Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.Dies ist Holyrood-Palace. Neben demselben, aber etwas zurückgelegen, so daß beide Baulichkeiten nur an einer einzigen Ecke statt mit ihren vollen Seiten zusammentreffen, erhebt sich eine Ruine: die Royal Chapel von Holyrood, das einzige Ueberbleibsel jener reichen und stolzen Abtei, die hier mit ihren Klösterhöfen, ihrer Kapelle und ihren Gärten weite Morgen Landes bedeckte. Lange bevor es einen Holyrood-Palace gab, gab es eine Holyrood-Abtei. David I. von Schottland, der fromme Gründer der Abteien von Melrose und Kelso, gründete auch diese Abtei von Holyrood (um 1150) und erst 350 Jahre später begannen neben derselben sich jene schlichten Mauern und Thürmchen zu erheben, die in ihrer damaligen äußerst begrenzten Ausdehnung kaum den Namen eines Palastes beanspruchen konnten. Es war ein Schwalbennest, das sich, wie Schutz suchend, an die stattliche, alte Abtei anklebte. Seitdem ist diese zu einer Ruine geworden, während der Palast ihr mit der Hälfte ihres Raumes zugleich das Ganze ihres Ruhmes genommen hat. Die Abtei hat längst aufgehört, eine Pilgerstätte zu sein, der Palast ist es geworden, und die wenigsten unter den Tausenden die dieser Stätte zuströmen, haben eine Ahnung davon, daß Wand an Wand mit dem Palaste von Holyrood noch eine gleichnamige Abtei ihrer harrt. Wir besuchen diese zunächst. Die uns zugekehrte Front, ein Thurm und ein Portal, sind verhältnißmäßig gut erhalten und geben am deutlichsten Zeugniß für die nicht gewöhnliche Schönheit des Kapellenbaues der sich Dies ist Holyrood-Palace. Neben demselben, aber etwas zurückgelegen, so daß beide Baulichkeiten nur an einer einzigen Ecke statt mit ihren vollen Seiten zusammentreffen, erhebt sich eine Ruine: die Royal Chapel von Holyrood, das einzige Ueberbleibsel jener reichen und stolzen Abtei, die hier mit ihren Klösterhöfen, ihrer Kapelle und ihren Gärten weite Morgen Landes bedeckte. Lange bevor es einen Holyrood-Palace gab, gab es eine Holyrood-Abtei. David I. von Schottland, der fromme Gründer der Abteien von Melrose und Kelso, gründete auch diese Abtei von Holyrood (um 1150) und erst 350 Jahre später begannen neben derselben sich jene schlichten Mauern und Thürmchen zu erheben, die in ihrer damaligen äußerst begrenzten Ausdehnung kaum den Namen eines Palastes beanspruchen konnten. Es war ein Schwalbennest, das sich, wie Schutz suchend, an die stattliche, alte Abtei anklebte. Seitdem ist diese zu einer Ruine geworden, während der Palast ihr mit der Hälfte ihres Raumes zugleich das Ganze ihres Ruhmes genommen hat. Die Abtei hat längst aufgehört, eine Pilgerstätte zu sein, der Palast ist es geworden, und die wenigsten unter den Tausenden die dieser Stätte zuströmen, haben eine Ahnung davon, daß Wand an Wand mit dem Palaste von Holyrood noch eine gleichnamige Abtei ihrer harrt. Wir besuchen diese zunächst. Die uns zugekehrte Front, ein Thurm und ein Portal, sind verhältnißmäßig gut erhalten und geben am deutlichsten Zeugniß für die nicht gewöhnliche Schönheit des Kapellenbaues der sich <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0034" n="20"/> Dies ist Holyrood-<hi rendition="#g">Palace</hi>. Neben demselben, aber etwas zurückgelegen, so daß beide Baulichkeiten nur an einer einzigen Ecke statt mit ihren vollen Seiten <choice><sic>zusamtreffen</sic><corr>zusammentreffen</corr></choice>, erhebt sich eine Ruine: die <hi rendition="#g">Royal Chapel von Holyrood</hi>, das einzige Ueberbleibsel jener reichen und stolzen Abtei, die hier mit ihren Klösterhöfen, ihrer Kapelle und ihren Gärten weite Morgen Landes bedeckte. Lange bevor es einen Holyrood-<hi rendition="#g">Palace</hi> gab, gab es eine Holyrood-<hi rendition="#g">Abtei</hi>. David <hi rendition="#aq">I. von Schottland, der fromme Gründer der Abteien von Melrose und Kelso, gründete auch diese Abtei von Holyrood (um 1150) und erst 350 Jahre später begannen </hi><hi rendition="#g">neben</hi> derselben sich jene schlichten Mauern und Thürmchen zu erheben, die in ihrer damaligen äußerst begrenzten Ausdehnung kaum den Namen eines Palastes beanspruchen konnten. Es war ein Schwalbennest, das sich, wie Schutz suchend, an die stattliche, alte Abtei anklebte. Seitdem ist diese zu einer Ruine geworden, während der Palast ihr mit der Hälfte ihres Raumes zugleich das Ganze ihres Ruhmes genommen hat. Die <hi rendition="#g">Abtei</hi> hat längst aufgehört, eine Pilgerstätte zu sein, der <hi rendition="#g">Palast</hi> ist es geworden, und die wenigsten unter den Tausenden die dieser Stätte zuströmen, haben eine Ahnung davon, daß Wand an Wand mit dem Palaste von Holyrood noch eine gleichnamige Abtei ihrer harrt.</p><lb/> <p>Wir besuchen diese zunächst. Die uns zugekehrte Front, ein Thurm und ein Portal, sind verhältnißmäßig gut erhalten und geben am deutlichsten Zeugniß für die nicht gewöhnliche Schönheit des Kapellenbaues der sich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [20/0034]
Dies ist Holyrood-Palace. Neben demselben, aber etwas zurückgelegen, so daß beide Baulichkeiten nur an einer einzigen Ecke statt mit ihren vollen Seiten zusammentreffen, erhebt sich eine Ruine: die Royal Chapel von Holyrood, das einzige Ueberbleibsel jener reichen und stolzen Abtei, die hier mit ihren Klösterhöfen, ihrer Kapelle und ihren Gärten weite Morgen Landes bedeckte. Lange bevor es einen Holyrood-Palace gab, gab es eine Holyrood-Abtei. David I. von Schottland, der fromme Gründer der Abteien von Melrose und Kelso, gründete auch diese Abtei von Holyrood (um 1150) und erst 350 Jahre später begannen neben derselben sich jene schlichten Mauern und Thürmchen zu erheben, die in ihrer damaligen äußerst begrenzten Ausdehnung kaum den Namen eines Palastes beanspruchen konnten. Es war ein Schwalbennest, das sich, wie Schutz suchend, an die stattliche, alte Abtei anklebte. Seitdem ist diese zu einer Ruine geworden, während der Palast ihr mit der Hälfte ihres Raumes zugleich das Ganze ihres Ruhmes genommen hat. Die Abtei hat längst aufgehört, eine Pilgerstätte zu sein, der Palast ist es geworden, und die wenigsten unter den Tausenden die dieser Stätte zuströmen, haben eine Ahnung davon, daß Wand an Wand mit dem Palaste von Holyrood noch eine gleichnamige Abtei ihrer harrt.
Wir besuchen diese zunächst. Die uns zugekehrte Front, ein Thurm und ein Portal, sind verhältnißmäßig gut erhalten und geben am deutlichsten Zeugniß für die nicht gewöhnliche Schönheit des Kapellenbaues der sich
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/34>, abgerufen am 22.07.2024. |