Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.einem ähnlichen Prinzip wie oben beschrieben, restauriren sehen. Die von außen wahrnehmbaren Sehenswürdigkeiten des John Knox'schen Hauses bestehen aus drei Dingen: Erstens aus dem kleinen Eckfenster im ersten Stock, von wo herab der Reformator häufig zu dem unten versammelten Volk gesprochen haben soll; zweitens aus einer Inschrift, die da lautet: Love God above all and your Neighbour as yourself (liebe Gott über Alles und Deinen Nächsten wie Dich selbst) und drittens aus einer bunt bemalten kleinen Holzpuppe, die sich unmittelbar neben jenem Eckfenster befindet und den Reformator selber, wie er zum Volke predigt, darstellen soll. Diese Puppe, wahrscheinlich nicht älter als 50 Jahre, ist das Produkt guten Willens und wenig Geschmacks. Sie hat nur das Gute, daß sie das Haus in unverkennbarer Weise markirt und dem Fremden ein Führer oder Fingerzeig wird, ohne dessen Hülfe das ziemlich unscheinbare Haus unter einer Masse ähnlicher Baulichkeiten verschwinden würde. High-Street weiter hinauf gehend, haben wir jetzt, zumal wenn wir uns auf der rechten Seite der Straße halten, einen Ueberblick über die drei Kirchen, die den Weg von Canongate bis Edinburg-Castle in drei fast gleiche drer Sorgfalt losgelösten Stücke eingefugt. Gegen das Prinzip, das diesem Verfahren zu Grunde liegt, läßt sich gewiß nichts Erhebliches sagen, aber das "wie", die Art der Ausführung, hätte allerdings eine sorglichere und pietätsvollere sein können. Man hat die historische Patina hinweggeputzt, ohne welche diese Dinge aufhören, sie selbst zu sein.
einem ähnlichen Prinzip wie oben beschrieben, restauriren sehen. Die von außen wahrnehmbaren Sehenswürdigkeiten des John Knox’schen Hauses bestehen aus drei Dingen: Erstens aus dem kleinen Eckfenster im ersten Stock, von wo herab der Reformator häufig zu dem unten versammelten Volk gesprochen haben soll; zweitens aus einer Inschrift, die da lautet: Love God above all and your Neighbour as yourself (liebe Gott über Alles und Deinen Nächsten wie Dich selbst) und drittens aus einer bunt bemalten kleinen Holzpuppe, die sich unmittelbar neben jenem Eckfenster befindet und den Reformator selber, wie er zum Volke predigt, darstellen soll. Diese Puppe, wahrscheinlich nicht älter als 50 Jahre, ist das Produkt guten Willens und wenig Geschmacks. Sie hat nur das Gute, daß sie das Haus in unverkennbarer Weise markirt und dem Fremden ein Führer oder Fingerzeig wird, ohne dessen Hülfe das ziemlich unscheinbare Haus unter einer Masse ähnlicher Baulichkeiten verschwinden würde. High-Street weiter hinauf gehend, haben wir jetzt, zumal wenn wir uns auf der rechten Seite der Straße halten, einen Ueberblick über die drei Kirchen, die den Weg von Canongate bis Edinburg-Castle in drei fast gleiche drer Sorgfalt losgelösten Stücke eingefugt. Gegen das Prinzip, das diesem Verfahren zu Grunde liegt, läßt sich gewiß nichts Erhebliches sagen, aber das „wie“, die Art der Ausführung, hätte allerdings eine sorglichere und pietätsvollere sein können. Man hat die historische Patina hinweggeputzt, ohne welche diese Dinge aufhören, sie selbst zu sein.
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einem ähnlichen Prinzip wie oben beschrieben, restauriren sehen. Die von außen wahrnehmbaren Sehenswürdigkeiten des John Knox’schen Hauses bestehen aus drei Dingen: Erstens aus dem kleinen Eckfenster im ersten Stock, von wo herab der Reformator häufig zu dem unten versammelten Volk gesprochen haben soll; zweitens aus einer Inschrift, die da lautet: Love God above all and your Neighbour as yourself (liebe Gott über Alles und Deinen Nächsten wie Dich selbst) und drittens aus einer bunt bemalten kleinen Holzpuppe, die sich unmittelbar neben jenem Eckfenster befindet und den Reformator selber, wie er zum Volke predigt, darstellen soll. Diese Puppe, wahrscheinlich nicht älter als 50 Jahre, ist das Produkt guten Willens und wenig Geschmacks. Sie hat nur das Gute, daß sie das Haus in unverkennbarer Weise markirt und dem Fremden ein Führer oder Fingerzeig wird, ohne dessen Hülfe das ziemlich unscheinbare Haus unter einer Masse ähnlicher Baulichkeiten verschwinden würde.
High-Street weiter hinauf gehend, haben wir jetzt, zumal wenn wir uns auf der rechten Seite der Straße halten, einen Ueberblick über die drei Kirchen, die den Weg von Canongate bis Edinburg-Castle in drei fast gleiche
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*) drer Sorgfalt losgelösten Stücke eingefugt. Gegen das Prinzip, das diesem Verfahren zu Grunde liegt, läßt sich gewiß nichts Erhebliches sagen, aber das „wie“, die Art der Ausführung, hätte allerdings eine sorglichere und pietätsvollere sein können. Man hat die historische Patina hinweggeputzt, ohne welche diese Dinge aufhören, sie selbst zu sein.
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(2018-07-25T15:22:45Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T15:22:45Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen. Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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