noch um ein gut Teil mehr. Es ist ein absolut ideales Verhältnis zwischen Mutter und Tochter, und gerade dies Verhältnis ist es, was mir das Haus so wert gemacht hat und noch macht."
"Also begraben wir die Partie," sagte Bülow. "Mir persönlich zu besondrer Genugthuung und Freude, denn ich schwärme für diese Frau. Sie hat den ganzen Zauber des Wahren und Natürlichen, und selbst ihre Schwächen sind reizend und liebenswürdig. Und daneben dieser Schach! Er mag seine Meriten haben, meinetwegen, aber mir ist er nichts als ein Pedant und Wichtigthuer, und zugleich die Ver¬ körperung jener preußischen Beschränktheit, die nur drei Glaubensartikel hat: erstes Hauptstück "die Welt ruht nicht sichrer auf den Schultern des Atlas, als der preußische Staat auf den Schultern der preußischen Armee", zweites Hauptstück "der preußische Infanterie¬ angriff ist unwiderstehlich", und drittens und letztens "eine Schlacht ist nie verloren, so lange das Regiment Garde du Corps nicht angegriffen hat". Oder natür¬ lich auch das Regiment Gensdarmes. Denn sie sind Geschwister, Zwillingsbrüder. Ich verabscheue solche Redensarten, und der Tag ist nahe, wo die Welt die Hohlheit solcher Rodomontaden erkennen wird."
"Und doch unterschätzen Sie Schach. Er ist immerhin einer unserer Besten."
"Um so schlimmer."
noch um ein gut Teil mehr. Es iſt ein abſolut ideales Verhältnis zwiſchen Mutter und Tochter, und gerade dies Verhältnis iſt es, was mir das Haus ſo wert gemacht hat und noch macht.“
„Alſo begraben wir die Partie,“ ſagte Bülow. „Mir perſönlich zu beſondrer Genugthuung und Freude, denn ich ſchwärme für dieſe Frau. Sie hat den ganzen Zauber des Wahren und Natürlichen, und ſelbſt ihre Schwächen ſind reizend und liebenswürdig. Und daneben dieſer Schach! Er mag ſeine Meriten haben, meinetwegen, aber mir iſt er nichts als ein Pedant und Wichtigthuer, und zugleich die Ver¬ körperung jener preußiſchen Beſchränktheit, die nur drei Glaubensartikel hat: erſtes Hauptſtück „die Welt ruht nicht ſichrer auf den Schultern des Atlas, als der preußiſche Staat auf den Schultern der preußiſchen Armee“, zweites Hauptſtück „der preußiſche Infanterie¬ angriff iſt unwiderſtehlich“, und drittens und letztens „eine Schlacht iſt nie verloren, ſo lange das Regiment Garde du Corps nicht angegriffen hat“. Oder natür¬ lich auch das Regiment Gensdarmes. Denn ſie ſind Geſchwiſter, Zwillingsbrüder. Ich verabſcheue ſolche Redensarten, und der Tag iſt nahe, wo die Welt die Hohlheit ſolcher Rodomontaden erkennen wird.“
„Und doch unterſchätzen Sie Schach. Er iſt immerhin einer unſerer Beſten.“
„Um ſo ſchlimmer.“
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noch um ein gut Teil mehr. Es iſt ein abſolut
ideales Verhältnis zwiſchen Mutter und Tochter, und
gerade dies Verhältnis iſt es, was mir das Haus ſo
wert gemacht hat und noch macht.“
„Alſo begraben wir die Partie,“ ſagte Bülow.
„Mir perſönlich zu beſondrer Genugthuung und Freude,
denn ich ſchwärme für dieſe Frau. Sie hat den
ganzen Zauber des Wahren und Natürlichen, und
ſelbſt ihre Schwächen ſind reizend und liebenswürdig.
Und daneben dieſer Schach! Er mag ſeine Meriten
haben, meinetwegen, aber mir iſt er nichts als ein
Pedant und Wichtigthuer, und zugleich die Ver¬
körperung jener preußiſchen Beſchränktheit, die nur
drei Glaubensartikel hat: erſtes Hauptſtück „die Welt
ruht nicht ſichrer auf den Schultern des Atlas, als
der preußiſche Staat auf den Schultern der preußiſchen
Armee“, zweites Hauptſtück „der preußiſche Infanterie¬
angriff iſt unwiderſtehlich“, und drittens und letztens
„eine Schlacht iſt nie verloren, ſo lange das Regiment
Garde du Corps nicht angegriffen hat“. Oder natür¬
lich auch das Regiment Gensdarmes. Denn ſie ſind
Geſchwiſter, Zwillingsbrüder. Ich verabſcheue ſolche
Redensarten, und der Tag iſt nahe, wo die Welt die
Hohlheit ſolcher Rodomontaden erkennen wird.“
„Und doch unterſchätzen Sie Schach. Er iſt
immerhin einer unſerer Beſten.“
„Um ſo ſchlimmer.“
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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/43>, abgerufen am 16.02.2025.
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