denn die Grundsätze, zu denen Sie sich bekennen, sind momentan obenauf. Wir stehen jetzt nach Ihrem Wunsch und allerhöchstem Willen am Tische Frankreichs und lesen die Brosamen auf, die von des Kaisers Tische fallen. Aber auf wie lange? Der Staat Friedrichs des Großen muß sich wieder auf sich selbst besinnen."
"So ers nur thäte," replizierte Bülow. "Aber das versäumt er eben. Ist dies Schwanken, dies immer noch halbe Stehen zu Rußland und Öster¬ reich, das uns dem Empereur entfremdet, ist das Fridericianische Politik? Ich frage Sie?"
"Sie mißverstehen mich."
"So bitt ich, mich aus dem Mißverständnis zu reißen."
"Was ich wenigstens versuchen will . . Übrigens wollen Sie mich mißverstehen, Herr v. Bülow. Ich bekämpfe nicht das französische Bündnis, weil es ein Bündnis ist, auch nicht deshalb, weil es nach Art aller Bündnisse darauf aus ist, unsere Kraft zu diesem oder jenem Zweck zu doublieren. O, nein; wie könnt' ich? Allianzen sind Mittel, deren jede Politik bedarf; auch der große König hat sich dieser Mittel bedient und innerhalb dieser Mittel beständig gewechselt. Aber nicht gewechselt hat er in seinem Endzweck. Dieser war unverrückt: ein starkes und selbständiges Preußen. Und nun frag' ich Sie, Herr
denn die Grundſätze, zu denen Sie ſich bekennen, ſind momentan obenauf. Wir ſtehen jetzt nach Ihrem Wunſch und allerhöchſtem Willen am Tiſche Frankreichs und leſen die Broſamen auf, die von des Kaiſers Tiſche fallen. Aber auf wie lange? Der Staat Friedrichs des Großen muß ſich wieder auf ſich ſelbſt beſinnen.“
„So ers nur thäte,“ replizierte Bülow. „Aber das verſäumt er eben. Iſt dies Schwanken, dies immer noch halbe Stehen zu Rußland und Öſter¬ reich, das uns dem Empereur entfremdet, iſt das Fridericianiſche Politik? Ich frage Sie?“
„Sie mißverſtehen mich.“
„So bitt ich, mich aus dem Mißverſtändnis zu reißen.“
„Was ich wenigſtens verſuchen will . . Übrigens wollen Sie mich mißverſtehen, Herr v. Bülow. Ich bekämpfe nicht das franzöſiſche Bündnis, weil es ein Bündnis iſt, auch nicht deshalb, weil es nach Art aller Bündniſſe darauf aus iſt, unſere Kraft zu dieſem oder jenem Zweck zu doublieren. O, nein; wie könnt' ich? Allianzen ſind Mittel, deren jede Politik bedarf; auch der große König hat ſich dieſer Mittel bedient und innerhalb dieſer Mittel beſtändig gewechſelt. Aber nicht gewechſelt hat er in ſeinem Endzweck. Dieſer war unverrückt: ein ſtarkes und ſelbſtändiges Preußen. Und nun frag' ich Sie, Herr
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[10/0022]
denn die Grundſätze, zu denen Sie ſich bekennen, ſind
momentan obenauf. Wir ſtehen jetzt nach Ihrem Wunſch
und allerhöchſtem Willen am Tiſche Frankreichs und
leſen die Broſamen auf, die von des Kaiſers Tiſche
fallen. Aber auf wie lange? Der Staat Friedrichs
des Großen muß ſich wieder auf ſich ſelbſt beſinnen.“
„So ers nur thäte,“ replizierte Bülow. „Aber
das verſäumt er eben. Iſt dies Schwanken, dies
immer noch halbe Stehen zu Rußland und Öſter¬
reich, das uns dem Empereur entfremdet, iſt das
Fridericianiſche Politik? Ich frage Sie?“
„Sie mißverſtehen mich.“
„So bitt ich, mich aus dem Mißverſtändnis zu
reißen.“
„Was ich wenigſtens verſuchen will . . Übrigens
wollen Sie mich mißverſtehen, Herr v. Bülow.
Ich bekämpfe nicht das franzöſiſche Bündnis, weil es
ein Bündnis iſt, auch nicht deshalb, weil es nach
Art aller Bündniſſe darauf aus iſt, unſere Kraft zu
dieſem oder jenem Zweck zu doublieren. O, nein;
wie könnt' ich? Allianzen ſind Mittel, deren jede
Politik bedarf; auch der große König hat ſich dieſer
Mittel bedient und innerhalb dieſer Mittel beſtändig
gewechſelt. Aber nicht gewechſelt hat er in ſeinem
Endzweck. Dieſer war unverrückt: ein ſtarkes und
ſelbſtändiges Preußen. Und nun frag' ich Sie, Herr
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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/22>, abgerufen am 02.03.2025.
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