Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Promenade noch weiter fortzusetzen und beschrieb lieber
einen Halbkreis um den Fuß des Schloßhügels herum,
bis er in Front des Schlosses selber war. Und nun
sah er hinauf, und sah die große Terrasse, die von
Orangeriekübeln und Cypressenpyramiden eingefaßt,
bis dicht an den See hinunterführte. Nur ein schmal
Stück Wiese lag noch dazwischen, und auf eben dieser
Wiese stand eine uralte Eiche, deren Schatten Schach
jetzt umschritt, einmal, vielemal, als würd er in ihrem
Bann gehalten. Es war ersichtlich, daß ihn der Kreis,
in dem er ging, an einen andern Kreis gemahnte,
denn er murmelte vor sich hin: könnt' ich heraus!

Das Wasser, das hier so verhältnismäßig nah an
die Schloßterrasse herantrat, war ein bloßer toter
Arm des Sees, nicht der See selbst. Auf diesen See
hinauszufahren aber, war in seinen Knabenjahren
immer seine höchste Wonne gewesen.

"Ist ein Boot da, so fahr ich." Und er schritt
auf den Schilfgürtel zu, der die tief einmündende
Bucht von drei Seilen her einfaßte. Nirgends schien
ein Zugang. Schließlich indeß fand er einen über¬
wachsenen Steg, an dessen Ende das große Sommer¬
boot lag, das seine Mama viele Jahre lang benutzt
hatte, wenn sie nach Karwe hinüberfuhr, um den
Knesebecks einen Besuch zu machen. Auch Ruder und
Stangen fanden sich, während der flache Boden des
Boots, um einen trockenen Fuß zu haben, mit hoch¬

Promenade noch weiter fortzuſetzen und beſchrieb lieber
einen Halbkreis um den Fuß des Schloßhügels herum,
bis er in Front des Schloſſes ſelber war. Und nun
ſah er hinauf, und ſah die große Terraſſe, die von
Orangeriekübeln und Cypreſſenpyramiden eingefaßt,
bis dicht an den See hinunterführte. Nur ein ſchmal
Stück Wieſe lag noch dazwiſchen, und auf eben dieſer
Wieſe ſtand eine uralte Eiche, deren Schatten Schach
jetzt umſchritt, einmal, vielemal, als würd er in ihrem
Bann gehalten. Es war erſichtlich, daß ihn der Kreis,
in dem er ging, an einen andern Kreis gemahnte,
denn er murmelte vor ſich hin: könnt' ich heraus!

Das Waſſer, das hier ſo verhältnismäßig nah an
die Schloßterraſſe herantrat, war ein bloßer toter
Arm des Sees, nicht der See ſelbſt. Auf dieſen See
hinauszufahren aber, war in ſeinen Knabenjahren
immer ſeine höchſte Wonne geweſen.

