Für die Polen reichten wir allenfalls aus. Aber die Hannoveraner sind feine Leute."
"Ja, das sind sie," bestätigte Frau v. Carayon, während sie gleich danach hinzufügte: "Vielleicht auch etwas hochmütig."
"Etwas!" lachte Bülow. "O, meine Gnädigste, wer doch allzeit einer ähnlichen Milde begegnete. Glauben Sie mir, ich kenne die Hannoveraner seit lange, hab ihnen in meiner Altmärker-Eigenschaft so zu sagen von Jugend auf über den Zaun gekuckt, und darf Ihnen danach versichern, daß alles das, was mir England so zuwider macht, in diesem welfischen Stamm¬ lande doppelt anzutreffen ist. Ich gönn' ihnen des¬ halb die Zuchtrute, die wir ihnen bringen. Unsere preußische Wirtschaft ist erbärmlich, und Mirabeau hatte Recht, den gepriesenen Staat Friedrichs des Großen mit einer Frucht zu vergleichen, die schon faul sei, bevor sie noch reif geworden, aber faul oder nicht, Eines haben wir wenigstens: ein Gefühl davon, daß die Welt in diesen letzten funfzehn Jahren einen Schritt vorwärts gemacht hat, und daß sich die großen Geschicke derselben nicht notwendig zwischen Nuthe und Notte vollziehen müssen. In Hannover aber glaubt man immer noch an eine Spezialaufgabe Kalenbergs und der Lüneburger Haide. Nomen et omen. Es ist der Sitz der Stagnation, eine Brutstätte der Vor¬ urteile. Wir wissen wenigstens, daß wir nichts tau¬
Für die Polen reichten wir allenfalls aus. Aber die Hannoveraner ſind feine Leute.“
„Ja, das ſind ſie,“ beſtätigte Frau v. Carayon, während ſie gleich danach hinzufügte: „Vielleicht auch etwas hochmütig.“
„Etwas!“ lachte Bülow. „O, meine Gnädigſte, wer doch allzeit einer ähnlichen Milde begegnete. Glauben Sie mir, ich kenne die Hannoveraner ſeit lange, hab ihnen in meiner Altmärker-Eigenſchaft ſo zu ſagen von Jugend auf über den Zaun gekuckt, und darf Ihnen danach verſichern, daß alles das, was mir England ſo zuwider macht, in dieſem welfiſchen Stamm¬ lande doppelt anzutreffen iſt. Ich gönn' ihnen des¬ halb die Zuchtrute, die wir ihnen bringen. Unſere preußiſche Wirtſchaft iſt erbärmlich, und Mirabeau hatte Recht, den geprieſenen Staat Friedrichs des Großen mit einer Frucht zu vergleichen, die ſchon faul ſei, bevor ſie noch reif geworden, aber faul oder nicht, Eines haben wir wenigſtens: ein Gefühl davon, daß die Welt in dieſen letzten funfzehn Jahren einen Schritt vorwärts gemacht hat, und daß ſich die großen Geſchicke derſelben nicht notwendig zwiſchen Nuthe und Notte vollziehen müſſen. In Hannover aber glaubt man immer noch an eine Spezialaufgabe Kalenbergs und der Lüneburger Haide. Nomen et omen. Es iſt der Sitz der Stagnation, eine Brutſtätte der Vor¬ urteile. Wir wiſſen wenigſtens, daß wir nichts tau¬
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Für die Polen reichten wir allenfalls aus. Aber die
Hannoveraner ſind feine Leute.“
„Ja, das ſind ſie,“ beſtätigte Frau v. Carayon,
während ſie gleich danach hinzufügte: „Vielleicht auch
etwas hochmütig.“
„Etwas!“ lachte Bülow. „O, meine Gnädigſte,
wer doch allzeit einer ähnlichen Milde begegnete.
Glauben Sie mir, ich kenne die Hannoveraner ſeit
lange, hab ihnen in meiner Altmärker-Eigenſchaft ſo
zu ſagen von Jugend auf über den Zaun gekuckt, und
darf Ihnen danach verſichern, daß alles das, was mir
England ſo zuwider macht, in dieſem welfiſchen Stamm¬
lande doppelt anzutreffen iſt. Ich gönn' ihnen des¬
halb die Zuchtrute, die wir ihnen bringen. Unſere
preußiſche Wirtſchaft iſt erbärmlich, und Mirabeau
hatte Recht, den geprieſenen Staat Friedrichs des
Großen mit einer Frucht zu vergleichen, die ſchon faul
ſei, bevor ſie noch reif geworden, aber faul oder nicht,
Eines haben wir wenigſtens: ein Gefühl davon,
daß die Welt in dieſen letzten funfzehn Jahren einen
Schritt vorwärts gemacht hat, und daß ſich die großen
Geſchicke derſelben nicht notwendig zwiſchen Nuthe und
Notte vollziehen müſſen. In Hannover aber glaubt man
immer noch an eine Spezialaufgabe Kalenbergs und
der Lüneburger Haide. Nomen et omen. Es iſt
der Sitz der Stagnation, eine Brutſtätte der Vor¬
urteile. Wir wiſſen wenigſtens, daß wir nichts tau¬
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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/16>, abgerufen am 02.03.2025.
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