Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

glücklichen Entschluß gefaßt habe, seine Heimath wieder zu sehen. Er sei nämlich mitten im Hochland zu Haus, in Glen Moriston, einem jener Thäler, die von Norden her auf den Loch Neß ausmünden. Er habe so viel von Heimweh und Vaterlandsliebe hören müssen, immer im Tone des Vorwurfs, daß er es schließlich für Gewissenssache gehalten habe, dem Drängen seiner Freunde nachzugeben. Diese Nachgiebigkeit beklage er jetzt bitter. Er sei nun fünf Tage von Frau und Kindern fort und sehne sich weit mehr nach Newcastle zurück, als er sich all sein Lebtag nach Glen Moriston gesehnt habe. Diese kahlen Basaltküsten seien ihm über die Maßen langweilig; was er liebe, sei ein Kornfeld mit langen Aehren; von Malcolm Canmore und Robert Bruce wisse er nichts und wolle er auch nichts mehr lernen. Er werde morgen früh aufbrechen, aber nicht nach dem Loch Neß hin, sondern nach "dear old Newcastle" zurück, wo jedes Kind ihn kenne und wo er nicht fürchten müsse, alle Tage sechs mal geprellt zu werden.

Man sieht, der Philister gedeiht überall. Das war also ein geborener Hochschotte, einer aus jenen Clans, die wir uns gewöhnt haben, mit jeder Mannestugend auszuschmücken, mindestens aber im Glorienschein unausrottbarer Vaterlandsliebe zu sehen. Freilich seine Jugend schien keine bevorzugte gewesen zu sein; "er habe von Haferbrod und Whisky gelebt", so versicherte er mehr denn einmal. Als wir das Zuträgliche dieser Diät bezweifelten, nahm das Gespräch plötzlich eine andere Wen-

glücklichen Entschluß gefaßt habe, seine Heimath wieder zu sehen. Er sei nämlich mitten im Hochland zu Haus, in Glen Moriston, einem jener Thäler, die von Norden her auf den Loch Neß ausmünden. Er habe so viel von Heimweh und Vaterlandsliebe hören müssen, immer im Tone des Vorwurfs, daß er es schließlich für Gewissenssache gehalten habe, dem Drängen seiner Freunde nachzugeben. Diese Nachgiebigkeit beklage er jetzt bitter. Er sei nun fünf Tage von Frau und Kindern fort und sehne sich weit mehr nach Newcastle zurück, als er sich all sein Lebtag nach Glen Moriston gesehnt habe. Diese kahlen Basaltküsten seien ihm über die Maßen langweilig; was er liebe, sei ein Kornfeld mit langen Aehren; von Malcolm Canmore und Robert Bruce wisse er nichts und wolle er auch nichts mehr lernen. Er werde morgen früh aufbrechen, aber nicht nach dem Loch Neß hin, sondern nach „dear old Newcastle“ zurück, wo jedes Kind ihn kenne und wo er nicht fürchten müsse, alle Tage sechs mal geprellt zu werden.

Man sieht, der Philister gedeiht überall. Das war also ein geborener Hochschotte, einer aus jenen Clans, die wir uns gewöhnt haben, mit jeder Mannestugend auszuschmücken, mindestens aber im Glorienschein unausrottbarer Vaterlandsliebe zu sehen. Freilich seine Jugend schien keine bevorzugte gewesen zu sein; „er habe von Haferbrod und Whisky gelebt“, so versicherte er mehr denn einmal. Als wir das Zuträgliche dieser Diät bezweifelten, nahm das Gespräch plötzlich eine andere Wen-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <p><pb facs="#f0286" n="272"/>
glücklichen Entschluß gefaßt habe, seine Heimath wieder zu              sehen. Er sei nämlich mitten im Hochland zu Haus, in Glen Moriston, einem jener Thäler,              die von Norden her auf den Loch Neß ausmünden. Er habe so viel von Heimweh und              Vaterlandsliebe hören müssen, immer im Tone des Vorwurfs, daß er es schließlich für              Gewissenssache gehalten habe, dem Drängen seiner Freunde nachzugeben. Diese              Nachgiebigkeit beklage er jetzt bitter. Er sei nun fünf Tage von Frau und Kindern fort              und sehne sich weit mehr nach Newcastle zurück, als er sich all sein Lebtag nach Glen              Moriston gesehnt habe. Diese kahlen Basaltküsten seien ihm über die Maßen langweilig;              was er liebe, sei ein Kornfeld mit langen Aehren; von Malcolm Canmore und Robert Bruce              wisse er nichts und wolle er auch nichts mehr lernen. Er werde morgen früh aufbrechen,              aber nicht nach dem Loch Neß hin, sondern nach &#x201E;dear old Newcastle&#x201C; zurück, wo jedes              Kind ihn kenne und wo er nicht fürchten müsse, alle Tage sechs mal geprellt zu              werden.          </p><lb/>
          <p>Man sieht, der Philister gedeiht überall. Das war            also ein geborener Hochschotte, einer aus jenen Clans, die wir uns gewöhnt haben, mit            jeder Mannestugend auszuschmücken, mindestens aber im Glorienschein unausrottbarer            Vaterlandsliebe zu sehen. Freilich seine Jugend schien keine bevorzugte gewesen zu sein;            &#x201E;er habe von Haferbrod und Whisky gelebt&#x201C;, so versicherte er mehr denn einmal. Als wir das            Zuträgliche dieser Diät bezweifelten, nahm das Gespräch plötzlich eine andere Wen-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[272/0286] glücklichen Entschluß gefaßt habe, seine Heimath wieder zu sehen. Er sei nämlich mitten im Hochland zu Haus, in Glen Moriston, einem jener Thäler, die von Norden her auf den Loch Neß ausmünden. Er habe so viel von Heimweh und Vaterlandsliebe hören müssen, immer im Tone des Vorwurfs, daß er es schließlich für Gewissenssache gehalten habe, dem Drängen seiner Freunde nachzugeben. Diese Nachgiebigkeit beklage er jetzt bitter. Er sei nun fünf Tage von Frau und Kindern fort und sehne sich weit mehr nach Newcastle zurück, als er sich all sein Lebtag nach Glen Moriston gesehnt habe. Diese kahlen Basaltküsten seien ihm über die Maßen langweilig; was er liebe, sei ein Kornfeld mit langen Aehren; von Malcolm Canmore und Robert Bruce wisse er nichts und wolle er auch nichts mehr lernen. Er werde morgen früh aufbrechen, aber nicht nach dem Loch Neß hin, sondern nach „dear old Newcastle“ zurück, wo jedes Kind ihn kenne und wo er nicht fürchten müsse, alle Tage sechs mal geprellt zu werden. Man sieht, der Philister gedeiht überall. Das war also ein geborener Hochschotte, einer aus jenen Clans, die wir uns gewöhnt haben, mit jeder Mannestugend auszuschmücken, mindestens aber im Glorienschein unausrottbarer Vaterlandsliebe zu sehen. Freilich seine Jugend schien keine bevorzugte gewesen zu sein; „er habe von Haferbrod und Whisky gelebt“, so versicherte er mehr denn einmal. Als wir das Zuträgliche dieser Diät bezweifelten, nahm das Gespräch plötzlich eine andere Wen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • i/j in Fraktur: keine Angabe;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht übernommen;
  • Kustoden: keine Angabe;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • u/v bzw. U/V: keine Angabe;
  • Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/286
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/286>, abgerufen am 25.11.2024.