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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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doch, sein Vater war Friseur und seiner Frau Vater
ein Barbier. Und nun kommt eben diese Frau,
die nicht nur eitel ist bis zum Närrischwerden, sondern
auch noch schlechte französische Verse macht, und
fragt ihn, was schöner sei: ,L'hirondelle frise la
surface des eaux'
oder ,l'hirondelle rase la sur¬
face des eaux?' Und was antwortet er? ,Ich sehe
keinen Unterschied, meine Teure; l'hirondelle frise
huldigt meinem Vater und l'hirondelle rase dem
Deinigen.' In In diesem Bonmot haben Sie den
ganzen Lombard. Was mich aber persönlich angeht,
so bekenn ich Ihnen offen, daß ich einer so witzigen
Selbstpersiflage nicht widerstehen kann. Er ist ein
Polisson, kein Charakter."

"Vielleicht, daß sich ein Gleiches auch von Haug¬
witz sagen ließe, zum Guten wie zum Schlimmen.
Und wirklich, ich geb Eurer K. Hoheit den Mann
preis. Aber nicht seine Politik. Seine Politik ist
gut, denn sie rechnet mit gegebenen Größen. Und
Eure K. Hoheit wissen das besser als ich. Wie steht
es denn in Wahrheit mit unsren Kräften? Wir leben
von der Hand in den Mund und warum? weil der
Staat Friedrichs des Großen nicht ein Land mit einer
Armee, sondern eine Armee mit einem Lande ist. Unser
Land ist nur Standquartier und Verpflegungsmagazin.
In sich selber entbehrt es aller großen Ressourcen.
Siegen wir, so geht es; aber Kriege führen dürfen nur

doch, ſein Vater war Friſeur und ſeiner Frau Vater
ein Barbier. Und nun kommt eben dieſe Frau,
die nicht nur eitel iſt bis zum Närriſchwerden, ſondern
auch noch ſchlechte franzöſiſche Verſe macht, und
fragt ihn, was ſchöner ſei: ,L'hirondelle frise la
surface des eaux‘
oder ,l'hirondelle rase la sur¬
face des eaux?‘ Und was antwortet er? ‚Ich ſehe
keinen Unterſchied, meine Teure; l'hirondelle frise
huldigt meinem Vater und l'hirondelle rase dem
Deinigen.‘ In In dieſem Bonmot haben Sie den
ganzen Lombard. Was mich aber perſönlich angeht,
ſo bekenn ich Ihnen offen, daß ich einer ſo witzigen
Selbſtperſiflage nicht widerſtehen kann. Er iſt ein
Poliſſon, kein Charakter.“

„Vielleicht, daß ſich ein Gleiches auch von Haug¬
witz ſagen ließe, zum Guten wie zum Schlimmen.
Und wirklich, ich geb Eurer K. Hoheit den Mann
preis. Aber nicht ſeine Politik. Seine Politik iſt
gut, denn ſie rechnet mit gegebenen Größen. Und
Eure K. Hoheit wiſſen das beſſer als ich. Wie ſteht
es denn in Wahrheit mit unſren Kräften? Wir leben
von der Hand in den Mund und warum? weil der
Staat Friedrichs des Großen nicht ein Land mit einer
Armee, ſondern eine Armee mit einem Lande iſt. Unſer
Land iſt nur Standquartier und Verpflegungsmagazin.
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[72/0084] doch, ſein Vater war Friſeur und ſeiner Frau Vater ein Barbier. Und nun kommt eben dieſe Frau, die nicht nur eitel iſt bis zum Närriſchwerden, ſondern auch noch ſchlechte franzöſiſche Verſe macht, und fragt ihn, was ſchöner ſei: ,L'hirondelle frise la surface des eaux‘ oder ,l'hirondelle rase la sur¬ face des eaux?‘ Und was antwortet er? ‚Ich ſehe keinen Unterſchied, meine Teure; l'hirondelle frise huldigt meinem Vater und l'hirondelle rase dem Deinigen.‘ In In dieſem Bonmot haben Sie den ganzen Lombard. Was mich aber perſönlich angeht, ſo bekenn ich Ihnen offen, daß ich einer ſo witzigen Selbſtperſiflage nicht widerſtehen kann. Er iſt ein Poliſſon, kein Charakter.“ „Vielleicht, daß ſich ein Gleiches auch von Haug¬ witz ſagen ließe, zum Guten wie zum Schlimmen. Und wirklich, ich geb Eurer K. Hoheit den Mann preis. Aber nicht ſeine Politik. Seine Politik iſt gut, denn ſie rechnet mit gegebenen Größen. Und Eure K. Hoheit wiſſen das beſſer als ich. Wie ſteht es denn in Wahrheit mit unſren Kräften? Wir leben von der Hand in den Mund und warum? weil der Staat Friedrichs des Großen nicht ein Land mit einer Armee, ſondern eine Armee mit einem Lande iſt. Unſer Land iſt nur Standquartier und Verpflegungsmagazin. In ſich ſelber entbehrt es aller großen Reſſourcen. Siegen wir, ſo geht es; aber Kriege führen dürfen nur

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/84>, abgerufen am 24.11.2024.