Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883."Wie sich das alles erklärt?" fragst Du und So sagt die Welt, und in vielem wird es zu¬ 15
„Wie ſich das alles erklärt?“ fragſt Du und So ſagt die Welt, und in vielem wird es zu¬ 15
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0237" n="225"/> <p>„Wie ſich das alles erklärt?“ fragſt Du und<lb/> ſetzeſt hinzu: „Du ſtündeſt vor einem Rätſel, das<lb/> ſich Dir nicht löſen wolle.“ Meine liebe Liſette, wie<lb/> löſen ſich die Rätſel? Nie. Ein Reſt von Dunklem<lb/> und Unaufgeklärtem bleibt, und in die letzten und<lb/> geheimſten Triebfedern andrer oder auch nur unſrer<lb/> eignen Handlungsweiſe hineinzublicken, iſt uns ver¬<lb/> ſagt. Er ſei, ſo verſichern die Leute, der ſchöne<lb/> Schach geweſen, und ich, das Mindeſte zu ſagen, die<lb/> nicht-ſchöne Victoire, — das habe den Spott heraus¬<lb/> gefordert, und dieſem Spotte Trotz zu bieten, dazu<lb/> hab er nicht die Kraft gehabt. Und ſo ſei er denn<lb/> aus Furcht vor dem Leben in den Tod gegangen.</p><lb/> <p>So ſagt die Welt, und in vielem wird es zu¬<lb/> treffen. Schrieb er mir doch ähnliches und verklagte<lb/> ſich darüber. Aber wie die Welt ſtrenger geweſen iſt,<lb/> als nötig, ſo vielleicht auch er ſelbſt. Ich ſeh es in<lb/> einem andern Licht. Er wußte ſehr wohl, daß aller<lb/> Spott der Welt ſchließlich erlahmt und erliſcht, und<lb/> war im Übrigen auch Manns genug, dieſen Spott<lb/> zu bekämpfen, im Fall er <hi rendition="#g">nicht</hi> erlahmen und <hi rendition="#g">nicht</hi><lb/> erlöſchen wollte. Nein, er fürchtete ſich nicht vor die¬<lb/> ſem Kampf, oder wenigſtens nicht ſo, wie vermutet wird;<lb/> aber eine kluge Stimme, die die Stimme ſeiner eigen¬<lb/> ſten und innerſten Natur war, rief ihm beſtändig zu,<lb/> daß er dieſen Kampf <hi rendition="#g">umſonſt</hi> kämpfen, und daß er,<lb/> wenn auch ſiegreich gegen die Welt, <hi rendition="#g">nicht</hi> ſiegreich<lb/> <fw place="bottom" type="sig">15<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [225/0237]
„Wie ſich das alles erklärt?“ fragſt Du und
ſetzeſt hinzu: „Du ſtündeſt vor einem Rätſel, das
ſich Dir nicht löſen wolle.“ Meine liebe Liſette, wie
löſen ſich die Rätſel? Nie. Ein Reſt von Dunklem
und Unaufgeklärtem bleibt, und in die letzten und
geheimſten Triebfedern andrer oder auch nur unſrer
eignen Handlungsweiſe hineinzublicken, iſt uns ver¬
ſagt. Er ſei, ſo verſichern die Leute, der ſchöne
Schach geweſen, und ich, das Mindeſte zu ſagen, die
nicht-ſchöne Victoire, — das habe den Spott heraus¬
gefordert, und dieſem Spotte Trotz zu bieten, dazu
hab er nicht die Kraft gehabt. Und ſo ſei er denn
aus Furcht vor dem Leben in den Tod gegangen.
So ſagt die Welt, und in vielem wird es zu¬
treffen. Schrieb er mir doch ähnliches und verklagte
ſich darüber. Aber wie die Welt ſtrenger geweſen iſt,
als nötig, ſo vielleicht auch er ſelbſt. Ich ſeh es in
einem andern Licht. Er wußte ſehr wohl, daß aller
Spott der Welt ſchließlich erlahmt und erliſcht, und
war im Übrigen auch Manns genug, dieſen Spott
zu bekämpfen, im Fall er nicht erlahmen und nicht
erlöſchen wollte. Nein, er fürchtete ſich nicht vor die¬
ſem Kampf, oder wenigſtens nicht ſo, wie vermutet wird;
aber eine kluge Stimme, die die Stimme ſeiner eigen¬
ſten und innerſten Natur war, rief ihm beſtändig zu,
daß er dieſen Kampf umſonſt kämpfen, und daß er,
wenn auch ſiegreich gegen die Welt, nicht ſiegreich
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