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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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beiden Seiten des Weges sah, und wurde nicht müde
Fragen zu stellen und ihn durch das Interesse, das
sie zeigte, zu beruhigen. Am meisten amüsierten sie
die seltsam ausgestopften Alt-Weiber-Gestalten, die
zwischen den Sträuchern und Gartenbeeten umher
standen, und entweder eine Strohhutkiepe trugen oder
mit ihren hundert Papilloten im Winde flatterten und
klapperten.

Endlich war man den Abhang hinauf, und über
den festen Lehmweg hin, der zwischen den Pappeln
lief, trabte man jetzt wieder rascher auf Tempelhof
zu. Neben der Straße stiegen Drachen auf, Schwalben
schossen hin und her, und am Horizonte blitzten die
Kirchthürme der nächstgelegenen Dörfer.

Tante Marguerite, die, bei dem Winde der ging,
beständig bemüht war, ihren kleinen Mantelkragen in
Ordnung zu halten, übernahm es nichtsdestoweniger
den Führer zu machen, und setzte dabei beide Cara¬
yonsche Damen ebenso sehr durch ihre Namensver¬
wechselungen, wie durch Entdeckung gar nicht vorhan¬
dener Ähnlichkeiten in Erstaunen.

"Sieh, liebe Victoire, dieser Wülmersdörfer Kürch¬
thürm! Ähnelt er nicht unsrer Dorotheenstädtschen
Kürche?"

Victoire schwieg.

"Ich meine nicht um seiner Spitze, liebe Victoire,
nein, um seinem Corps de Logis."

beiden Seiten des Weges ſah, und wurde nicht müde
Fragen zu ſtellen und ihn durch das Intereſſe, das
ſie zeigte, zu beruhigen. Am meiſten amüſierten ſie
die ſeltſam ausgeſtopften Alt-Weiber-Geſtalten, die
zwiſchen den Sträuchern und Gartenbeeten umher
ſtanden, und entweder eine Strohhutkiepe trugen oder
mit ihren hundert Papilloten im Winde flatterten und
klapperten.

Endlich war man den Abhang hinauf, und über
den feſten Lehmweg hin, der zwiſchen den Pappeln
lief, trabte man jetzt wieder raſcher auf Tempelhof
zu. Neben der Straße ſtiegen Drachen auf, Schwalben
ſchoſſen hin und her, und am Horizonte blitzten die
Kirchthürme der nächſtgelegenen Dörfer.

Tante Marguerite, die, bei dem Winde der ging,
beſtändig bemüht war, ihren kleinen Mantelkragen in
Ordnung zu halten, übernahm es nichtsdeſtoweniger
den Führer zu machen, und ſetzte dabei beide Cara¬
yonſche Damen ebenſo ſehr durch ihre Namensver¬
wechſelungen, wie durch Entdeckung gar nicht vorhan¬
dener Ähnlichkeiten in Erſtaunen.

„Sieh, liebe Victoire, dieſer Wülmersdörfer Kürch¬
thürm! Ähnelt er nicht unſrer Dorotheenſtädtſchen
Kürche?“

Victoire ſchwieg.

„Ich meine nicht um ſeiner Spitze, liebe Victoire,
nein, um ſeinem Corps de Logis.“

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[44/0056] beiden Seiten des Weges ſah, und wurde nicht müde Fragen zu ſtellen und ihn durch das Intereſſe, das ſie zeigte, zu beruhigen. Am meiſten amüſierten ſie die ſeltſam ausgeſtopften Alt-Weiber-Geſtalten, die zwiſchen den Sträuchern und Gartenbeeten umher ſtanden, und entweder eine Strohhutkiepe trugen oder mit ihren hundert Papilloten im Winde flatterten und klapperten. Endlich war man den Abhang hinauf, und über den feſten Lehmweg hin, der zwiſchen den Pappeln lief, trabte man jetzt wieder raſcher auf Tempelhof zu. Neben der Straße ſtiegen Drachen auf, Schwalben ſchoſſen hin und her, und am Horizonte blitzten die Kirchthürme der nächſtgelegenen Dörfer. Tante Marguerite, die, bei dem Winde der ging, beſtändig bemüht war, ihren kleinen Mantelkragen in Ordnung zu halten, übernahm es nichtsdeſtoweniger den Führer zu machen, und ſetzte dabei beide Cara¬ yonſche Damen ebenſo ſehr durch ihre Namensver¬ wechſelungen, wie durch Entdeckung gar nicht vorhan¬ dener Ähnlichkeiten in Erſtaunen. „Sieh, liebe Victoire, dieſer Wülmersdörfer Kürch¬ thürm! Ähnelt er nicht unſrer Dorotheenſtädtſchen Kürche?“ Victoire ſchwieg. „Ich meine nicht um ſeiner Spitze, liebe Victoire, nein, um ſeinem Corps de Logis.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/56>, abgerufen am 27.11.2024.