Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.Gehäuse jetzt als Wandschrank für arme Leute dient, während Moray-House, um im Vergleich zu bleiben, der Roccoco-Pendule im Zimmer des Sammlers entspricht. Moray-House ist ungefähr 200 Jahre alt; es besteht aus einem Hause und einem Nebengebäude, jenes für die Herrschaft, dieses für die Dienstleute. Beide liegen in gleicher Linie, haben beide den Blick auf Canongate hinaus, aber keinen Ausgang auf die Straße. Die Thüren befinden sich seitwärts und münden auf den gemeinschaftlichen hofartigen Zwischenraum, der zwischen den beiden Häusern liegt. Dieser hofartige Zwischenraum hat nach vornhin eine Feldsteinmauer und in der Mitte derselben eine thorartige Einfahrt. Es ist vorzugsweise diese Einfahrt, die dem ganzen Hause einen besonderen Charakter leiht; sie besteht nämlich aus ziemlich niedrigen, nur wenig über die Mauer erhobenen Steinpfeilern, auf denen sich unverhältnißmäßig hohe Obelisken erheben, in ihrer völligen Zuspitzung unseren alten schindelgedeckten Kirchthurmspitzen, wie wir ihnen so oft in den Dörfern der Mark begegnen, nicht unähnlich. Ueber die Mauer hinweg hat man einen theilweisen Einblick in die kostbaren Gärten, die sich hinter dem Hause ausdehnen. Anlagen, die jetzt freilich durch größere Schöpfungen der Art vielfach übertroffen sind, früher aber eine Sehenswürdigkeit von Edinburg bildeten. Was indessen dem alten Moray-House seine eigentliche Bedeutung giebt, knüpft sich weder an seine Gärten, noch an seine Obelisken, sondern an den eisernen Balkon, Gehäuse jetzt als Wandschrank für arme Leute dient, während Moray-House, um im Vergleich zu bleiben, der Roccoco-Pendule im Zimmer des Sammlers entspricht. Moray-House ist ungefähr 200 Jahre alt; es besteht aus einem Hause und einem Nebengebäude, jenes für die Herrschaft, dieses für die Dienstleute. Beide liegen in gleicher Linie, haben beide den Blick auf Canongate hinaus, aber keinen Ausgang auf die Straße. Die Thüren befinden sich seitwärts und münden auf den gemeinschaftlichen hofartigen Zwischenraum, der zwischen den beiden Häusern liegt. Dieser hofartige Zwischenraum hat nach vornhin eine Feldsteinmauer und in der Mitte derselben eine thorartige Einfahrt. Es ist vorzugsweise diese Einfahrt, die dem ganzen Hause einen besonderen Charakter leiht; sie besteht nämlich aus ziemlich niedrigen, nur wenig über die Mauer erhobenen Steinpfeilern, auf denen sich unverhältnißmäßig hohe Obelisken erheben, in ihrer völligen Zuspitzung unseren alten schindelgedeckten Kirchthurmspitzen, wie wir ihnen so oft in den Dörfern der Mark begegnen, nicht unähnlich. Ueber die Mauer hinweg hat man einen theilweisen Einblick in die kostbaren Gärten, die sich hinter dem Hause ausdehnen. Anlagen, die jetzt freilich durch größere Schöpfungen der Art vielfach übertroffen sind, früher aber eine Sehenswürdigkeit von Edinburg bildeten. Was indessen dem alten Moray-House seine eigentliche Bedeutung giebt, knüpft sich weder an seine Gärten, noch an seine Obelisken, sondern an den eisernen Balkon, <TEI> <text> <body> <div> <div> <div> <p><pb facs="#f0076" n="62"/> Gehäuse jetzt als Wandschrank für arme Leute dient, während Moray-House, um im Vergleich zu bleiben, der Roccoco-Pendule im Zimmer des Sammlers entspricht.</p><lb/> <p>Moray-House ist ungefähr 200 Jahre alt; es besteht aus einem Hause und einem Nebengebäude, jenes für die Herrschaft, dieses für die Dienstleute. Beide liegen in gleicher Linie, haben beide den Blick auf Canongate hinaus, aber keinen Ausgang auf die Straße. Die Thüren befinden sich seitwärts und münden auf den gemeinschaftlichen hofartigen Zwischenraum, der zwischen den beiden Häusern liegt. Dieser hofartige Zwischenraum hat nach vornhin eine Feldsteinmauer und in der Mitte derselben eine thorartige Einfahrt. Es ist vorzugsweise diese Einfahrt, die dem ganzen Hause einen besonderen Charakter leiht; sie besteht nämlich aus ziemlich niedrigen, nur wenig über die Mauer erhobenen Steinpfeilern, auf denen sich unverhältnißmäßig hohe Obelisken erheben, in ihrer völligen Zuspitzung unseren alten schindelgedeckten Kirchthurmspitzen, wie wir ihnen so oft in den Dörfern der Mark begegnen, nicht unähnlich. Ueber die Mauer hinweg hat man einen theilweisen Einblick in die kostbaren Gärten, die sich hinter dem Hause ausdehnen. Anlagen, die jetzt freilich durch größere Schöpfungen der Art vielfach übertroffen sind, früher aber eine Sehenswürdigkeit von Edinburg bildeten.</p><lb/> <p>Was indessen dem alten Moray-House seine eigentliche Bedeutung giebt, knüpft sich weder an seine Gärten, noch an seine Obelisken, sondern an den eisernen Balkon,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0076]
Gehäuse jetzt als Wandschrank für arme Leute dient, während Moray-House, um im Vergleich zu bleiben, der Roccoco-Pendule im Zimmer des Sammlers entspricht.
Moray-House ist ungefähr 200 Jahre alt; es besteht aus einem Hause und einem Nebengebäude, jenes für die Herrschaft, dieses für die Dienstleute. Beide liegen in gleicher Linie, haben beide den Blick auf Canongate hinaus, aber keinen Ausgang auf die Straße. Die Thüren befinden sich seitwärts und münden auf den gemeinschaftlichen hofartigen Zwischenraum, der zwischen den beiden Häusern liegt. Dieser hofartige Zwischenraum hat nach vornhin eine Feldsteinmauer und in der Mitte derselben eine thorartige Einfahrt. Es ist vorzugsweise diese Einfahrt, die dem ganzen Hause einen besonderen Charakter leiht; sie besteht nämlich aus ziemlich niedrigen, nur wenig über die Mauer erhobenen Steinpfeilern, auf denen sich unverhältnißmäßig hohe Obelisken erheben, in ihrer völligen Zuspitzung unseren alten schindelgedeckten Kirchthurmspitzen, wie wir ihnen so oft in den Dörfern der Mark begegnen, nicht unähnlich. Ueber die Mauer hinweg hat man einen theilweisen Einblick in die kostbaren Gärten, die sich hinter dem Hause ausdehnen. Anlagen, die jetzt freilich durch größere Schöpfungen der Art vielfach übertroffen sind, früher aber eine Sehenswürdigkeit von Edinburg bildeten.
Was indessen dem alten Moray-House seine eigentliche Bedeutung giebt, knüpft sich weder an seine Gärten, noch an seine Obelisken, sondern an den eisernen Balkon,
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/76>, abgerufen am 17.02.2025. |