Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.und Form seiner Thürme, so lebt doch sein Name und seine Geschichte im Gedächtniß der Edinburger fort. Diese Geschichte, wie sich von selbst versteht, ist mit Blut geschrieben, aber sie hat doch auch heitere Blätter und bei diesen wollen wir einen Augenblick verweilen. Old-Tolbooth war immer berühmt durch die Leichtigkeit, mit der man ihm entwischen konnte. In Zeiten, wo man das Blutgeschäft im Großen treibt, ist man nicht ängstlich mit Rücksicht auf den Einzelnen. Findet er sich nicht selber wieder, so findet sich doch ein anderer. Der Laxheit im Verurtheilen entspricht die Leichtigkeit im Entkommen. Graf Schlabrendorff (um aus moderner Blutzeit ein Beispiel zu geben) entging der Guillotine, weil seine Stiefel nicht gewichst waren.*) Was unsern "Kerker von Edinburg" angeht, so hatte jeder, der List und guten Willen genug besaß, mindestens eine Chance, trotz Schloß und Riegel, trotz Ketten und Gitterfenster, ihm glücklich zu entkommen. War der Gefangene aber gar reich oder vornehm, so steigerte sich diese Chance bis zur Wahrscheinlichkeit. Wenn trotzdem einzelne Grafen und Herren von Old-Tolbooth aus auf's Schaffot *) Schlabrendorff war im Gefängniß; die Hinrichtungen erfolgten jeden Morgen nach der Zellen-Nummer. Als er abgeholt werden sollte (der Karren hielt bereits vor der Thür, um die gewöhnliche Morgenladung zu empfangen), suchte er vergebens nach seinen Stiefeln. "Ich muß doch am Ende ein Paar Stiefel anhaben; nehmt mich morgen statt heute." Dem Schließer leuchtete das ein. Am andern Morgen standen andere Nummern auf dem Zettel und Schlabrendorff war vergessen und - gerettet.
und Form seiner Thürme, so lebt doch sein Name und seine Geschichte im Gedächtniß der Edinburger fort. Diese Geschichte, wie sich von selbst versteht, ist mit Blut geschrieben, aber sie hat doch auch heitere Blätter und bei diesen wollen wir einen Augenblick verweilen. Old-Tolbooth war immer berühmt durch die Leichtigkeit, mit der man ihm entwischen konnte. In Zeiten, wo man das Blutgeschäft im Großen treibt, ist man nicht ängstlich mit Rücksicht auf den Einzelnen. Findet er sich nicht selber wieder, so findet sich doch ein anderer. Der Laxheit im Verurtheilen entspricht die Leichtigkeit im Entkommen. Graf Schlabrendorff (um aus moderner Blutzeit ein Beispiel zu geben) entging der Guillotine, weil seine Stiefel nicht gewichst waren.*) Was unsern „Kerker von Edinburg“ angeht, so hatte jeder, der List und guten Willen genug besaß, mindestens eine Chance, trotz Schloß und Riegel, trotz Ketten und Gitterfenster, ihm glücklich zu entkommen. War der Gefangene aber gar reich oder vornehm, so steigerte sich diese Chance bis zur Wahrscheinlichkeit. Wenn trotzdem einzelne Grafen und Herren von Old-Tolbooth aus auf’s Schaffot *) Schlabrendorff war im Gefängniß; die Hinrichtungen erfolgten jeden Morgen nach der Zellen-Nummer. Als er abgeholt werden sollte (der Karren hielt bereits vor der Thür, um die gewöhnliche Morgenladung zu empfangen), suchte er vergebens nach seinen Stiefeln. „Ich muß doch am Ende ein Paar Stiefel anhaben; nehmt mich morgen statt heute.“ Dem Schließer leuchtete das ein. Am andern Morgen standen andere Nummern auf dem Zettel und Schlabrendorff war vergessen und – gerettet.
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und Form seiner Thürme, so lebt doch sein Name und seine Geschichte im Gedächtniß der Edinburger fort. Diese Geschichte, wie sich von selbst versteht, ist mit Blut geschrieben, aber sie hat doch auch heitere Blätter und bei diesen wollen wir einen Augenblick verweilen.
Old-Tolbooth war immer berühmt durch die Leichtigkeit, mit der man ihm entwischen konnte. In Zeiten, wo man das Blutgeschäft im Großen treibt, ist man nicht ängstlich mit Rücksicht auf den Einzelnen. Findet er sich nicht selber wieder, so findet sich doch ein anderer. Der Laxheit im Verurtheilen entspricht die Leichtigkeit im Entkommen. Graf Schlabrendorff (um aus moderner Blutzeit ein Beispiel zu geben) entging der Guillotine, weil seine Stiefel nicht gewichst waren. *) Was unsern „Kerker von Edinburg“ angeht, so hatte jeder, der List und guten Willen genug besaß, mindestens eine Chance, trotz Schloß und Riegel, trotz Ketten und Gitterfenster, ihm glücklich zu entkommen. War der Gefangene aber gar reich oder vornehm, so steigerte sich diese Chance bis zur Wahrscheinlichkeit. Wenn trotzdem einzelne Grafen und Herren von Old-Tolbooth aus auf’s Schaffot
*) Schlabrendorff war im Gefängniß; die Hinrichtungen erfolgten jeden Morgen nach der Zellen-Nummer. Als er abgeholt werden sollte (der Karren hielt bereits vor der Thür, um die gewöhnliche Morgenladung zu empfangen), suchte er vergebens nach seinen Stiefeln. „Ich muß doch am Ende ein Paar Stiefel anhaben; nehmt mich morgen statt heute.“ Dem Schließer leuchtete das ein. Am andern Morgen standen andere Nummern auf dem Zettel und Schlabrendorff war vergessen und – gerettet.
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(2018-07-25T15:22:45Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T15:22:45Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen. Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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