Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.verschiedenen Kronen und Scepter, die im Tower zu London gezeigt werden. Pflichtschuldigst sieht man sich solche Dinge an, hört mit halbem Ohr die hergeleierten Erklärungsworte, bezahlt den üblichen Sixpence und ist froh, wenn man aus dem Zimmer mit seinem großen sechseckigen Glaskasten wieder heraus ist. Ich legte mir die Frage vor: "woher diese Indifferenz?" Der Hauptgrund scheint mir der zu sein, daß diese Dinge in ihrer Allgemein-Verwendetheit den Reiz des Besonderen, so zu sagen des Persönlichen verlieren. Alles Reliquienwesen müssen wir auf eine ganz bestimmte Person zurückführen können. "Dies ist das Gebetbuch Jane Gray's, dies der Eisenhut des großen Kurfürsten, dies die Tabacksdose des alten Fritz", das hat ein Interesse; die Person selbst steht wie aus dem Grabe auf, trägt wieder die Sache oder stellt sich hinter dieselbe und giebt ihr dadurch ihren Reiz und Werth. Was soll aber vor unser geistiges Auge treten, wenn wir hören "das ist das Reichsschwert von Schottland!" nichts; alle die sieben Jakob's, die sich herzudrängen, selbst wenn wir was von ihnen wissen, verwirren uns nur, und wir sind schließlich froh diesem wirren Getriebe entkommen zu können. Die meisten Gebäude, die sich auf Edinburg-Castle vorfinden, sind, wie beim Londoner Tower, von modernem Datum. Während der Tower indeß neben seinen Barracken, Speichern und Munitionshäusern noch ein Dutzend wirkliche Sehenswürdigkeiten: Traitors-Gate, den Bell-Tower, den Beauchamp-Thurm, den Blutthurm, verschiedenen Kronen und Scepter, die im Tower zu London gezeigt werden. Pflichtschuldigst sieht man sich solche Dinge an, hört mit halbem Ohr die hergeleierten Erklärungsworte, bezahlt den üblichen Sixpence und ist froh, wenn man aus dem Zimmer mit seinem großen sechseckigen Glaskasten wieder heraus ist. Ich legte mir die Frage vor: „woher diese Indifferenz?“ Der Hauptgrund scheint mir der zu sein, daß diese Dinge in ihrer Allgemein-Verwendetheit den Reiz des Besonderen, so zu sagen des Persönlichen verlieren. Alles Reliquienwesen müssen wir auf eine ganz bestimmte Person zurückführen können. „Dies ist das Gebetbuch Jane Gray’s, dies der Eisenhut des großen Kurfürsten, dies die Tabacksdose des alten Fritz“, das hat ein Interesse; die Person selbst steht wie aus dem Grabe auf, trägt wieder die Sache oder stellt sich hinter dieselbe und giebt ihr dadurch ihren Reiz und Werth. Was soll aber vor unser geistiges Auge treten, wenn wir hören „das ist das Reichsschwert von Schottland!“ nichts; alle die sieben Jakob’s, die sich herzudrängen, selbst wenn wir was von ihnen wissen, verwirren uns nur, und wir sind schließlich froh diesem wirren Getriebe entkommen zu können. Die meisten Gebäude, die sich auf Edinburg-Castle vorfinden, sind, wie beim Londoner Tower, von modernem Datum. Während der Tower indeß neben seinen Barracken, Speichern und Munitionshäusern noch ein Dutzend wirkliche Sehenswürdigkeiten: Traitors-Gate, den Bell-Tower, den Beauchamp-Thurm, den Blutthurm, <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0067" n="53"/> verschiedenen Kronen und Scepter, die im Tower zu London gezeigt werden. Pflichtschuldigst sieht man sich solche Dinge an, hört mit halbem Ohr die hergeleierten Erklärungsworte, bezahlt den üblichen Sixpence und ist froh, wenn man aus dem Zimmer mit seinem großen sechseckigen Glaskasten wieder heraus ist. Ich legte mir die Frage vor: „woher diese Indifferenz?“ Der Hauptgrund scheint mir der zu sein, daß diese Dinge in ihrer Allgemein-Verwendetheit den Reiz des Besonderen, so zu sagen des Persönlichen verlieren. Alles Reliquienwesen müssen wir auf eine ganz bestimmte Person zurückführen können. „Dies ist das Gebetbuch Jane Gray’s, dies der Eisenhut des großen Kurfürsten, dies die Tabacksdose des alten Fritz“, <hi rendition="#g">das</hi> hat ein Interesse; die Person selbst steht wie aus dem Grabe auf, trägt wieder die Sache oder stellt sich hinter dieselbe und giebt ihr dadurch ihren Reiz und Werth. Was soll aber vor unser geistiges Auge treten, wenn wir hören „das ist das Reichsschwert von Schottland!“ nichts; alle die sieben Jakob’s, die sich herzudrängen, selbst wenn wir was von ihnen wissen, verwirren uns nur, und wir sind schließlich froh diesem wirren Getriebe entkommen zu können. </p><lb/> <p>Die meisten Gebäude, die sich auf Edinburg-Castle vorfinden, sind, wie beim Londoner Tower, von modernem Datum. Während der Tower indeß neben seinen Barracken, Speichern und Munitionshäusern noch ein Dutzend wirkliche Sehenswürdigkeiten: Traitors-Gate, den Bell-Tower, den Beauchamp-Thurm, den Blutthurm,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0067]
verschiedenen Kronen und Scepter, die im Tower zu London gezeigt werden. Pflichtschuldigst sieht man sich solche Dinge an, hört mit halbem Ohr die hergeleierten Erklärungsworte, bezahlt den üblichen Sixpence und ist froh, wenn man aus dem Zimmer mit seinem großen sechseckigen Glaskasten wieder heraus ist. Ich legte mir die Frage vor: „woher diese Indifferenz?“ Der Hauptgrund scheint mir der zu sein, daß diese Dinge in ihrer Allgemein-Verwendetheit den Reiz des Besonderen, so zu sagen des Persönlichen verlieren. Alles Reliquienwesen müssen wir auf eine ganz bestimmte Person zurückführen können. „Dies ist das Gebetbuch Jane Gray’s, dies der Eisenhut des großen Kurfürsten, dies die Tabacksdose des alten Fritz“, das hat ein Interesse; die Person selbst steht wie aus dem Grabe auf, trägt wieder die Sache oder stellt sich hinter dieselbe und giebt ihr dadurch ihren Reiz und Werth. Was soll aber vor unser geistiges Auge treten, wenn wir hören „das ist das Reichsschwert von Schottland!“ nichts; alle die sieben Jakob’s, die sich herzudrängen, selbst wenn wir was von ihnen wissen, verwirren uns nur, und wir sind schließlich froh diesem wirren Getriebe entkommen zu können.
Die meisten Gebäude, die sich auf Edinburg-Castle vorfinden, sind, wie beim Londoner Tower, von modernem Datum. Während der Tower indeß neben seinen Barracken, Speichern und Munitionshäusern noch ein Dutzend wirkliche Sehenswürdigkeiten: Traitors-Gate, den Bell-Tower, den Beauchamp-Thurm, den Blutthurm,
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(2018-07-25T15:22:45Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T15:22:45Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen. Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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