Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

mißverstandenen Diensteifer der Schildwacht zu leiden gehabt hätten. Das Regiment käme von Dover, wo sie bis jetzt in Garnison gewesen wären; die Schildwacht habe ohne Noth die strengen Instruktionen von Dover-Castle auf Edinburg-Castle übertragen. Dieser kleine Vorfall interessirte uns nach mehr denn einer Seite hin, besonders auch deshalb, weil also, den Worten des Offiziers nach zu schließen, in Betreff der Kanal-Befestigungen "strengere Instruktionen" vorzuliegen scheinen, als mit Rücksicht auf den minder exponirten Norden. Daß es übrigens hinsichtlich der Festungen an beiden Seiten des Kanals noch irgend etwas zu verrathen geben sollte, darf billig bezweifelt werden. Ich glaube, man kennt Dover-Castle in Paris so gut wie in London.

Wir nahmen jetzt unseren Stand auf der Halbmond-Batterie wieder ein; die arme Schildwacht schlich verlegen um uns her, bis wir sie durch einige Gemüthlichkeitsfragen von unsrer versöhnlichen Gesinnung überzeugt hatten. Die Skizze war längst beendet, als wir noch immer an der Brüstung standen und hinausschauend das zauberhafte Bild vor uns in seiner stets wechselnden Beleuchtung auf uns wirken ließen. Endlich rollten die Abendnebel langsam vom Meere aus auf die Stadt zu; immer dichter legten sich die Schleier über Land und Stadt, bis diese endlich, schwarz in grau, wie ein Schatten im Schatten verschwand.



mißverstandenen Diensteifer der Schildwacht zu leiden gehabt hätten. Das Regiment käme von Dover, wo sie bis jetzt in Garnison gewesen wären; die Schildwacht habe ohne Noth die strengen Instruktionen von Dover-Castle auf Edinburg-Castle übertragen. Dieser kleine Vorfall interessirte uns nach mehr denn einer Seite hin, besonders auch deshalb, weil also, den Worten des Offiziers nach zu schließen, in Betreff der Kanal-Befestigungen „strengere Instruktionen“ vorzuliegen scheinen, als mit Rücksicht auf den minder exponirten Norden. Daß es übrigens hinsichtlich der Festungen an beiden Seiten des Kanals noch irgend etwas zu verrathen geben sollte, darf billig bezweifelt werden. Ich glaube, man kennt Dover-Castle in Paris so gut wie in London.

Wir nahmen jetzt unseren Stand auf der Halbmond-Batterie wieder ein; die arme Schildwacht schlich verlegen um uns her, bis wir sie durch einige Gemüthlichkeitsfragen von unsrer versöhnlichen Gesinnung überzeugt hatten. Die Skizze war längst beendet, als wir noch immer an der Brüstung standen und hinausschauend das zauberhafte Bild vor uns in seiner stets wechselnden Beleuchtung auf uns wirken ließen. Endlich rollten die Abendnebel langsam vom Meere aus auf die Stadt zu; immer dichter legten sich die Schleier über Land und Stadt, bis diese endlich, schwarz in grau, wie ein Schatten im Schatten verschwand.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <p><pb facs="#f0074" n="60"/>
mißverstandenen Diensteifer der Schildwacht zu leiden gehabt hätten. Das Regiment käme von Dover, wo sie bis jetzt in Garnison gewesen wären; die Schildwacht habe ohne Noth die strengen Instruktionen von <hi rendition="#g">Dover</hi>-Castle auf <hi rendition="#g">Edinburg</hi>-Castle übertragen. Dieser kleine Vorfall interessirte uns nach mehr denn einer Seite hin, besonders auch deshalb, weil also, den Worten des Offiziers nach zu schließen, in Betreff der <hi rendition="#g">Kanal</hi>-Befestigungen &#x201E;strengere Instruktionen&#x201C; vorzuliegen scheinen, als mit Rücksicht auf den minder exponirten Norden. Daß es übrigens hinsichtlich der Festungen an <hi rendition="#g">beiden</hi> Seiten des Kanals noch irgend etwas zu verrathen geben sollte,              darf billig bezweifelt werden. Ich glaube, man kennt Dover-Castle in Paris so gut wie in              London.</p><lb/>
          <p>Wir nahmen jetzt unseren Stand auf der Halbmond-Batterie              wieder ein; die arme Schildwacht schlich verlegen um uns her, bis wir sie durch einige              Gemüthlichkeitsfragen von unsrer versöhnlichen Gesinnung überzeugt hatten. Die Skizze              war längst beendet, als wir noch immer an der Brüstung standen und hinausschauend das              zauberhafte Bild vor uns in seiner stets wechselnden Beleuchtung auf uns wirken ließen.              Endlich rollten die Abendnebel langsam vom Meere aus auf die Stadt zu; immer dichter              legten sich die Schleier über Land und Stadt, bis diese endlich, schwarz in grau, wie              ein Schatten im Schatten verschwand.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0074] mißverstandenen Diensteifer der Schildwacht zu leiden gehabt hätten. Das Regiment käme von Dover, wo sie bis jetzt in Garnison gewesen wären; die Schildwacht habe ohne Noth die strengen Instruktionen von Dover-Castle auf Edinburg-Castle übertragen. Dieser kleine Vorfall interessirte uns nach mehr denn einer Seite hin, besonders auch deshalb, weil also, den Worten des Offiziers nach zu schließen, in Betreff der Kanal-Befestigungen „strengere Instruktionen“ vorzuliegen scheinen, als mit Rücksicht auf den minder exponirten Norden. Daß es übrigens hinsichtlich der Festungen an beiden Seiten des Kanals noch irgend etwas zu verrathen geben sollte, darf billig bezweifelt werden. Ich glaube, man kennt Dover-Castle in Paris so gut wie in London. Wir nahmen jetzt unseren Stand auf der Halbmond-Batterie wieder ein; die arme Schildwacht schlich verlegen um uns her, bis wir sie durch einige Gemüthlichkeitsfragen von unsrer versöhnlichen Gesinnung überzeugt hatten. Die Skizze war längst beendet, als wir noch immer an der Brüstung standen und hinausschauend das zauberhafte Bild vor uns in seiner stets wechselnden Beleuchtung auf uns wirken ließen. Endlich rollten die Abendnebel langsam vom Meere aus auf die Stadt zu; immer dichter legten sich die Schleier über Land und Stadt, bis diese endlich, schwarz in grau, wie ein Schatten im Schatten verschwand.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • i/j in Fraktur: keine Angabe;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht übernommen;
  • Kustoden: keine Angabe;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • u/v bzw. U/V: keine Angabe;
  • Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/74
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/74>, abgerufen am 23.11.2024.