Mirabeau de Carayon, oder sagen wir Mirabelle de Carayon, das klingt schön und ungezwungen, und wenn ichs recht übersetze, so heißt es Wunderhold."
Und dabei lachte sie voll Uebermut und Bitter¬ keit. Aber die Bitterkeit klang vor.
"Sie dürfen so nicht lachen, Victoire, nicht so. Das kleidet Ihnen nicht, das verhäßlicht Sie. Ja, werfen Sie nur die Lippen, -- verhäßlicht Sie. Der Prinz hatte doch Recht, als er enthusiastisch von Ihnen sprach. Armes Gesetz der Form und der Farbe. Was allein gilt, ist das ewig Eine, daß sich die Seele den Körper schafft oder ihn durchleuchtet und verklärt."
Victoirens Lippen flogen, ihre Sicherheit verließ sie, und ein Frost schüttelte sie. Sie zog den Shawl höher hinauf, und Schach nahm ihre Hand, die eis¬ kalt war, denn alles Blut drängte nach ihrem Herzen.
"Victoire, Sie thun sich Unrecht; Sie wüten nutzlos gegen sich selbst, und sind um nichts besser als der Schwarzseher, der nach allem Trüben sucht und an Gottes hellem Sonnenlicht vorüber sieht. Ich beschwöre Sie, fassen Sie sich und glauben Sie wieder an Ihr Anrecht auf Leben und Liebe. War ich denn blind? In dem bittren Wort, in dem Sie sich demütigen wollten, in eben diesem Worte haben Sies getroffen, ein für allemal. Alles ist Märchen und Wunder an Ihnen; ja Mirabelle, ja Wunderhold!"
Mirabeau de Carayon, oder ſagen wir Mirabelle de Carayon, das klingt ſchön und ungezwungen, und wenn ichs recht überſetze, ſo heißt es Wunderhold.“
Und dabei lachte ſie voll Uebermut und Bitter¬ keit. Aber die Bitterkeit klang vor.
„Sie dürfen ſo nicht lachen, Victoire, nicht ſo. Das kleidet Ihnen nicht, das verhäßlicht Sie. Ja, werfen Sie nur die Lippen, — verhäßlicht Sie. Der Prinz hatte doch Recht, als er enthuſiaſtiſch von Ihnen ſprach. Armes Geſetz der Form und der Farbe. Was allein gilt, iſt das ewig Eine, daß ſich die Seele den Körper ſchafft oder ihn durchleuchtet und verklärt.“
Victoirens Lippen flogen, ihre Sicherheit verließ ſie, und ein Froſt ſchüttelte ſie. Sie zog den Shawl höher hinauf, und Schach nahm ihre Hand, die eis¬ kalt war, denn alles Blut drängte nach ihrem Herzen.
„Victoire, Sie thun ſich Unrecht; Sie wüten nutzlos gegen ſich ſelbſt, und ſind um nichts beſſer als der Schwarzſeher, der nach allem Trüben ſucht und an Gottes hellem Sonnenlicht vorüber ſieht. Ich beſchwöre Sie, faſſen Sie ſich und glauben Sie wieder an Ihr Anrecht auf Leben und Liebe. War ich denn blind? In dem bittren Wort, in dem Sie ſich demütigen wollten, in eben dieſem Worte haben Sies getroffen, ein für allemal. Alles iſt Märchen und Wunder an Ihnen; ja Mirabelle, ja Wunderhold!“
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Mirabeau de Carayon, oder ſagen wir Mirabelle
de Carayon, das klingt ſchön und ungezwungen, und
wenn ichs recht überſetze, ſo heißt es Wunderhold.“
Und dabei lachte ſie voll Uebermut und Bitter¬
keit. Aber die Bitterkeit klang vor.
„Sie dürfen ſo nicht lachen, Victoire, nicht ſo.
Das kleidet Ihnen nicht, das verhäßlicht Sie. Ja,
werfen Sie nur die Lippen, — verhäßlicht Sie.
Der Prinz hatte doch Recht, als er enthuſiaſtiſch von
Ihnen ſprach. Armes Geſetz der Form und der Farbe.
Was allein gilt, iſt das ewig Eine, daß ſich die Seele
den Körper ſchafft oder ihn durchleuchtet und
verklärt.“
Victoirens Lippen flogen, ihre Sicherheit verließ
ſie, und ein Froſt ſchüttelte ſie. Sie zog den Shawl
höher hinauf, und Schach nahm ihre Hand, die eis¬
kalt war, denn alles Blut drängte nach ihrem Herzen.
„Victoire, Sie thun ſich Unrecht; Sie wüten
nutzlos gegen ſich ſelbſt, und ſind um nichts beſſer
als der Schwarzſeher, der nach allem Trüben ſucht
und an Gottes hellem Sonnenlicht vorüber ſieht. Ich
beſchwöre Sie, faſſen Sie ſich und glauben Sie wieder
an Ihr Anrecht auf Leben und Liebe. War ich denn
blind? In dem bittren Wort, in dem Sie ſich
demütigen wollten, in eben dieſem Worte haben Sies
getroffen, ein für allemal. Alles iſt Märchen und
Wunder an Ihnen; ja Mirabelle, ja Wunderhold!“
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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/120>, abgerufen am 16.02.2025.
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