Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.an der die Aussicht der einzige Luxus war. Nach wenigen Minuten schon saßen wir wieder unten auf der Steinbank vorm Hause, lachend, fragend und plaudernd mit Wirth und Wirthin. Da hörte man denn manches bittere Wort. Die beiden Leute waren aus dem Süden, aus Devonshire, das der Garten Englands heißt und das so milde Luft hat, daß noch um Weihnachten herum das Land im Schmuck von Myrthe und Lorbeer steht. Sie fühlten sich nicht heimisch in Schottland. Klima und Menschen waren ihnen zu rauh und der schottische Sonntag zu streng. "So kann es nicht bleiben; die Schotten fühlen es selbst; sie haben sich eine Ruthe aufgebunden, als sie den Forbes Mackenzie nach London schickten. Sonntagsfeier ist gut, aber schottische Sonntagsfeier ist nicht gut und ruinirt das Geschäft." Es interessirte uns höchlichst, diese Engländer über schottisches Leben genau so sprechen und aburtheilen zu hören, wie wohl Deutsche zu sprechen pflegen, wenn sie nach England kommen. "Steifheit, Geschäftigkeit, Scheinheiligkeit", waren die Worte, die mehr denn einmal über die Lippen der guten Leute kamen, und besonders der jungen hübschen Frau sah man die Freude an, die sie empfand, sich einmal "ohne Gefahr" in unverhohlener Bitterkeit äußern zu können. Inzwischen war ein Führer für uns geworben worden, der es trotz der Sonntagsfeier auf sich nahm, uns durch die Straßen der Stadt und hinterher auf den Kinnoul-Berg zu führen, einen Hügel, der sich am andern an der die Aussicht der einzige Luxus war. Nach wenigen Minuten schon saßen wir wieder unten auf der Steinbank vorm Hause, lachend, fragend und plaudernd mit Wirth und Wirthin. Da hörte man denn manches bittere Wort. Die beiden Leute waren aus dem Süden, aus Devonshire, das der Garten Englands heißt und das so milde Luft hat, daß noch um Weihnachten herum das Land im Schmuck von Myrthe und Lorbeer steht. Sie fühlten sich nicht heimisch in Schottland. Klima und Menschen waren ihnen zu rauh und der schottische Sonntag zu streng. „So kann es nicht bleiben; die Schotten fühlen es selbst; sie haben sich eine Ruthe aufgebunden, als sie den Forbes Mackenzie nach London schickten. Sonntagsfeier ist gut, aber schottische Sonntagsfeier ist nicht gut und ruinirt das Geschäft.“ Es interessirte uns höchlichst, diese Engländer über schottisches Leben genau so sprechen und aburtheilen zu hören, wie wohl Deutsche zu sprechen pflegen, wenn sie nach England kommen. „Steifheit, Geschäftigkeit, Scheinheiligkeit“, waren die Worte, die mehr denn einmal über die Lippen der guten Leute kamen, und besonders der jungen hübschen Frau sah man die Freude an, die sie empfand, sich einmal „ohne Gefahr“ in unverhohlener Bitterkeit äußern zu können. Inzwischen war ein Führer für uns geworben worden, der es trotz der Sonntagsfeier auf sich nahm, uns durch die Straßen der Stadt und hinterher auf den Kinnoul-Berg zu führen, einen Hügel, der sich am andern <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0211" n="197"/> an der die Aussicht der einzige Luxus war. Nach wenigen Minuten schon saßen wir wieder unten auf der Steinbank vorm Hause, lachend, fragend und plaudernd mit Wirth und Wirthin. Da hörte man denn manches bittere Wort. Die beiden Leute waren aus dem Süden, aus Devonshire, das der <hi rendition="#g">Garten Englands</hi> heißt und das so milde Luft hat, daß noch um Weihnachten herum das Land im Schmuck von Myrthe und Lorbeer steht. Sie fühlten sich nicht heimisch in Schottland. Klima und Menschen waren ihnen zu rauh und der schottische Sonntag zu streng. „So kann es nicht bleiben; die Schotten fühlen es selbst; sie haben sich eine Ruthe aufgebunden, als sie den Forbes Mackenzie nach London schickten. Sonntagsfeier ist gut, aber <hi rendition="#g">schottische</hi> Sonntagsfeier ist nicht gut und ruinirt das Geschäft.“ Es interessirte uns höchlichst, diese Engländer über schottisches Leben genau so sprechen und aburtheilen zu hören, wie wohl Deutsche zu sprechen pflegen, wenn sie nach England kommen. „Steifheit, Geschäftigkeit, Scheinheiligkeit“, waren die Worte, die mehr denn einmal über die Lippen der guten Leute kamen, und besonders der jungen hübschen Frau sah man die Freude an, die sie empfand, sich einmal „ohne Gefahr“ in unverhohlener Bitterkeit äußern zu können.</p><lb/> <p>Inzwischen war ein Führer für uns geworben worden, der es trotz der Sonntagsfeier auf sich nahm, uns durch die Straßen der Stadt und hinterher auf den Kinnoul-Berg zu führen, einen Hügel, der sich am andern<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [197/0211]
an der die Aussicht der einzige Luxus war. Nach wenigen Minuten schon saßen wir wieder unten auf der Steinbank vorm Hause, lachend, fragend und plaudernd mit Wirth und Wirthin. Da hörte man denn manches bittere Wort. Die beiden Leute waren aus dem Süden, aus Devonshire, das der Garten Englands heißt und das so milde Luft hat, daß noch um Weihnachten herum das Land im Schmuck von Myrthe und Lorbeer steht. Sie fühlten sich nicht heimisch in Schottland. Klima und Menschen waren ihnen zu rauh und der schottische Sonntag zu streng. „So kann es nicht bleiben; die Schotten fühlen es selbst; sie haben sich eine Ruthe aufgebunden, als sie den Forbes Mackenzie nach London schickten. Sonntagsfeier ist gut, aber schottische Sonntagsfeier ist nicht gut und ruinirt das Geschäft.“ Es interessirte uns höchlichst, diese Engländer über schottisches Leben genau so sprechen und aburtheilen zu hören, wie wohl Deutsche zu sprechen pflegen, wenn sie nach England kommen. „Steifheit, Geschäftigkeit, Scheinheiligkeit“, waren die Worte, die mehr denn einmal über die Lippen der guten Leute kamen, und besonders der jungen hübschen Frau sah man die Freude an, die sie empfand, sich einmal „ohne Gefahr“ in unverhohlener Bitterkeit äußern zu können.
Inzwischen war ein Führer für uns geworben worden, der es trotz der Sonntagsfeier auf sich nahm, uns durch die Straßen der Stadt und hinterher auf den Kinnoul-Berg zu führen, einen Hügel, der sich am andern
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/211>, abgerufen am 22.07.2024. |