Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.Wünsche unsrer Jugend in Erfüllung. Statt des Doms ein Bahnhof und statt des Platzes, drauf Percy starb, eine Restauration mit doppelten Preisen." Als wir Newcastle erreichten, dämmerte bereits der Morgen; zu unserer Linken lag die Stadt, schwarz und finster, wie aufgebaut aus Kohlenblöcken. Eine Stunde später waren wir an der schottischen Grenze. "Berwick, Berwick!" riefen die Schaffner und gönnten uns Zeit, einen Umblick zu halten. Der ganze Platz macht immer noch den Eindruck einer Grenzlokalität, auch jetzt noch, wo der alte, halb zerfallene Wartthurm nichts mehr bedeutet, als eine Mahnung an Zeiten die nicht mehr sind. Der Tweed geht hier ins Meer und sein Bett, das mehr einer weiten Felskluft, als einer Flachlandsrinne gleicht, unterstützt die Vorstellung, daß wir hier an einem Grenzfluß stehen. Die Morgensonne lacht freundlich, während wir die schottische Landschaft durchfliegen. Die Felder, die Art der Bestellung, das Seltenerwerden der Hecken, alles weicht ab von dem in England Ueblichen und ruft uns (wie vieles andere noch, auf das wir stoßen werden) die Bilder deutscher Heimath mehr und mehr ins Gedächtniß zurück. Bei Dunbar gesellt sich noch ein anderer Gruß aus der Heimath hinzu, wir haben uns der Küste bis auf wenige tausend Schritt genähert und das deutsche Meer liegt leise schäumend zu unserer Rechten. Hier wendet sich die Bahn, die bis dahin ununterbrochen nordwärts lief, plötzlich nach Westen, und ungefähr die Wünsche unsrer Jugend in Erfüllung. Statt des Doms ein Bahnhof und statt des Platzes, drauf Percy starb, eine Restauration mit doppelten Preisen.“ Als wir Newcastle erreichten, dämmerte bereits der Morgen; zu unserer Linken lag die Stadt, schwarz und finster, wie aufgebaut aus Kohlenblöcken. Eine Stunde später waren wir an der schottischen Grenze. „Berwick, Berwick!“ riefen die Schaffner und gönnten uns Zeit, einen Umblick zu halten. Der ganze Platz macht immer noch den Eindruck einer Grenzlokalität, auch jetzt noch, wo der alte, halb zerfallene Wartthurm nichts mehr bedeutet, als eine Mahnung an Zeiten die nicht mehr sind. Der Tweed geht hier ins Meer und sein Bett, das mehr einer weiten Felskluft, als einer Flachlandsrinne gleicht, unterstützt die Vorstellung, daß wir hier an einem Grenzfluß stehen. Die Morgensonne lacht freundlich, während wir die schottische Landschaft durchfliegen. Die Felder, die Art der Bestellung, das Seltenerwerden der Hecken, alles weicht ab von dem in England Ueblichen und ruft uns (wie vieles andere noch, auf das wir stoßen werden) die Bilder deutscher Heimath mehr und mehr ins Gedächtniß zurück. Bei Dunbar gesellt sich noch ein anderer Gruß aus der Heimath hinzu, wir haben uns der Küste bis auf wenige tausend Schritt genähert und das deutsche Meer liegt leise schäumend zu unserer Rechten. Hier wendet sich die Bahn, die bis dahin ununterbrochen nordwärts lief, plötzlich nach Westen, und ungefähr die <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0022" n="8"/> Wünsche unsrer Jugend in Erfüllung. Statt des Doms ein Bahnhof und statt des Platzes, drauf Percy starb, eine Restauration mit doppelten Preisen.“ </p><lb/> <p>Als wir Newcastle erreichten, dämmerte bereits der Morgen; zu unserer Linken lag die Stadt, schwarz und finster, wie aufgebaut aus Kohlenblöcken. Eine Stunde später waren wir an der schottischen Grenze. „Berwick, Berwick!“ riefen die Schaffner und gönnten uns Zeit, einen Umblick zu halten. Der ganze Platz macht immer noch den Eindruck einer Grenzlokalität, auch jetzt noch, wo der alte, halb zerfallene Wartthurm nichts mehr bedeutet, als eine Mahnung an Zeiten die nicht mehr sind. Der Tweed geht hier ins Meer und sein Bett, das mehr einer weiten Felskluft, als einer Flachlandsrinne gleicht, unterstützt die Vorstellung, daß wir hier an einem <hi rendition="#g">Grenz</hi>fluß stehen.</p><lb/> <p>Die Morgensonne lacht freundlich, während wir die schottische Landschaft durchfliegen. Die Felder, die Art der Bestellung, das Seltenerwerden der Hecken, alles weicht ab von dem in England Ueblichen und ruft uns (wie vieles andere noch, auf das wir stoßen werden) die Bilder deutscher Heimath mehr und mehr ins Gedächtniß zurück. Bei Dunbar gesellt sich noch ein anderer Gruß aus der Heimath hinzu, wir haben uns der Küste bis auf wenige tausend Schritt genähert und das <hi rendition="#g">deutsche</hi> Meer liegt leise schäumend zu unserer Rechten. Hier wendet sich die Bahn, die bis dahin ununterbrochen nordwärts lief, plötzlich nach Westen, und ungefähr die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0022]
Wünsche unsrer Jugend in Erfüllung. Statt des Doms ein Bahnhof und statt des Platzes, drauf Percy starb, eine Restauration mit doppelten Preisen.“
Als wir Newcastle erreichten, dämmerte bereits der Morgen; zu unserer Linken lag die Stadt, schwarz und finster, wie aufgebaut aus Kohlenblöcken. Eine Stunde später waren wir an der schottischen Grenze. „Berwick, Berwick!“ riefen die Schaffner und gönnten uns Zeit, einen Umblick zu halten. Der ganze Platz macht immer noch den Eindruck einer Grenzlokalität, auch jetzt noch, wo der alte, halb zerfallene Wartthurm nichts mehr bedeutet, als eine Mahnung an Zeiten die nicht mehr sind. Der Tweed geht hier ins Meer und sein Bett, das mehr einer weiten Felskluft, als einer Flachlandsrinne gleicht, unterstützt die Vorstellung, daß wir hier an einem Grenzfluß stehen.
Die Morgensonne lacht freundlich, während wir die schottische Landschaft durchfliegen. Die Felder, die Art der Bestellung, das Seltenerwerden der Hecken, alles weicht ab von dem in England Ueblichen und ruft uns (wie vieles andere noch, auf das wir stoßen werden) die Bilder deutscher Heimath mehr und mehr ins Gedächtniß zurück. Bei Dunbar gesellt sich noch ein anderer Gruß aus der Heimath hinzu, wir haben uns der Küste bis auf wenige tausend Schritt genähert und das deutsche Meer liegt leise schäumend zu unserer Rechten. Hier wendet sich die Bahn, die bis dahin ununterbrochen nordwärts lief, plötzlich nach Westen, und ungefähr die
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/22>, abgerufen am 22.07.2024. |