„Iſt ein Boot da, ſo fahr ich.“ Und er ſchritt
auf den Schilfgürtel zu, der die tief einmündende
Bucht von drei Seilen her einfaßte. Nirgends ſchien
ein Zugang. Schließlich indeß fand er einen über¬
wachſenen Steg, an deſſen Ende das große Sommer¬
boot lag, das ſeine Mama viele Jahre lang benutzt
hatte, wenn ſie nach Karwe hinüberfuhr, um den
Kneſebecks einen Beſuch zu machen. Auch Ruder und
Stangen fanden ſich, während der flache Boden des
Boots, um einen trockenen Fuß zu haben, mit hoch¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0172" n="160"/>
Promenade noch weiter fortzu&#x017F;etzen und be&#x017F;chrieb lieber<lb/>
einen Halbkreis um den Fuß des Schloßhügels herum,<lb/>
bis er in Front des Schlo&#x017F;&#x017F;es &#x017F;elber war. Und nun<lb/>
&#x017F;ah er hinauf, und &#x017F;ah die große Terra&#x017F;&#x017F;e, die von<lb/>
Orangeriekübeln und Cypre&#x017F;&#x017F;enpyramiden eingefaßt,<lb/>
bis dicht an den See hinunterführte. Nur ein &#x017F;chmal<lb/>
Stück Wie&#x017F;e lag noch dazwi&#x017F;chen, und auf eben die&#x017F;er<lb/>
Wie&#x017F;e &#x017F;tand eine uralte Eiche, deren Schatten Schach<lb/>
jetzt um&#x017F;chritt, einmal, vielemal, als würd er in ihrem<lb/>
Bann gehalten. Es war er&#x017F;ichtlich, daß ihn der Kreis,<lb/>
in dem er ging, an einen andern Kreis gemahnte,<lb/>
denn er murmelte vor &#x017F;ich hin: könnt' ich heraus!</p><lb/>
        <p>Das Wa&#x017F;&#x017F;er, das hier &#x017F;o verhältnismäßig nah an<lb/>
die Schloßterra&#x017F;&#x017F;e herantrat, war ein bloßer toter<lb/>
Arm des Sees, nicht der See &#x017F;elb&#x017F;t. Auf die&#x017F;en See<lb/>
hinauszufahren aber, war in &#x017F;einen Knabenjahren<lb/>
immer &#x017F;eine höch&#x017F;te Wonne gewe&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>&#x201E;I&#x017F;t ein Boot da, &#x017F;o fahr ich.&#x201C; Und er &#x017F;chritt<lb/>
auf den Schilfgürtel zu, der die tief einmündende<lb/>
Bucht von drei Seilen her einfaßte. Nirgends &#x017F;chien<lb/>
ein Zugang. Schließlich indeß fand er einen über¬<lb/>
wach&#x017F;enen Steg, an de&#x017F;&#x017F;en Ende das große Sommer¬<lb/>
boot lag, das &#x017F;eine Mama viele Jahre lang benutzt<lb/>
hatte, wenn &#x017F;ie nach Karwe hinüberfuhr, um den<lb/>
Kne&#x017F;ebecks einen Be&#x017F;uch zu machen. Auch Ruder und<lb/>
Stangen fanden &#x017F;ich, während der flache Boden des<lb/>
Boots, um einen trockenen Fuß zu haben, mit hoch¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0172] Promenade noch weiter fortzuſetzen und beſchrieb lieber einen Halbkreis um den Fuß des Schloßhügels herum, bis er in Front des Schloſſes ſelber war. Und nun ſah er hinauf, und ſah die große Terraſſe, die von Orangeriekübeln und Cypreſſenpyramiden eingefaßt, bis dicht an den See hinunterführte. Nur ein ſchmal Stück Wieſe lag noch dazwiſchen, und auf eben dieſer Wieſe ſtand eine uralte Eiche, deren Schatten Schach jetzt umſchritt, einmal, vielemal, als würd er in ihrem Bann gehalten. Es war erſichtlich, daß ihn der Kreis, in dem er ging, an einen andern Kreis gemahnte, denn er murmelte vor ſich hin: könnt' ich heraus! Das Waſſer, das hier ſo verhältnismäßig nah an die Schloßterraſſe herantrat, war ein bloßer toter Arm des Sees, nicht der See ſelbſt. Auf dieſen See hinauszufahren aber, war in ſeinen Knabenjahren immer ſeine höchſte Wonne geweſen. „Iſt ein Boot da, ſo fahr ich.“ Und er ſchritt auf den Schilfgürtel zu, der die tief einmündende Bucht von drei Seilen her einfaßte. Nirgends ſchien ein Zugang. Schließlich indeß fand er einen über¬ wachſenen Steg, an deſſen Ende das große Sommer¬ boot lag, das ſeine Mama viele Jahre lang benutzt hatte, wenn ſie nach Karwe hinüberfuhr, um den Kneſebecks einen Beſuch zu machen. Auch Ruder und Stangen fanden ſich, während der flache Boden des Boots, um einen trockenen Fuß zu haben, mit hoch¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/172
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/172>, abgerufen am 26.11.2024.