Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

der hintersten Bank des Wagens Platz nahmen. Wir waren ziemlich die Ersten und wiegten uns in der Vorstellung, durch Pünktlichkeit und Zusage eines Trinkgeldes uns einen comfortablen Platz gesichert zu haben. Eitle Träume; was wir auf der Tour von Stirling bis Loch Katrine erlebt hatten, war, wie wir bald merken sollten, ein kaum nennenswerthes Vorspiel gewesen. Die vier Plätze der eigentlichen Chaise, die einen etwas höheren Preis zahlten, waren leer, aber die sechszehn Außenplätze, die sich vorn und hinten an den Wagen anklebten, waren besetzt bis auf den letzten Zoll. Auch dieser Ausdruck ist nichts mehr und nichts weniger als eine Beschönigung unserer eigentlichen Lage, da die Fahrgäste, die an den Flügeln der vier Bänke saßen, nur mit der einen Hälfte ihres Körpers auf sicherem Grund und Boden ruhten, während die andere Hälfte mit Hutschachteln und Reisesäcken um die Wette neben dem Wagen hin und her schaukelte. Wie ich meinen Lesern nicht erst versichern darf, wäre dies Minimum von Reisecomfort auf einer Strecke von 25 deutschen Meilen unerträglich gewesen, wenn nicht von Station zu Station die Flügelmänner jeder Bank die Plätze getauscht und, zwischen links und rechts beständig wechselnd, die ausgeruhten Hälften wie eine immer frische Reserve in's Feuer geschickt hätten.

Ich hatte den rechten Flügel der letzten Bank inne und wiewohl ich mich der Strapazen jenes Reisetages wie einer durchgemachten Campagne entsinne, so muß ich doch der Wahrheit gemäß einräumen, daß mein und

der hintersten Bank des Wagens Platz nahmen. Wir waren ziemlich die Ersten und wiegten uns in der Vorstellung, durch Pünktlichkeit und Zusage eines Trinkgeldes uns einen comfortablen Platz gesichert zu haben. Eitle Träume; was wir auf der Tour von Stirling bis Loch Katrine erlebt hatten, war, wie wir bald merken sollten, ein kaum nennenswerthes Vorspiel gewesen. Die vier Plätze der eigentlichen Chaise, die einen etwas höheren Preis zahlten, waren leer, aber die sechszehn Außenplätze, die sich vorn und hinten an den Wagen anklebten, waren besetzt bis auf den letzten Zoll. Auch dieser Ausdruck ist nichts mehr und nichts weniger als eine Beschönigung unserer eigentlichen Lage, da die Fahrgäste, die an den Flügeln der vier Bänke saßen, nur mit der einen Hälfte ihres Körpers auf sicherem Grund und Boden ruhten, während die andere Hälfte mit Hutschachteln und Reisesäcken um die Wette neben dem Wagen hin und her schaukelte. Wie ich meinen Lesern nicht erst versichern darf, wäre dies Minimum von Reisecomfort auf einer Strecke von 25 deutschen Meilen unerträglich gewesen, wenn nicht von Station zu Station die Flügelmänner jeder Bank die Plätze getauscht und, zwischen links und rechts beständig wechselnd, die ausgeruhten Hälften wie eine immer frische Reserve in’s Feuer geschickt hätten.

Ich hatte den rechten Flügel der letzten Bank inne und wiewohl ich mich der Strapazen jenes Reisetages wie einer durchgemachten Campagne entsinne, so muß ich doch der Wahrheit gemäß einräumen, daß mein und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <p><pb facs="#f0223" n="209"/>
der hintersten Bank des Wagens Platz nahmen. Wir waren              ziemlich die Ersten und wiegten uns in der Vorstellung, durch Pünktlichkeit und Zusage              eines Trinkgeldes uns einen comfortablen Platz gesichert zu haben. Eitle Träume; was wir              auf der Tour von Stirling bis Loch Katrine erlebt hatten, war, wie wir bald merken              sollten, ein kaum nennenswerthes Vorspiel gewesen. Die vier Plätze der eigentlichen              Chaise, die einen etwas höheren Preis zahlten, waren leer, aber die sechszehn              Außenplätze, die sich vorn und hinten an den Wagen anklebten, waren besetzt bis auf den              letzten Zoll. Auch dieser Ausdruck ist nichts mehr und nichts weniger als eine              Beschönigung unserer eigentlichen Lage, da die Fahrgäste, die an den Flügeln der vier              Bänke saßen, nur mit der einen Hälfte ihres Körpers auf sicherem Grund und Boden ruhten,              während die andere Hälfte mit Hutschachteln und Reisesäcken um die Wette neben dem Wagen              hin und her schaukelte. Wie ich meinen Lesern nicht erst versichern darf, wäre dies              Minimum von Reisecomfort auf einer Strecke von 25 deutschen Meilen unerträglich gewesen,              wenn nicht von Station zu Station die Flügelmänner jeder Bank die Plätze getauscht und,              zwischen links und rechts beständig wechselnd, die ausgeruhten Hälften wie eine immer              frische Reserve in&#x2019;s Feuer geschickt hätten.          </p><lb/>
          <p>Ich hatte den rechten Flügel der letzten Bank inne und wiewohl ich mich der Strapazen jenes Reisetages wie einer durchgemachten Campagne entsinne, so muß ich doch der Wahrheit gemäß einräumen, daß mein und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0223] der hintersten Bank des Wagens Platz nahmen. Wir waren ziemlich die Ersten und wiegten uns in der Vorstellung, durch Pünktlichkeit und Zusage eines Trinkgeldes uns einen comfortablen Platz gesichert zu haben. Eitle Träume; was wir auf der Tour von Stirling bis Loch Katrine erlebt hatten, war, wie wir bald merken sollten, ein kaum nennenswerthes Vorspiel gewesen. Die vier Plätze der eigentlichen Chaise, die einen etwas höheren Preis zahlten, waren leer, aber die sechszehn Außenplätze, die sich vorn und hinten an den Wagen anklebten, waren besetzt bis auf den letzten Zoll. Auch dieser Ausdruck ist nichts mehr und nichts weniger als eine Beschönigung unserer eigentlichen Lage, da die Fahrgäste, die an den Flügeln der vier Bänke saßen, nur mit der einen Hälfte ihres Körpers auf sicherem Grund und Boden ruhten, während die andere Hälfte mit Hutschachteln und Reisesäcken um die Wette neben dem Wagen hin und her schaukelte. Wie ich meinen Lesern nicht erst versichern darf, wäre dies Minimum von Reisecomfort auf einer Strecke von 25 deutschen Meilen unerträglich gewesen, wenn nicht von Station zu Station die Flügelmänner jeder Bank die Plätze getauscht und, zwischen links und rechts beständig wechselnd, die ausgeruhten Hälften wie eine immer frische Reserve in’s Feuer geschickt hätten. Ich hatte den rechten Flügel der letzten Bank inne und wiewohl ich mich der Strapazen jenes Reisetages wie einer durchgemachten Campagne entsinne, so muß ich doch der Wahrheit gemäß einräumen, daß mein und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • i/j in Fraktur: keine Angabe;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht übernommen;
  • Kustoden: keine Angabe;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • u/v bzw. U/V: keine Angabe;
  • Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/223
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/223>, abgerufen am 25.11.2024.