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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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am Thor oder am Gasthof ihm aufzuwarten. Und
er mustert mich und meinen altmodischen Rock, und
frägt mich: ,wie mirs gehe?' Und dabei drückt jede
seiner Mienen aus: ,O Gott, was doch drei Jahr
aus einem Menschen machen können.' Drei Jahr . .
Und vielleicht werden es dreißig."

Er war in seinem Zimmer auf und abgegangen,
und blieb vor einer Spiegelkonsole stehn, auf der
der Brief lag, den er während des Sprechens bei¬
seite gelegt hatte. Zwei, dreimal hob er ihn auf
und ließ ihn wieder fallen. "Mein Schicksal. Ja,
,der Moment entscheidet.' Ich entsinne mich noch,
so schrieb sie damals. Wußte sie, was kommen würde?
Wollte sies? O pfui, Schach, verunglimpfe nicht
das süße Geschöpf. Alle Schuld liegt bei Dir.
Deine Schuld ist Dein Schicksal. Und ich will sie
tragen."

Er klingelte, gab dem Diener einige Weisungen,
und ging zu den Carayons.

Es war, als ob er sich durch das Selbstgespräch,
das er geführt, von dem Drucke, der auf ihm lastete,
frei gemacht habe. Seine Sprache der alten Freundin
gegenüber war jetzt natürlich, beinah herzlich, und
ohne daß auch nur eine kleinste Wolke das wieder¬
hergestellte Vertrauen der Frau von Carayon getrübt
hätte, besprachen beide was zu thun sei. Schach zeigte
sich einverstanden mit allem: in einer Woche Ver¬

am Thor oder am Gaſthof ihm aufzuwarten. Und
er muſtert mich und meinen altmodiſchen Rock, und
frägt mich: ‚wie mirs gehe?‘ Und dabei drückt jede
ſeiner Mienen aus: ,O Gott, was doch drei Jahr
aus einem Menſchen machen können.‘ Drei Jahr . .
Und vielleicht werden es dreißig.“

Er war in ſeinem Zimmer auf und abgegangen,
und blieb vor einer Spiegelkonſole ſtehn, auf der
der Brief lag, den er während des Sprechens bei¬
ſeite gelegt hatte. Zwei, dreimal hob er ihn auf
und ließ ihn wieder fallen. „Mein Schickſal. Ja,
‚der Moment entſcheidet.‘ Ich entſinne mich noch,
ſo ſchrieb ſie damals. Wußte ſie, was kommen würde?
Wollte ſies? O pfui, Schach, verunglimpfe nicht
das ſüße Geſchöpf. Alle Schuld liegt bei Dir.
Deine Schuld iſt Dein Schickſal. Und ich will ſie
tragen.“

Er klingelte, gab dem Diener einige Weiſungen,
und ging zu den Carayons.

Es war, als ob er ſich durch das Selbſtgeſpräch,
das er geführt, von dem Drucke, der auf ihm laſtete,
frei gemacht habe. Seine Sprache der alten Freundin
gegenüber war jetzt natürlich, beinah herzlich, und
ohne daß auch nur eine kleinſte Wolke das wieder¬
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[142/0154] am Thor oder am Gaſthof ihm aufzuwarten. Und er muſtert mich und meinen altmodiſchen Rock, und frägt mich: ‚wie mirs gehe?‘ Und dabei drückt jede ſeiner Mienen aus: ,O Gott, was doch drei Jahr aus einem Menſchen machen können.‘ Drei Jahr . . Und vielleicht werden es dreißig.“ Er war in ſeinem Zimmer auf und abgegangen, und blieb vor einer Spiegelkonſole ſtehn, auf der der Brief lag, den er während des Sprechens bei¬ ſeite gelegt hatte. Zwei, dreimal hob er ihn auf und ließ ihn wieder fallen. „Mein Schickſal. Ja, ‚der Moment entſcheidet.‘ Ich entſinne mich noch, ſo ſchrieb ſie damals. Wußte ſie, was kommen würde? Wollte ſies? O pfui, Schach, verunglimpfe nicht das ſüße Geſchöpf. Alle Schuld liegt bei Dir. Deine Schuld iſt Dein Schickſal. Und ich will ſie tragen.“ Er klingelte, gab dem Diener einige Weiſungen, und ging zu den Carayons. Es war, als ob er ſich durch das Selbſtgeſpräch, das er geführt, von dem Drucke, der auf ihm laſtete, frei gemacht habe. Seine Sprache der alten Freundin gegenüber war jetzt natürlich, beinah herzlich, und ohne daß auch nur eine kleinſte Wolke das wieder¬ hergeſtellte Vertrauen der Frau von Carayon getrübt hätte, beſprachen beide was zu thun ſei. Schach zeigte ſich einverſtanden mit allem: in einer Woche Ver¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/154>, abgerufen am 24.11.2024.