Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.Es knüpfen sich aber auch historische Erinnerungen an denselben, die ein plastischeres Bild geben als das bloße "in diesem Zimmer wurde Maria Stuart geboren". Königin Margarethe war die Schwester Heinrichs VIII. von England; Jakob IV. von Schottland war ihr Gemahl. Als dieser, übermüthig und verblendet, ein Heer sammelte, um England mit Krieg zu überziehen, beschwor ihn Margarethe von diesem Unheilszuge abzustehen. Umsonst. Der Zug gegen England war beschlossen. Wie er begann und endete, erzähle ich im folgenden Kapitel (Floddenfield.) An dem Tage, wo Jakob aufbrach, erstieg die Königin den Nordwestthurm, der seitdem ihren Namen trägt, und sah von seiner Höhe aus die endlosen Reihen des Heeres gen Süden ziehen. Jene Hügelreihe entlang, die südöstlich den Horizont umschreibt, bewegte sich der Zug, 50,000 Mann, vorauf der König und seine Lords. Der Tag war hell und ihre Rüstungen glänzten in der Sonne. Der Glanz des Aufzuges konnte das Herz Margarethen's nicht bethören; die Königin wußte, daß sie auszogen auf Nimmerwiederkehr. Die Erinnerung an diesen Tag aber haben Sage und Dichtung lebendig erhalten und in die Steinquadern des kleinen achteckigen Thurmgemachs befinden sich die Worte eingegraben: Es knüpfen sich aber auch historische Erinnerungen an denselben, die ein plastischeres Bild geben als das bloße „in diesem Zimmer wurde Maria Stuart geboren“. Königin Margarethe war die Schwester Heinrichs VIII. von England; Jakob IV. von Schottland war ihr Gemahl. Als dieser, übermüthig und verblendet, ein Heer sammelte, um England mit Krieg zu überziehen, beschwor ihn Margarethe von diesem Unheilszuge abzustehen. Umsonst. Der Zug gegen England war beschlossen. Wie er begann und endete, erzähle ich im folgenden Kapitel (Floddenfield.) An dem Tage, wo Jakob aufbrach, erstieg die Königin den Nordwestthurm, der seitdem ihren Namen trägt, und sah von seiner Höhe aus die endlosen Reihen des Heeres gen Süden ziehen. Jene Hügelreihe entlang, die südöstlich den Horizont umschreibt, bewegte sich der Zug, 50,000 Mann, vorauf der König und seine Lords. Der Tag war hell und ihre Rüstungen glänzten in der Sonne. Der Glanz des Aufzuges konnte das Herz Margarethen’s nicht bethören; die Königin wußte, daß sie auszogen auf Nimmerwiederkehr. Die Erinnerung an diesen Tag aber haben Sage und Dichtung lebendig erhalten und in die Steinquadern des kleinen achteckigen Thurmgemachs befinden sich die Worte eingegraben: <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0143" n="129"/> Es knüpfen sich aber auch historische Erinnerungen an denselben, die ein plastischeres Bild geben als das bloße „in diesem Zimmer wurde Maria Stuart geboren“. Königin Margarethe war die Schwester Heinrichs <hi rendition="#aq">VIII</hi>. von England; Jakob <hi rendition="#aq">IV</hi>. von Schottland war ihr Gemahl. Als dieser, übermüthig und verblendet, ein Heer sammelte, um England mit Krieg zu überziehen, beschwor ihn Margarethe von diesem Unheilszuge abzustehen. Umsonst. Der Zug gegen England war beschlossen. Wie er begann und endete, erzähle ich im folgenden Kapitel (<hi rendition="#g">Floddenfield.</hi>) An dem Tage, wo Jakob aufbrach, erstieg die Königin den Nordwestthurm, der seitdem ihren Namen trägt, und sah von seiner Höhe aus die endlosen Reihen des Heeres gen Süden ziehen. Jene Hügelreihe entlang, die südöstlich den Horizont umschreibt, bewegte sich der Zug, 50,000 Mann, vorauf der König und seine Lords. Der Tag war hell und ihre Rüstungen glänzten in der Sonne. Der Glanz des Aufzuges konnte das Herz Margarethen’s nicht bethören; die Königin wußte, daß sie auszogen auf Nimmerwiederkehr. Die Erinnerung an diesen Tag aber haben Sage und Dichtung lebendig erhalten und in die Steinquadern des kleinen achteckigen Thurmgemachs befinden sich die Worte eingegraben:<lb/><cit><quote corresp="t1" xml:id="q1" xml:lang="eng"><lg type="poem"><lg n="1"><l><foreign xml:lang="eng"><hi rendition="#aq">Think of Queen Margret, who in Lithgows bower</hi></foreign></l><lb/><l><foreign xml:lang="eng"><hi rendition="#aq">All lonely sat and wept the weary hour.</hi></foreign></l><lb/></lg></lg></quote></cit> <cit><quote corresp="q1" xml:id="t1" type="translation"><lg type="poem"><lg n="1"><l>Hier schwand in Thränen unserer Königin</l><lb/><l>Einsam und bang die Abschiedsstunde hin.</l><lb/></lg></lg></quote></cit> </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [129/0143]
Es knüpfen sich aber auch historische Erinnerungen an denselben, die ein plastischeres Bild geben als das bloße „in diesem Zimmer wurde Maria Stuart geboren“. Königin Margarethe war die Schwester Heinrichs VIII. von England; Jakob IV. von Schottland war ihr Gemahl. Als dieser, übermüthig und verblendet, ein Heer sammelte, um England mit Krieg zu überziehen, beschwor ihn Margarethe von diesem Unheilszuge abzustehen. Umsonst. Der Zug gegen England war beschlossen. Wie er begann und endete, erzähle ich im folgenden Kapitel (Floddenfield.) An dem Tage, wo Jakob aufbrach, erstieg die Königin den Nordwestthurm, der seitdem ihren Namen trägt, und sah von seiner Höhe aus die endlosen Reihen des Heeres gen Süden ziehen. Jene Hügelreihe entlang, die südöstlich den Horizont umschreibt, bewegte sich der Zug, 50,000 Mann, vorauf der König und seine Lords. Der Tag war hell und ihre Rüstungen glänzten in der Sonne. Der Glanz des Aufzuges konnte das Herz Margarethen’s nicht bethören; die Königin wußte, daß sie auszogen auf Nimmerwiederkehr. Die Erinnerung an diesen Tag aber haben Sage und Dichtung lebendig erhalten und in die Steinquadern des kleinen achteckigen Thurmgemachs befinden sich die Worte eingegraben:
Think of Queen Margret, who in Lithgows bower
All lonely sat and wept the weary hour.
Hier schwand in Thränen unserer Königin
Einsam und bang die Abschiedsstunde hin.
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/143>, abgerufen am 22.07.2024. |