wird, und diese Mitteilung hat meinen Entschluß geändert. Es ist Ihnen kein Geheimnis, daß all das, was man vorhat, meinem Gefühl widerstreitet, und so werden Sie sich mit Leichtigkeit herausrechnen können, wie viel oder wie wenig ich (dem schon ein Bühnen-Luther contre coeur war) für einen Mummenschanz-Luther übrig habe. Daß wir diesen Mummenschanz in eine Zeit verlegen, die nicht einmal eine Fastnachtsfreiheit in Anspruch nehmen darf, bessert sicherlich nichts. Jüngeren Kameraden soll aber durch diese meine Stellung zur Sache kein Zwang auferlegt werden, und jedenfalls darf man sich meiner Diskre¬ tion versichert halten. Ich bin nicht das Gewissen des Regiments, noch weniger sein Aufpasser. Ihr Schach."
"Ich wußt es," sagte Nostitz in aller Ruhe, wäh¬ rend er das Schachsche Billet an dem ihm zunächst stehenden Lichte verbrannte. "Kamerad Zieten ist größer in Vorschlägen und Phantastik, als in Men¬ schenkenntnis. Er will mir antworten, seh ich, aber ich kann ihm nicht nachgeben, denn in diesem Augen¬ blicke heißt es ausschließlich: wer spielt den Luther? Ich bringe den Reformator unter den Hammer. Der Meist¬ bietende hat ihn. Zum Ersten, Zweiten und zum . . . . Dritten. Niemand? So bleibt mir nichts übrig als Ernennung. Alvensleben, Sie."
Dieser schüttelte den Kopf. "Ich stehe dazu wie
wird, und dieſe Mitteilung hat meinen Entſchluß geändert. Es iſt Ihnen kein Geheimnis, daß all das, was man vorhat, meinem Gefühl widerſtreitet, und ſo werden Sie ſich mit Leichtigkeit herausrechnen können, wie viel oder wie wenig ich (dem ſchon ein Bühnen-Luther contre coeur war) für einen Mummenſchanz-Luther übrig habe. Daß wir dieſen Mummenſchanz in eine Zeit verlegen, die nicht einmal eine Faſtnachtsfreiheit in Anſpruch nehmen darf, beſſert ſicherlich nichts. Jüngeren Kameraden ſoll aber durch dieſe meine Stellung zur Sache kein Zwang auferlegt werden, und jedenfalls darf man ſich meiner Diskre¬ tion verſichert halten. Ich bin nicht das Gewiſſen des Regiments, noch weniger ſein Aufpaſſer. Ihr Schach.“
„Ich wußt es,“ ſagte Noſtitz in aller Ruhe, wäh¬ rend er das Schachſche Billet an dem ihm zunächſt ſtehenden Lichte verbrannte. „Kamerad Zieten iſt größer in Vorſchlägen und Phantaſtik, als in Men¬ ſchenkenntnis. Er will mir antworten, ſeh ich, aber ich kann ihm nicht nachgeben, denn in dieſem Augen¬ blicke heißt es ausſchließlich: wer ſpielt den Luther? Ich bringe den Reformator unter den Hammer. Der Meiſt¬ bietende hat ihn. Zum Erſten, Zweiten und zum . . . . Dritten. Niemand? So bleibt mir nichts übrig als Ernennung. Alvensleben, Sie.“
Dieſer ſchüttelte den Kopf. „Ich ſtehe dazu wie
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wird, und dieſe Mitteilung hat meinen Entſchluß
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das, was man vorhat, meinem Gefühl widerſtreitet,
und ſo werden Sie ſich mit Leichtigkeit herausrechnen
können, wie viel oder wie wenig ich (dem ſchon
ein Bühnen-Luther contre coeur war) für einen
Mummenſchanz-Luther übrig habe. Daß wir dieſen
Mummenſchanz in eine Zeit verlegen, die nicht einmal
eine Faſtnachtsfreiheit in Anſpruch nehmen darf, beſſert
ſicherlich nichts. Jüngeren Kameraden ſoll aber durch
dieſe meine Stellung zur Sache kein Zwang auferlegt
werden, und jedenfalls darf man ſich meiner Diskre¬
tion verſichert halten. Ich bin nicht das Gewiſſen
des Regiments, noch weniger ſein Aufpaſſer. Ihr
Schach.“
„Ich wußt es,“ ſagte Noſtitz in aller Ruhe, wäh¬
rend er das Schachſche Billet an dem ihm zunächſt
ſtehenden Lichte verbrannte. „Kamerad Zieten iſt
größer in Vorſchlägen und Phantaſtik, als in Men¬
ſchenkenntnis. Er will mir antworten, ſeh ich, aber
ich kann ihm nicht nachgeben, denn in dieſem Augen¬
blicke heißt es ausſchließlich: wer ſpielt den Luther? Ich
bringe den Reformator unter den Hammer. Der Meiſt¬
bietende hat ihn. Zum Erſten, Zweiten und zum . . . .
Dritten. Niemand? So bleibt mir nichts übrig als
Ernennung. Alvensleben, Sie.“
Dieſer ſchüttelte den Kopf. „Ich ſtehe dazu wie
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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/135>, abgerufen am 16.02.2025.
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