zeitalter die
beſten Menſchen die ſchlechteſte Reputation haben
müßten‘. Der gute Kaiſer! Ich bitte Sie. Welche
Augen wohl König Friedrich gemacht haben würde,
wenn man ihn den ‚guten Friedrich‘ genannt hätte.“

„Bravo, Bülow,“ ſagte der Prinz, und grüßte
mit dem Glaſe hinüber. „Das iſt mir aus der Seele
geſprochen.“

Aber es hätte dieſes Zuſpruches nicht bedurft.
„Alle Könige,“ fuhr Bülow in wachſendem Eifer fort,
„die den Beinamen des ‚guten‘ führen, ſind ſolche,
die das ihnen anvertraute Reich zu Grabe getragen
oder doch bis an den Rand der Revolution gebracht
haben. Der letzte König von Polen war auch ein
ſogenannter ‚guter‘. In der Regel haben ſolche
Fürſtlichkeiten einen großen Harem und einen kleinen
Verſtand. Und geht es in den Krieg, ſo muß irgend
eine Kleopatra mit ihnen, gleichviel mit oder ohne
Schlange.“

„Sie meinen doch nicht, Herr von Bülow,“ ent¬
gegnete Schach, „durch Auslaſſungen wie dieſe, den
Kaiſer Alexander charakteriſiert zu haben.“

„Wenigſtens annähernd.“

„Da wär ich doch neugierig.“

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[79/0091] doxien, mehr geleſen werden ſollte, als er geleſen wird, behauptet geradezu, ‚daß in unſerm Zeitalter die beſten Menſchen die ſchlechteſte Reputation haben müßten‘. Der gute Kaiſer! Ich bitte Sie. Welche Augen wohl König Friedrich gemacht haben würde, wenn man ihn den ‚guten Friedrich‘ genannt hätte.“ „Bravo, Bülow,“ ſagte der Prinz, und grüßte mit dem Glaſe hinüber. „Das iſt mir aus der Seele geſprochen.“ Aber es hätte dieſes Zuſpruches nicht bedurft. „Alle Könige,“ fuhr Bülow in wachſendem Eifer fort, „die den Beinamen des ‚guten‘ führen, ſind ſolche, die das ihnen anvertraute Reich zu Grabe getragen oder doch bis an den Rand der Revolution gebracht haben. Der letzte König von Polen war auch ein ſogenannter ‚guter‘. In der Regel haben ſolche Fürſtlichkeiten einen großen Harem und einen kleinen Verſtand. Und geht es in den Krieg, ſo muß irgend eine Kleopatra mit ihnen, gleichviel mit oder ohne Schlange.“ „Sie meinen doch nicht, Herr von Bülow,“ ent¬ gegnete Schach, „durch Auslaſſungen wie dieſe, den Kaiſer Alexander charakteriſiert zu haben.“ „Wenigſtens annähernd.“ „Da wär ich doch neugierig.“ „Es iſt zu dieſem Behufe nur nötig, ſich den letzten Beſuch des Kaiſers in Berlin und Potsdam

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/91>, abgerufen am 23.11.2024.