Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.Erin, thy silent tear never shall cease, konnte ich dem Drange nicht widerstehen, in das wohlbekannte Lied mit einzustimmen, und so folgten denn, wie ein gesprochenes Duett, zwischen ihr und mir, die Schlußzeilen: Erin, thy languid smile ne'er shall increase, Till, like the rainbow's light, Thy various tints unite, And form in heaven's sight One arch of peace. Sie sah mich groß an und sagte dann: "You are a poet." Ich lehnte die Ehre ab, zeigte aber auf meinen Reisegefährten und flüsterte vertraulich: "He is." "Gut denn", fuhr Miß Arabella fort, "so wird Ihr Freund es übernehmen, einen hübschen Reim, ein Erinnerungswort hier in mein Buch zu schreiben. Er muß begeistert sein, hier der Loch Lomond und hier - ich." Sie lachte und gab ihm ihr Notizbuch. Ablehnung wäre wenig am Platze gewesen; so nahm Freund B. denn den Handschuh auf und schrieb in verbindlicher Weise: Ich liebte immer den Thomas Moor, Heut' lieb' ich ihn mehr noch denn zuvor. Ich hab' ihn gelesen hier und dort, Hinreißt nur das lebendige Wort. Die Zeilen waren mit deutschen Buchstaben geschrieben, die der Miß Arabella fremd waren. Sie reichte mir also das Büchelchen zurück und bat mich, ihr die Zeilen langsam vorzulesen. Ich that es. "Ach", fuhr sie fort, Erin, thy silent tear never shall cease, konnte ich dem Drange nicht widerstehen, in das wohlbekannte Lied mit einzustimmen, und so folgten denn, wie ein gesprochenes Duett, zwischen ihr und mir, die Schlußzeilen: Erin, thy languid smile ne’er shall increase, Till, like the rainbow’s light, Thy various tints unite, And form in heaven’s sight One arch of peace. Sie sah mich groß an und sagte dann: „You are a poet.“ Ich lehnte die Ehre ab, zeigte aber auf meinen Reisegefährten und flüsterte vertraulich: „He is.“ „Gut denn“, fuhr Miß Arabella fort, „so wird Ihr Freund es übernehmen, einen hübschen Reim, ein Erinnerungswort hier in mein Buch zu schreiben. Er muß begeistert sein, hier der Loch Lomond und hier – ich.“ Sie lachte und gab ihm ihr Notizbuch. Ablehnung wäre wenig am Platze gewesen; so nahm Freund B. denn den Handschuh auf und schrieb in verbindlicher Weise: Ich liebte immer den Thomas Moor, Heut’ lieb’ ich ihn mehr noch denn zuvor. Ich hab’ ihn gelesen hier und dort, Hinreißt nur das lebendige Wort. Die Zeilen waren mit deutschen Buchstaben geschrieben, die der Miß Arabella fremd waren. Sie reichte mir also das Büchelchen zurück und bat mich, ihr die Zeilen langsam vorzulesen. Ich that es. „Ach“, fuhr sie fort, <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0327" n="313"/><lg type="poem"><l><hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">Erin, thy silent tear never shall cease,</foreign></hi></l><lb/><l><hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">Erin, thy languid smile ne’er shall increase,</foreign></hi></l><lb/></lg> konnte ich dem Drange nicht widerstehen, in das wohlbekannte Lied mit einzustimmen, und so folgten denn, wie ein gesprochenes Duett, zwischen ihr und mir, die Schlußzeilen: <foreign xml:lang="eng"><hi rendition="#aq"><lg type="poem"><l>Till, like the rainbow’s light,</l><lb/><l>Thy various tints unite,</l><lb/><l>And form in heaven’s sight</l><lb/><l>One arch of peace.</l><lb/></lg></hi></foreign> </p><lb/> <p>Sie sah mich groß an und sagte dann: <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">„You are a poet.“</foreign></hi> Ich lehnte die Ehre ab, zeigte aber auf meinen Reisegefährten und flüsterte vertraulich: <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">„He is.“</foreign></hi> „Gut denn<choice><sic/><corr>“</corr></choice>, fuhr Miß Arabella fort, „so wird Ihr Freund es übernehmen, einen hübschen Reim, ein Erinnerungswort hier in mein Buch zu schreiben. Er muß begeistert sein, hier der Loch Lomond und hier – ich.“ Sie lachte und gab ihm ihr Notizbuch. Ablehnung wäre wenig am Platze gewesen; so nahm Freund B. denn den Handschuh auf und schrieb in verbindlicher Weise:<lb/><lg type="poem"><l>Ich liebte immer den Thomas Moor,</l><lb/><l>Heut’ lieb’ ich ihn mehr noch denn zuvor.</l><lb/><l>Ich hab’ ihn gelesen hier und dort,</l><lb/><l>Hinreißt nur das <hi rendition="#g">lebendige</hi> Wort.</l><lb/></lg> </p><lb/> <p>Die Zeilen waren mit deutschen Buchstaben geschrieben, die der Miß Arabella fremd waren. Sie reichte mir also das Büchelchen zurück und bat mich, ihr die Zeilen langsam vorzulesen. Ich that es. „Ach“, fuhr sie fort,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [313/0327]
Erin, thy silent tear never shall cease,
Erin, thy languid smile ne’er shall increase,
konnte ich dem Drange nicht widerstehen, in das wohlbekannte Lied mit einzustimmen, und so folgten denn, wie ein gesprochenes Duett, zwischen ihr und mir, die Schlußzeilen: Till, like the rainbow’s light,
Thy various tints unite,
And form in heaven’s sight
One arch of peace.
Sie sah mich groß an und sagte dann: „You are a poet.“ Ich lehnte die Ehre ab, zeigte aber auf meinen Reisegefährten und flüsterte vertraulich: „He is.“ „Gut denn“, fuhr Miß Arabella fort, „so wird Ihr Freund es übernehmen, einen hübschen Reim, ein Erinnerungswort hier in mein Buch zu schreiben. Er muß begeistert sein, hier der Loch Lomond und hier – ich.“ Sie lachte und gab ihm ihr Notizbuch. Ablehnung wäre wenig am Platze gewesen; so nahm Freund B. denn den Handschuh auf und schrieb in verbindlicher Weise:
Ich liebte immer den Thomas Moor,
Heut’ lieb’ ich ihn mehr noch denn zuvor.
Ich hab’ ihn gelesen hier und dort,
Hinreißt nur das lebendige Wort.
Die Zeilen waren mit deutschen Buchstaben geschrieben, die der Miß Arabella fremd waren. Sie reichte mir also das Büchelchen zurück und bat mich, ihr die Zeilen langsam vorzulesen. Ich that es. „Ach“, fuhr sie fort,
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/327>, abgerufen am 16.02.2025. |