Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.den verschiedensten Oelbildern, nach vorgeblichen Originalen, die zum Theil gar nicht mehr vorhanden sind. Sind diese Portraits wirklich alle ächt, d. h. bei Lebzeiten der Königin und Angesichts derselben gemacht, so muß man es aufgeben, sich eine Vorstellung davon zu machen, wie sie denn eigentlich ausgesehen habe. Im Großen und Ganzen herrscht kaum irgend eine Aehnlichkeit zwischen all den Portraitköpfen, Miniatur- wie Oelbild, die ich von ihr kenne. - Von Oelbildern habe ich fünf gesehen: eines im Schlosse zu Hampton-Court, eines dem Grafen von Morton gehörig, eines in Windsor-Castle, eines in Edinburg-Castle und eines in Abbotsford; das letztere, blos das abgeschlagene Haupt der Königin darstellend, zeigt in einer Ecke den Namen eines italienischen Malers, in der anderen die Ortsangabe "Fotheringhay"; trotz alledem bezweifle ich aufs Entschiedenste, daß das Ganze etwas Anderes sei, als eine Schöpfung freier Phantasie. - Das Portrait in Edinburg-Castle ist sehr wahrscheinlich das Bildniß einer ganz anderen Person, und nur die drei erstgenannten Bilder, das in Hampton-Court, in Windsor-Castle und das dem Grafen Morton zugehörige, sind ächt, und so viel ich weiß, ziemlich unangefochten in ihrer Aechtheit. Auf dem ersteren Bilde ist sie in der Schwesterntracht jenes französischen Klosters, in dem sie bekanntlich erzogen wurde, abgebildet; auf dem anderen Bilde (dem Graf Morton'schen) als Königin, reich geschmückt, mit jener Haube und zumal mit jener aufrechtstehenden hohen Halskrause, die jeder unter den verschiedensten Oelbildern, nach vorgeblichen Originalen, die zum Theil gar nicht mehr vorhanden sind. Sind diese Portraits wirklich alle ächt, d. h. bei Lebzeiten der Königin und Angesichts derselben gemacht, so muß man es aufgeben, sich eine Vorstellung davon zu machen, wie sie denn eigentlich ausgesehen habe. Im Großen und Ganzen herrscht kaum irgend eine Aehnlichkeit zwischen all den Portraitköpfen, Miniatur- wie Oelbild, die ich von ihr kenne. – Von Oelbildern habe ich fünf gesehen: eines im Schlosse zu Hampton-Court, eines dem Grafen von Morton gehörig, eines in Windsor-Castle, eines in Edinburg-Castle und eines in Abbotsford; das letztere, blos das abgeschlagene Haupt der Königin darstellend, zeigt in einer Ecke den Namen eines italienischen Malers, in der anderen die Ortsangabe „Fotheringhay“; trotz alledem bezweifle ich aufs Entschiedenste, daß das Ganze etwas Anderes sei, als eine Schöpfung freier Phantasie. – Das Portrait in Edinburg-Castle ist sehr wahrscheinlich das Bildniß einer ganz anderen Person, und nur die drei erstgenannten Bilder, das in Hampton-Court, in Windsor-Castle und das dem Grafen Morton zugehörige, sind ächt, und so viel ich weiß, ziemlich unangefochten in ihrer Aechtheit. Auf dem ersteren Bilde ist sie in der Schwesterntracht jenes französischen Klosters, in dem sie bekanntlich erzogen wurde, abgebildet; auf dem anderen Bilde (dem Graf Morton’schen) als Königin, reich geschmückt, mit jener Haube und zumal mit jener aufrechtstehenden hohen Halskrause, die jeder unter <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0069" n="55"/> den verschiedensten Oelbildern, nach vorgeblichen Originalen, die zum Theil gar nicht mehr vorhanden sind. Sind diese Portraits wirklich alle ächt, d. h. bei Lebzeiten der Königin und Angesichts derselben gemacht, so muß man es aufgeben, sich eine Vorstellung davon zu machen, wie sie denn eigentlich ausgesehen habe. Im Großen und Ganzen herrscht kaum irgend eine Aehnlichkeit zwischen all den Portraitköpfen, Miniatur- wie Oelbild, die ich von ihr kenne. – Von Oelbildern habe ich fünf gesehen: <hi rendition="#g">eines</hi> im Schlosse zu Hampton-Court, <hi rendition="#g">eines</hi> dem Grafen von Morton gehörig, <hi rendition="#g">eines</hi> in Windsor-Castle, <hi rendition="#g">eines</hi> in Edinburg-Castle und <hi rendition="#g">eines</hi> in Abbotsford; das letztere, blos das abgeschlagene Haupt der Königin darstellend, zeigt in einer Ecke den Namen eines italienischen Malers, in der anderen die Ortsangabe „Fotheringhay“; trotz alledem bezweifle ich aufs Entschiedenste, daß das Ganze etwas Anderes sei, als eine Schöpfung freier Phantasie. – Das Portrait in Edinburg-Castle ist sehr wahrscheinlich das Bildniß einer ganz anderen Person, und nur die drei erstgenannten Bilder, das in Hampton-Court, in Windsor-Castle und das dem Grafen Morton zugehörige, sind ächt, und so viel ich weiß, ziemlich unangefochten in ihrer Aechtheit. Auf dem ersteren Bilde ist sie in der Schwesterntracht jenes französischen Klosters, in dem sie bekanntlich erzogen wurde, abgebildet; auf dem anderen Bilde (dem Graf Morton’schen) als Königin, reich geschmückt, mit jener Haube und zumal mit jener aufrechtstehenden hohen Halskrause, die jeder unter<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0069]
den verschiedensten Oelbildern, nach vorgeblichen Originalen, die zum Theil gar nicht mehr vorhanden sind. Sind diese Portraits wirklich alle ächt, d. h. bei Lebzeiten der Königin und Angesichts derselben gemacht, so muß man es aufgeben, sich eine Vorstellung davon zu machen, wie sie denn eigentlich ausgesehen habe. Im Großen und Ganzen herrscht kaum irgend eine Aehnlichkeit zwischen all den Portraitköpfen, Miniatur- wie Oelbild, die ich von ihr kenne. – Von Oelbildern habe ich fünf gesehen: eines im Schlosse zu Hampton-Court, eines dem Grafen von Morton gehörig, eines in Windsor-Castle, eines in Edinburg-Castle und eines in Abbotsford; das letztere, blos das abgeschlagene Haupt der Königin darstellend, zeigt in einer Ecke den Namen eines italienischen Malers, in der anderen die Ortsangabe „Fotheringhay“; trotz alledem bezweifle ich aufs Entschiedenste, daß das Ganze etwas Anderes sei, als eine Schöpfung freier Phantasie. – Das Portrait in Edinburg-Castle ist sehr wahrscheinlich das Bildniß einer ganz anderen Person, und nur die drei erstgenannten Bilder, das in Hampton-Court, in Windsor-Castle und das dem Grafen Morton zugehörige, sind ächt, und so viel ich weiß, ziemlich unangefochten in ihrer Aechtheit. Auf dem ersteren Bilde ist sie in der Schwesterntracht jenes französischen Klosters, in dem sie bekanntlich erzogen wurde, abgebildet; auf dem anderen Bilde (dem Graf Morton’schen) als Königin, reich geschmückt, mit jener Haube und zumal mit jener aufrechtstehenden hohen Halskrause, die jeder unter
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/69>, abgerufen am 22.07.2024. |