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Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

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wie man ein Phantasiecostüm trägt. Aus jenem graugelben Sommerzeug, das jeder kennt, der einem halben Dutzend reisender Engländer irgendwo in der Welt begegnet ist, hatte er sich einen Kilt und eine Jacke machen lassen und nichts an ihm war ächt schottisch als die dunkelblaue Wollenmütze und der kurze, graukarrirte Strumpf. An jeder andern Stelle der Welt wäre er ein schöner Mann gewesen, neben seinem Freunde, dem Häuptling, aber nahm er sich aus wie dessen Milchbruder; ebenso groß, ebenso breit, ebenso frisch, aber racelos. Der Häuptling schritt, ohne ein direktes Zeichen der Ueberhebung, durch die Menschenwoge hin, als habe er nicht das geringste mit ihr gemein. Er trug eine weite schwarze Sammtjacke und viel gelb in dem gewürfelten Tartan, war also von dänischer Abstammung*), wahrscheinlich ein Macleod. Um den Leib trug er jene eigenthümlich schottische Jagdtasche, die fast die Form einer Geldkatze hat, und die sechs langen Geisbärte, die wie eben so viele Siegeszeichen an dieser Tasche zu hängen pflegen, fielen malerisch über den faltenreichen Kilt. Das kurze schottische Schwert hatte er daheim gelassen, aber das Fangmesser, mit einem großen Amethyst oben am Griff, steckte nach Landessitte im rechten Strumpf und bewies,

*) Unter den Tartans (den buntgewürfelten schottischen Zeugen) unterscheidet man drei Hauptgruppen: die mit viel roth, mit viel grün und mit viel gelb. Roth ist die Farbe der schottisch-britischen Clane, grün die Farbe derer, die aus Irland stammen, und gelb tragen diejenigen, die sich von den Dänen und Skandinaviern herleiten.

wie man ein Phantasiecostüm trägt. Aus jenem graugelben Sommerzeug, das jeder kennt, der einem halben Dutzend reisender Engländer irgendwo in der Welt begegnet ist, hatte er sich einen Kilt und eine Jacke machen lassen und nichts an ihm war ächt schottisch als die dunkelblaue Wollenmütze und der kurze, graukarrirte Strumpf. An jeder andern Stelle der Welt wäre er ein schöner Mann gewesen, neben seinem Freunde, dem Häuptling, aber nahm er sich aus wie dessen Milchbruder; ebenso groß, ebenso breit, ebenso frisch, aber racelos. Der Häuptling schritt, ohne ein direktes Zeichen der Ueberhebung, durch die Menschenwoge hin, als habe er nicht das geringste mit ihr gemein. Er trug eine weite schwarze Sammtjacke und viel gelb in dem gewürfelten Tartan, war also von dänischer Abstammung*), wahrscheinlich ein Macleod. Um den Leib trug er jene eigenthümlich schottische Jagdtasche, die fast die Form einer Geldkatze hat, und die sechs langen Geisbärte, die wie eben so viele Siegeszeichen an dieser Tasche zu hängen pflegen, fielen malerisch über den faltenreichen Kilt. Das kurze schottische Schwert hatte er daheim gelassen, aber das Fangmesser, mit einem großen Amethyst oben am Griff, steckte nach Landessitte im rechten Strumpf und bewies,

*) Unter den Tartans (den buntgewürfelten schottischen Zeugen) unterscheidet man drei Hauptgruppen: die mit viel roth, mit viel grün und mit viel gelb. Roth ist die Farbe der schottisch-britischen Clane, grün die Farbe derer, die aus Irland stammen, und gelb tragen diejenigen, die sich von den Dänen und Skandinaviern herleiten.
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[306/0320] wie man ein Phantasiecostüm trägt. Aus jenem graugelben Sommerzeug, das jeder kennt, der einem halben Dutzend reisender Engländer irgendwo in der Welt begegnet ist, hatte er sich einen Kilt und eine Jacke machen lassen und nichts an ihm war ächt schottisch als die dunkelblaue Wollenmütze und der kurze, graukarrirte Strumpf. An jeder andern Stelle der Welt wäre er ein schöner Mann gewesen, neben seinem Freunde, dem Häuptling, aber nahm er sich aus wie dessen Milchbruder; ebenso groß, ebenso breit, ebenso frisch, aber racelos. Der Häuptling schritt, ohne ein direktes Zeichen der Ueberhebung, durch die Menschenwoge hin, als habe er nicht das geringste mit ihr gemein. Er trug eine weite schwarze Sammtjacke und viel gelb in dem gewürfelten Tartan, war also von dänischer Abstammung *), wahrscheinlich ein Macleod. Um den Leib trug er jene eigenthümlich schottische Jagdtasche, die fast die Form einer Geldkatze hat, und die sechs langen Geisbärte, die wie eben so viele Siegeszeichen an dieser Tasche zu hängen pflegen, fielen malerisch über den faltenreichen Kilt. Das kurze schottische Schwert hatte er daheim gelassen, aber das Fangmesser, mit einem großen Amethyst oben am Griff, steckte nach Landessitte im rechten Strumpf und bewies, *) Unter den Tartans (den buntgewürfelten schottischen Zeugen) unterscheidet man drei Hauptgruppen: die mit viel roth, mit viel grün und mit viel gelb. Roth ist die Farbe der schottisch-britischen Clane, grün die Farbe derer, die aus Irland stammen, und gelb tragen diejenigen, die sich von den Dänen und Skandinaviern herleiten.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • i/j in Fraktur: keine Angabe;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht übernommen;
  • Kustoden: keine Angabe;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • u/v bzw. U/V: keine Angabe;
  • Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/320>, abgerufen am 25.11.2024.