Victoire zwang sich ernsthaft zu bleiben und sagte dann: "Ich dachte, dieser Hauptpunkt in unsrer Kirche läge doch noch in etwas andrem, also z. B. in der Lehre vom Abendmahl."
"O nein, meine liebe Victoire, das weiß ich ganz genau. Mit oder ohne Wein, das macht keinen so großen Unterschied; aber ob unsre predicateurs in einer sittlich getrauten Ehe leben oder nicht, das, mein Engelchen, ist von einer würklichen importance."
"Und ich finde, Tante Marguerite hat ganz Recht," sagte Frau von Carayon.
"Und das ist es auch," fuhr die gegen alles Erwarten Belobigte fort, "was das Stück will, und was man um so deutlicher sieht, als die Bethmann würklich eine sehr hübsche Frau ist. Oder doch zum wenigstens viel hübscher, als sie würklich war. Ich meine die Nonne. Was aber nichts schadet, denn er war auch kein hübscher Mann, und lange nicht so hübsch als er. Ja werde nur rot, meine liebe Victoire, so viel weiß ich auch."
Frau von Carayon lachte herzlich.
"Und das muß wahr sein, unser Herr Rittmeister von Schach ist würklich ein sehr angenehmer Mann, und ich denke noch ümmer an Tempelhof und den aufrechtstehenden Ritter .. Und wißt Ihr denn, in Wülmersdorf soll auch einer sein, und auch ebenso weg¬ geschubbert. Und von wem ich es habe? Nun? Von la petite Princesse Charlotte."
Victoire zwang ſich ernſthaft zu bleiben und ſagte dann: „Ich dachte, dieſer Hauptpunkt in unſrer Kirche läge doch noch in etwas andrem, alſo z. B. in der Lehre vom Abendmahl.“
„O nein, meine liebe Victoire, das weiß ich ganz genau. Mit oder ohne Wein, das macht keinen ſo großen Unterſchied; aber ob unſre prédicateurs in einer ſittlich getrauten Ehe leben oder nicht, das, mein Engelchen, iſt von einer würklichen importance.“
„Und ich finde, Tante Marguerite hat ganz Recht,“ ſagte Frau von Carayon.
„Und das iſt es auch,“ fuhr die gegen alles Erwarten Belobigte fort, „was das Stück will, und was man um ſo deutlicher ſieht, als die Bethmann würklich eine ſehr hübſche Frau iſt. Oder doch zum wenigſtens viel hübſcher, als ſie würklich war. Ich meine die Nonne. Was aber nichts ſchadet, denn er war auch kein hübſcher Mann, und lange nicht ſo hübſch als er. Ja werde nur rot, meine liebe Victoire, ſo viel weiß ich auch.“
Frau von Carayon lachte herzlich.
„Und das muß wahr ſein, unſer Herr Rittmeiſter von Schach iſt würklich ein ſehr angenehmer Mann, und ich denke noch ümmer an Tempelhof und den aufrechtſtehenden Ritter .. Und wißt Ihr denn, in Wülmersdorf ſoll auch einer ſein, und auch ebenſo weg¬ geſchubbert. Und von wem ich es habe? Nun? Von la petite Princesse Charlotte.“
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Victoire zwang ſich ernſthaft zu bleiben und ſagte
dann: „Ich dachte, dieſer Hauptpunkt in unſrer Kirche
läge doch noch in etwas andrem, alſo z. B. in der
Lehre vom Abendmahl.“
„O nein, meine liebe Victoire, das weiß ich
ganz genau. Mit oder ohne Wein, das macht keinen ſo
großen Unterſchied; aber ob unſre prédicateurs in
einer ſittlich getrauten Ehe leben oder nicht, das,
mein Engelchen, iſt von einer würklichen importance.“
„Und ich finde, Tante Marguerite hat ganz Recht,“
ſagte Frau von Carayon.
„Und das iſt es auch,“ fuhr die gegen alles
Erwarten Belobigte fort, „was das Stück will, und
was man um ſo deutlicher ſieht, als die Bethmann
würklich eine ſehr hübſche Frau iſt. Oder doch zum
wenigſtens viel hübſcher, als ſie würklich war. Ich meine
die Nonne. Was aber nichts ſchadet, denn er war auch
kein hübſcher Mann, und lange nicht ſo hübſch als er. Ja
werde nur rot, meine liebe Victoire, ſo viel weiß ich auch.“
Frau von Carayon lachte herzlich.
„Und das muß wahr ſein, unſer Herr Rittmeiſter
von Schach iſt würklich ein ſehr angenehmer Mann,
und ich denke noch ümmer an Tempelhof und den
aufrechtſtehenden Ritter .. Und wißt Ihr denn, in
Wülmersdorf ſoll auch einer ſein, und auch ebenſo weg¬
geſchubbert. Und von wem ich es habe? Nun? Von
la petite Princesse Charlotte.“
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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/128>, abgerufen am 22.07.2024.
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