Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.Schweißtröpfchen hingen. Wir fragten nach einem Zimmer, erhielten eine halb bejahende Antwort und wurden endlich, nachdem wir verschiedene Höfe passirt hatten, in einem Hinterhause bei einer zimmervermiethenden alten Waschfrau untergebracht. Unter uns war ein Pferdestall, der sich bald unangenehm bemerklich machte, während die Aussicht, das Panorama, auf das wir gerechnet hatten, sich auf die Brandmauer eines Nachbarhauses beschränkte. Das ist nun einmal so Herkommen in überfüllten Badeörtern, und wir waren nicht Neulinge genug, uns das Alltägliche verdrießen zu lassen. Hatten wir doch auch den "Salon" der Mrs. Mackay zu unserer Verfügung, wo wir bereits zum Thee und Abendimbiß erwartet wurden. Wir machten also unsern Weg zurück, drangen von hinten her in's Haus ein, belauschten wider Willen die Küchengeheimnisse (ein anderer Durchgang war nicht zu finden) und nahmen oben im Gastzimmer Platz, wo bereits das Tischtuch ausgebreitet lag, ein Tischtuch ganz wie Mrs. Mackay selber, groß, breit und dauerhaft und mit schwarzen Schnurrbärten an jedem Zipfel. Wir nahmen keinen Anstoß daran, auch an manchem andern nicht, das über den Tabagiecharakter unseres Hotels keinen weiteren Zweifel ließ; hatten wir doch das offene Fenster und vor dem Fenster die schöne Meeresbucht, die jetzt im vollen Glanze des Mondes uns wie zu Füßen lag. Oban selbst zieht sich im Halbkreis an der Bucht entlang; unmittelbar im Rücken seiner weißen Häuser Schweißtröpfchen hingen. Wir fragten nach einem Zimmer, erhielten eine halb bejahende Antwort und wurden endlich, nachdem wir verschiedene Höfe passirt hatten, in einem Hinterhause bei einer zimmervermiethenden alten Waschfrau untergebracht. Unter uns war ein Pferdestall, der sich bald unangenehm bemerklich machte, während die Aussicht, das Panorama, auf das wir gerechnet hatten, sich auf die Brandmauer eines Nachbarhauses beschränkte. Das ist nun einmal so Herkommen in überfüllten Badeörtern, und wir waren nicht Neulinge genug, uns das Alltägliche verdrießen zu lassen. Hatten wir doch auch den „Salon“ der Mrs. Mackay zu unserer Verfügung, wo wir bereits zum Thee und Abendimbiß erwartet wurden. Wir machten also unsern Weg zurück, drangen von hinten her in’s Haus ein, belauschten wider Willen die Küchengeheimnisse (ein anderer Durchgang war nicht zu finden) und nahmen oben im Gastzimmer Platz, wo bereits das Tischtuch ausgebreitet lag, ein Tischtuch ganz wie Mrs. Mackay selber, groß, breit und dauerhaft und mit schwarzen Schnurrbärten an jedem Zipfel. Wir nahmen keinen Anstoß daran, auch an manchem andern nicht, das über den Tabagiecharakter unseres Hotels keinen weiteren Zweifel ließ; hatten wir doch das offene Fenster und vor dem Fenster die schöne Meeresbucht, die jetzt im vollen Glanze des Mondes uns wie zu Füßen lag. Oban selbst zieht sich im Halbkreis an der Bucht entlang; unmittelbar im Rücken seiner weißen Häuser <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0284" n="270"/> Schweißtröpfchen hingen. Wir fragten nach einem Zimmer, erhielten eine halb bejahende Antwort und wurden endlich, nachdem wir verschiedene Höfe passirt hatten, in einem Hinterhause bei einer zimmervermiethenden alten Waschfrau untergebracht. Unter uns war ein Pferdestall, der sich bald unangenehm bemerklich machte, während die Aussicht, das Panorama, auf das wir gerechnet hatten, sich auf die Brandmauer eines Nachbarhauses beschränkte. Das ist nun einmal so Herkommen in überfüllten Badeörtern, und wir waren nicht Neulinge genug, uns das Alltägliche verdrießen zu lassen. Hatten wir doch auch den „Salon“ der Mrs. Mackay zu unserer Verfügung, wo wir bereits zum Thee und Abendimbiß erwartet wurden. Wir machten also unsern Weg zurück, drangen von hinten her in’s Haus ein, belauschten wider Willen die Küchengeheimnisse (ein anderer Durchgang war nicht zu finden) und nahmen oben im Gastzimmer Platz, wo bereits das Tischtuch ausgebreitet lag, ein Tischtuch ganz wie Mrs. Mackay selber, groß, breit und dauerhaft und mit schwarzen Schnurrbärten an jedem Zipfel. Wir nahmen keinen Anstoß daran, auch an manchem andern nicht, das über den Tabagiecharakter unseres Hotels keinen weiteren Zweifel ließ; hatten wir doch das offene Fenster und vor dem Fenster die schöne Meeresbucht, die jetzt im vollen Glanze des Mondes uns wie zu Füßen lag.</p><lb/> <p>Oban selbst zieht sich im Halbkreis an der Bucht entlang; unmittelbar im Rücken seiner weißen Häuser<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [270/0284]
Schweißtröpfchen hingen. Wir fragten nach einem Zimmer, erhielten eine halb bejahende Antwort und wurden endlich, nachdem wir verschiedene Höfe passirt hatten, in einem Hinterhause bei einer zimmervermiethenden alten Waschfrau untergebracht. Unter uns war ein Pferdestall, der sich bald unangenehm bemerklich machte, während die Aussicht, das Panorama, auf das wir gerechnet hatten, sich auf die Brandmauer eines Nachbarhauses beschränkte. Das ist nun einmal so Herkommen in überfüllten Badeörtern, und wir waren nicht Neulinge genug, uns das Alltägliche verdrießen zu lassen. Hatten wir doch auch den „Salon“ der Mrs. Mackay zu unserer Verfügung, wo wir bereits zum Thee und Abendimbiß erwartet wurden. Wir machten also unsern Weg zurück, drangen von hinten her in’s Haus ein, belauschten wider Willen die Küchengeheimnisse (ein anderer Durchgang war nicht zu finden) und nahmen oben im Gastzimmer Platz, wo bereits das Tischtuch ausgebreitet lag, ein Tischtuch ganz wie Mrs. Mackay selber, groß, breit und dauerhaft und mit schwarzen Schnurrbärten an jedem Zipfel. Wir nahmen keinen Anstoß daran, auch an manchem andern nicht, das über den Tabagiecharakter unseres Hotels keinen weiteren Zweifel ließ; hatten wir doch das offene Fenster und vor dem Fenster die schöne Meeresbucht, die jetzt im vollen Glanze des Mondes uns wie zu Füßen lag.
Oban selbst zieht sich im Halbkreis an der Bucht entlang; unmittelbar im Rücken seiner weißen Häuser
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/284>, abgerufen am 16.02.2025. |