Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.unterdrücken, daß z. B. noch um 1750 herum, fünfundzwanzig Grafen (der Lords und Barone zu geschweigen) ihre Paläste hier gehabt haben sollen. Unscheinbare Häuser zu beiden Seiten der Straße führen noch jetzt den Namen alter und berühmter Geschlechter und beweisen im innigsten Zusammenhange mit den Thaten, die hier geschehen, welch Zustand verhältnißmäßiger Rohheit und Unkultur hier noch herrschte, als das übrige West-Europa bereits unter dem Einfluß der wiedererwachten Künste war. Geschmack und Comfort fanden hier sehr spät eine Stätte. Als Schottland während des 16. Jahrhunderts in die nächste politische Beziehung zu Frankreich trat, waren die Zustände des Landes noch so arm und hoffnungslos, um in der Bevölkerung desselben nicht einmal den Gedanken an Mitbewerbung oder Nacheiferung aufkommen zu lassen. Den Rest that der Puritanismus; was noch von Schätzen und Vorbildern guten Geschmacks übrig war, das brannte er nieder oder entkleidete es seiner Schönheit. Abgeschiedenheit, Armuth und das ausschließlich auf's Innerliche gerichtete religiöse Leben des schottischen Volks vereinigten sich dahin, der Kunst und ihrem nie fehlenden Gefolge, dem Comfort und dem Luxus, die Niederlassung, das Bürgerrecht in diesem Lande zu erschweren. Das Haus blieb hier ein bloßer Steinbau mit kleinen Thüren und dürftigen Fenstern, eine Schutzwehr gegen Wind und Wetter, ein Castell, fest, eng, warm, aber - schmucklos. Wer geneigt sein könnte einen Zweifel hiergegen zu unterdrücken, daß z. B. noch um 1750 herum, fünfundzwanzig Grafen (der Lords und Barone zu geschweigen) ihre Paläste hier gehabt haben sollen. Unscheinbare Häuser zu beiden Seiten der Straße führen noch jetzt den Namen alter und berühmter Geschlechter und beweisen im innigsten Zusammenhange mit den Thaten, die hier geschehen, welch Zustand verhältnißmäßiger Rohheit und Unkultur hier noch herrschte, als das übrige West-Europa bereits unter dem Einfluß der wiedererwachten Künste war. Geschmack und Comfort fanden hier sehr spät eine Stätte. Als Schottland während des 16. Jahrhunderts in die nächste politische Beziehung zu Frankreich trat, waren die Zustände des Landes noch so arm und hoffnungslos, um in der Bevölkerung desselben nicht einmal den Gedanken an Mitbewerbung oder Nacheiferung aufkommen zu lassen. Den Rest that der Puritanismus; was noch von Schätzen und Vorbildern guten Geschmacks übrig war, das brannte er nieder oder entkleidete es seiner Schönheit. Abgeschiedenheit, Armuth und das ausschließlich auf’s Innerliche gerichtete religiöse Leben des schottischen Volks vereinigten sich dahin, der Kunst und ihrem nie fehlenden Gefolge, dem Comfort und dem Luxus, die Niederlassung, das Bürgerrecht in diesem Lande zu erschweren. Das Haus blieb hier ein bloßer Steinbau mit kleinen Thüren und dürftigen Fenstern, eine Schutzwehr gegen Wind und Wetter, ein Castell, fest, eng, warm, aber – schmucklos. Wer geneigt sein könnte einen Zweifel hiergegen zu <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0047" n="33"/> unterdrücken, daß z. B. noch um 1750 herum, fünfundzwanzig Grafen (der Lords und Barone zu geschweigen) ihre Paläste hier gehabt haben sollen. Unscheinbare Häuser zu beiden Seiten der Straße führen noch jetzt den Namen alter und berühmter Geschlechter und beweisen im innigsten Zusammenhange mit den <hi rendition="#g">Thaten</hi>, die hier geschehen, welch Zustand verhältnißmäßiger Rohheit und Unkultur hier noch herrschte, als das übrige West-Europa bereits unter dem Einfluß der wiedererwachten Künste war. Geschmack und Comfort fanden hier sehr spät eine Stätte. Als Schottland während des 16. Jahrhunderts in die nächste politische Beziehung zu Frankreich trat, waren die Zustände des Landes noch so arm und hoffnungslos, um in der Bevölkerung desselben nicht einmal den Gedanken an Mitbewerbung oder Nacheiferung aufkommen zu lassen. Den Rest that der Puritanismus; was noch von Schätzen und Vorbildern guten Geschmacks übrig war, das brannte er nieder oder entkleidete es seiner Schönheit. Abgeschiedenheit, Armuth und das ausschließlich auf’s Innerliche gerichtete religiöse Leben des schottischen Volks vereinigten sich dahin, der Kunst und ihrem nie fehlenden Gefolge, dem Comfort und dem Luxus, die Niederlassung, das Bürgerrecht in diesem Lande zu erschweren. Das Haus blieb hier ein bloßer Steinbau mit kleinen Thüren und dürftigen Fenstern, eine Schutzwehr gegen Wind und Wetter, ein Castell, fest, eng, warm, aber – schmucklos.</p><lb/> <p>Wer geneigt sein könnte einen Zweifel hiergegen zu<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [33/0047]
unterdrücken, daß z. B. noch um 1750 herum, fünfundzwanzig Grafen (der Lords und Barone zu geschweigen) ihre Paläste hier gehabt haben sollen. Unscheinbare Häuser zu beiden Seiten der Straße führen noch jetzt den Namen alter und berühmter Geschlechter und beweisen im innigsten Zusammenhange mit den Thaten, die hier geschehen, welch Zustand verhältnißmäßiger Rohheit und Unkultur hier noch herrschte, als das übrige West-Europa bereits unter dem Einfluß der wiedererwachten Künste war. Geschmack und Comfort fanden hier sehr spät eine Stätte. Als Schottland während des 16. Jahrhunderts in die nächste politische Beziehung zu Frankreich trat, waren die Zustände des Landes noch so arm und hoffnungslos, um in der Bevölkerung desselben nicht einmal den Gedanken an Mitbewerbung oder Nacheiferung aufkommen zu lassen. Den Rest that der Puritanismus; was noch von Schätzen und Vorbildern guten Geschmacks übrig war, das brannte er nieder oder entkleidete es seiner Schönheit. Abgeschiedenheit, Armuth und das ausschließlich auf’s Innerliche gerichtete religiöse Leben des schottischen Volks vereinigten sich dahin, der Kunst und ihrem nie fehlenden Gefolge, dem Comfort und dem Luxus, die Niederlassung, das Bürgerrecht in diesem Lande zu erschweren. Das Haus blieb hier ein bloßer Steinbau mit kleinen Thüren und dürftigen Fenstern, eine Schutzwehr gegen Wind und Wetter, ein Castell, fest, eng, warm, aber – schmucklos.
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/47>, abgerufen am 22.07.2024. |