Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.steigen bewaldete Felspartien in die Luft, hier und dort mit Villen geschmückt oder von Schlössern überragt. Was aber dieser Bucht eine besondere Schönheit gibt, das ist nicht der Reiz und die Weitgespanntheit ihrer Ufer, sondern umgekehrt, der Blick von diesen Ufern aus auf's Meer. Zu der ewigen Schönheit des Oceans gesellt sich hier ein so besonderer Reichthum von flachen Inseln und hohen Vorgebirgen, daß man zweifelhaft wird, wem denn eigentlich das Terrain gehört, dem Land oder dem Meer, und in den Bühnenraum eines Riesentheaters zu blicken glaubt, dessen ohnehin weit gedehnte Perspektive durch allerhand Seitencoulissen bis in's Unendliche zu wachsen scheint. Wir genossen noch in stiller Andacht des herrlichen Schauspiels, als das oft gehörte: "if you please, gentlemen, tea is ready", unsern Blick von der mondbeschienenen Bucht zurück in unser Zimmer lenkte, dessen Tisch inzwischen zu einer leidlich wohlbesetzten Tafel geworden war. Andere Gäste gesellten sich alsbald hinzu, gälisch sprechende Handwerker aus Oban selbst und verschiedene Fremde aus England und Südschottland, die gleich uns in diese Tabagie verschlagen waren. Unter den letzteren interessirte uns zumeist ein wohlbeleibter Handelsmann aus Newcastle, der durch die offenherzigsten Bekenntnisse bald der Mittelpunkt aller Unterhaltung wurde. Er sei ein wohlhabender Mann (a man of some means), so begann er, der in dreißig langen Jahren etwas vor sich gebracht und diesen Sommer den un- steigen bewaldete Felspartien in die Luft, hier und dort mit Villen geschmückt oder von Schlössern überragt. Was aber dieser Bucht eine besondere Schönheit gibt, das ist nicht der Reiz und die Weitgespanntheit ihrer Ufer, sondern umgekehrt, der Blick von diesen Ufern aus auf’s Meer. Zu der ewigen Schönheit des Oceans gesellt sich hier ein so besonderer Reichthum von flachen Inseln und hohen Vorgebirgen, daß man zweifelhaft wird, wem denn eigentlich das Terrain gehört, dem Land oder dem Meer, und in den Bühnenraum eines Riesentheaters zu blicken glaubt, dessen ohnehin weit gedehnte Perspektive durch allerhand Seitencoulissen bis in’s Unendliche zu wachsen scheint. Wir genossen noch in stiller Andacht des herrlichen Schauspiels, als das oft gehörte: „if you please, gentlemen, tea is ready“, unsern Blick von der mondbeschienenen Bucht zurück in unser Zimmer lenkte, dessen Tisch inzwischen zu einer leidlich wohlbesetzten Tafel geworden war. Andere Gäste gesellten sich alsbald hinzu, gälisch sprechende Handwerker aus Oban selbst und verschiedene Fremde aus England und Südschottland, die gleich uns in diese Tabagie verschlagen waren. Unter den letzteren interessirte uns zumeist ein wohlbeleibter Handelsmann aus Newcastle, der durch die offenherzigsten Bekenntnisse bald der Mittelpunkt aller Unterhaltung wurde. Er sei ein wohlhabender Mann (a man of some means), so begann er, der in dreißig langen Jahren etwas vor sich gebracht und diesen Sommer den un- <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0285" n="271"/> steigen bewaldete Felspartien in die Luft, hier und dort mit Villen geschmückt oder von Schlössern überragt. Was aber dieser Bucht eine besondere Schönheit gibt, das ist nicht der Reiz und die Weitgespanntheit ihrer Ufer, sondern umgekehrt, der Blick von diesen Ufern aus auf’s Meer. Zu der ewigen Schönheit des Oceans gesellt sich hier ein so besonderer Reichthum von flachen Inseln und hohen Vorgebirgen, daß man zweifelhaft wird, wem denn eigentlich das Terrain gehört, dem Land oder dem Meer, und in den Bühnenraum eines Riesentheaters zu blicken glaubt, dessen ohnehin weit gedehnte Perspektive durch allerhand Seitencoulissen bis in’s Unendliche zu wachsen scheint.</p><lb/> <p>Wir genossen noch in stiller Andacht des herrlichen Schauspiels, als das oft gehörte: <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">„if you please, gentlemen, tea is ready“,</foreign></hi> unsern Blick von der mondbeschienenen Bucht zurück in unser Zimmer lenkte, dessen Tisch inzwischen zu einer leidlich wohlbesetzten Tafel geworden war. Andere Gäste gesellten sich alsbald hinzu, gälisch sprechende Handwerker aus Oban selbst und verschiedene Fremde aus England und Südschottland, die gleich uns in diese Tabagie verschlagen waren. Unter den letzteren interessirte uns zumeist ein wohlbeleibter Handelsmann aus Newcastle, der durch die offenherzigsten Bekenntnisse bald der Mittelpunkt aller Unterhaltung wurde. Er sei ein wohlhabender Mann (<hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">a man of some means</foreign></hi>), so begann er, der in dreißig langen Jahren etwas vor sich gebracht und diesen Sommer den un-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [271/0285]
steigen bewaldete Felspartien in die Luft, hier und dort mit Villen geschmückt oder von Schlössern überragt. Was aber dieser Bucht eine besondere Schönheit gibt, das ist nicht der Reiz und die Weitgespanntheit ihrer Ufer, sondern umgekehrt, der Blick von diesen Ufern aus auf’s Meer. Zu der ewigen Schönheit des Oceans gesellt sich hier ein so besonderer Reichthum von flachen Inseln und hohen Vorgebirgen, daß man zweifelhaft wird, wem denn eigentlich das Terrain gehört, dem Land oder dem Meer, und in den Bühnenraum eines Riesentheaters zu blicken glaubt, dessen ohnehin weit gedehnte Perspektive durch allerhand Seitencoulissen bis in’s Unendliche zu wachsen scheint.
Wir genossen noch in stiller Andacht des herrlichen Schauspiels, als das oft gehörte: „if you please, gentlemen, tea is ready“, unsern Blick von der mondbeschienenen Bucht zurück in unser Zimmer lenkte, dessen Tisch inzwischen zu einer leidlich wohlbesetzten Tafel geworden war. Andere Gäste gesellten sich alsbald hinzu, gälisch sprechende Handwerker aus Oban selbst und verschiedene Fremde aus England und Südschottland, die gleich uns in diese Tabagie verschlagen waren. Unter den letzteren interessirte uns zumeist ein wohlbeleibter Handelsmann aus Newcastle, der durch die offenherzigsten Bekenntnisse bald der Mittelpunkt aller Unterhaltung wurde. Er sei ein wohlhabender Mann (a man of some means), so begann er, der in dreißig langen Jahren etwas vor sich gebracht und diesen Sommer den un-
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/285>, abgerufen am 16.02.2025. |