Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.stücke liefen rasch aus meiner Hand in die Hand der Wirthin. Unerhört! es reicht nicht, es fehlt ein Sixpence! Die Silberstücke fallen in meine Börse zurück und ein Sovereign steigt statt ihrer aus den Tiefen der Ledertasche an's Licht. "Give me change!" rufe ich der Alten zu, die mit der Ruhe des Siegers vor mir steht. Sie nimmt den Sovereign, steckt ihn ein und erwiedert nicht ohne Anflug von Hohn: "I have no change, but I will send to the butcher." Ein letzter Abschiedsgruß fällt unverschleiert von meinen Lippen; dann setzen wir uns, mit Zurücklassung eines unbeabsichtigten Fünf-Schilling-Trinkgelds, in Trab und erreichen das Schiff, das allerdings eben Miene macht, seine Brücke einzuziehen und vom Quai sich loszulösen. Halb ärgerlich noch nehmen wir Platz am Schornstein, um uns so viel wie möglich gegen die Morgenfrische zu schützen; dann aber fliegt a tempo das Lächeln wiederkehrender guter Laune über unsere Gesichter. Wir beginnen unser Herz und unsern Aerger auszuschütten, und im Aussprechen kommt der Trost. Es war kein Zweifel, die Hintersassin der Mrs. Mackay hatte mit uns eine Scene durchgespielt, deren praktische Brauchbarkeit sie längst erprobt haben mußte. Wie an der kurischen Küste ein Edelmann lebte, der falsche Feuer anzünden ließ, um an gescheiterten Schiffen sein Strandrecht zu üben, so war es bei der alten Waschfrau Geschäftsmaxime geworden, ihre Gäste so spät wie möglich zu wecken, um von der panischen Wirkung des: "make haste, gentlemen, or you will stücke liefen rasch aus meiner Hand in die Hand der Wirthin. Unerhört! es reicht nicht, es fehlt ein Sixpence! Die Silberstücke fallen in meine Börse zurück und ein Sovereign steigt statt ihrer aus den Tiefen der Ledertasche an’s Licht. „Give me change!“ rufe ich der Alten zu, die mit der Ruhe des Siegers vor mir steht. Sie nimmt den Sovereign, steckt ihn ein und erwiedert nicht ohne Anflug von Hohn: „I have no change, but I will send to the butcher.“ Ein letzter Abschiedsgruß fällt unverschleiert von meinen Lippen; dann setzen wir uns, mit Zurücklassung eines unbeabsichtigten Fünf-Schilling-Trinkgelds, in Trab und erreichen das Schiff, das allerdings eben Miene macht, seine Brücke einzuziehen und vom Quai sich loszulösen. Halb ärgerlich noch nehmen wir Platz am Schornstein, um uns so viel wie möglich gegen die Morgenfrische zu schützen; dann aber fliegt a tempo das Lächeln wiederkehrender guter Laune über unsere Gesichter. Wir beginnen unser Herz und unsern Aerger auszuschütten, und im Aussprechen kommt der Trost. Es war kein Zweifel, die Hintersassin der Mrs. Mackay hatte mit uns eine Scene durchgespielt, deren praktische Brauchbarkeit sie längst erprobt haben mußte. Wie an der kurischen Küste ein Edelmann lebte, der falsche Feuer anzünden ließ, um an gescheiterten Schiffen sein Strandrecht zu üben, so war es bei der alten Waschfrau Geschäftsmaxime geworden, ihre Gäste so spät wie möglich zu wecken, um von der panischen Wirkung des: „make haste, gentlemen, or you will <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0316" n="302"/> stücke liefen rasch aus meiner Hand in die Hand der Wirthin. Unerhört! es reicht nicht, es fehlt ein Sixpence! Die Silberstücke fallen in meine Börse zurück und ein Sovereign steigt statt ihrer aus den Tiefen der Ledertasche an’s Licht. <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">„Give me change!“</foreign></hi> rufe ich der Alten zu, die mit der Ruhe des Siegers vor mir steht. Sie nimmt den Sovereign, steckt ihn ein und erwiedert nicht ohne Anflug von Hohn: <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">„I have no change, but I will send to the butcher.“</foreign></hi> Ein letzter Abschiedsgruß fällt unverschleiert von meinen Lippen; dann setzen wir uns, mit Zurücklassung eines unbeabsichtigten Fünf-Schilling-Trinkgelds, in Trab und erreichen das Schiff, das allerdings eben Miene macht, seine Brücke einzuziehen und vom Quai sich loszulösen. Halb ärgerlich noch nehmen wir Platz am Schornstein, um uns so viel wie möglich gegen die Morgenfrische zu schützen; dann aber fliegt <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="ita">a tempo</foreign></hi> das Lächeln wiederkehrender guter Laune über unsere Gesichter. Wir beginnen unser Herz und unsern Aerger auszuschütten, und im Aussprechen kommt der Trost. Es war kein Zweifel, die Hintersassin der Mrs. Mackay hatte mit uns eine Scene durchgespielt, deren praktische Brauchbarkeit sie längst erprobt haben mußte. Wie an der kurischen Küste ein Edelmann lebte, der falsche Feuer anzünden ließ, um an gescheiterten Schiffen sein Strandrecht zu üben, so war es bei der alten Waschfrau Geschäftsmaxime geworden, ihre Gäste so spät wie möglich zu wecken, um von der panischen Wirkung des: <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">„make haste, gentlemen, or you will<lb/></foreign></hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [302/0316]
stücke liefen rasch aus meiner Hand in die Hand der Wirthin. Unerhört! es reicht nicht, es fehlt ein Sixpence! Die Silberstücke fallen in meine Börse zurück und ein Sovereign steigt statt ihrer aus den Tiefen der Ledertasche an’s Licht. „Give me change!“ rufe ich der Alten zu, die mit der Ruhe des Siegers vor mir steht. Sie nimmt den Sovereign, steckt ihn ein und erwiedert nicht ohne Anflug von Hohn: „I have no change, but I will send to the butcher.“ Ein letzter Abschiedsgruß fällt unverschleiert von meinen Lippen; dann setzen wir uns, mit Zurücklassung eines unbeabsichtigten Fünf-Schilling-Trinkgelds, in Trab und erreichen das Schiff, das allerdings eben Miene macht, seine Brücke einzuziehen und vom Quai sich loszulösen. Halb ärgerlich noch nehmen wir Platz am Schornstein, um uns so viel wie möglich gegen die Morgenfrische zu schützen; dann aber fliegt a tempo das Lächeln wiederkehrender guter Laune über unsere Gesichter. Wir beginnen unser Herz und unsern Aerger auszuschütten, und im Aussprechen kommt der Trost. Es war kein Zweifel, die Hintersassin der Mrs. Mackay hatte mit uns eine Scene durchgespielt, deren praktische Brauchbarkeit sie längst erprobt haben mußte. Wie an der kurischen Küste ein Edelmann lebte, der falsche Feuer anzünden ließ, um an gescheiterten Schiffen sein Strandrecht zu üben, so war es bei der alten Waschfrau Geschäftsmaxime geworden, ihre Gäste so spät wie möglich zu wecken, um von der panischen Wirkung des: „make haste, gentlemen, or you will
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/316>, abgerufen am 16.02.2025. |