Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.die Lady in einem Steinhäuschen zurück, nur fünf Menschen lebten auf der Insel, eine einzige arme Fischerfamilie. Für Nahrungsmittel wurde von der Küste aus gesorgt. Als sie einmal an den Hochländer, der ihr wie ein Gefangenwärter beigegeben war, die Frage richtete: "ob er sich des Dienstes nicht schäme, zu dem er mißbraucht würde," antwortete dieser im ächten Clan-Geist: "ich würde mich schämen; aber Lord Lovat will, daß ich thue, was ich thue, drum schäm' ich mich nicht." Auf dieser Insel lebte die Lady 13 Jahre, verwilderte zuletzt und starb ohne das Festland von Schottland, geschweige Edinburg wieder gesehen zu haben. Ihr Verschwinden hatte zu allerhand Gerüchten Veranlassung gegeben; die Gerüchte gewannen endlich Consistenz und die Sache war so gut wie bewiesen, aber Niemand schritt ein und Lord Grange handhabte nach wie vor in Würde und Strenge das Gesetz, das nicht den Muth hatte, seine Spitze auch gegen ihn selbst zu kehren. Ein oberster Richter war zur Selbsthülfe geschritten, hatte das Einschreiten von 20 Hochländern dem Einschreiten des Gesetzes vorgezogen; welche Furcht, welches sich Beugen vor dem Gesetz war von denen zu erwarten, die dort lebten, wohin man die Lady Grange als zu einem unerreichbaren Punkt geschleppt hatte? die Lady in einem Steinhäuschen zurück, nur fünf Menschen lebten auf der Insel, eine einzige arme Fischerfamilie. Für Nahrungsmittel wurde von der Küste aus gesorgt. Als sie einmal an den Hochländer, der ihr wie ein Gefangenwärter beigegeben war, die Frage richtete: „ob er sich des Dienstes nicht schäme, zu dem er mißbraucht würde,“ antwortete dieser im ächten Clan-Geist: „ich würde mich schämen; aber Lord Lovat will, daß ich thue, was ich thue, drum schäm’ ich mich nicht.“ Auf dieser Insel lebte die Lady 13 Jahre, verwilderte zuletzt und starb ohne das Festland von Schottland, geschweige Edinburg wieder gesehen zu haben. Ihr Verschwinden hatte zu allerhand Gerüchten Veranlassung gegeben; die Gerüchte gewannen endlich Consistenz und die Sache war so gut wie bewiesen, aber Niemand schritt ein und Lord Grange handhabte nach wie vor in Würde und Strenge das Gesetz, das nicht den Muth hatte, seine Spitze auch gegen ihn selbst zu kehren. Ein oberster Richter war zur Selbsthülfe geschritten, hatte das Einschreiten von 20 Hochländern dem Einschreiten des Gesetzes vorgezogen; welche Furcht, welches sich Beugen vor dem Gesetz war von denen zu erwarten, die dort lebten, wohin man die Lady Grange als zu einem unerreichbaren Punkt geschleppt hatte? <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0110" n="96"/> die Lady in einem Steinhäuschen zurück, nur fünf Menschen lebten auf der Insel, eine einzige arme Fischerfamilie. Für Nahrungsmittel wurde von der Küste aus gesorgt. Als sie einmal an den Hochländer, der ihr wie ein Gefangenwärter beigegeben war, die Frage richtete: „ob er sich des Dienstes nicht schäme, zu dem er mißbraucht würde,“ antwortete dieser im ächten Clan-Geist: „ich würde mich schämen; aber Lord Lovat <hi rendition="#g">will</hi>, daß ich thue, was ich thue, drum schäm’ ich mich nicht.“ Auf dieser Insel lebte die Lady 13 Jahre, verwilderte zuletzt und starb ohne das Festland von Schottland, geschweige Edinburg wieder gesehen zu haben. Ihr Verschwinden hatte zu allerhand Gerüchten Veranlassung gegeben; die Gerüchte gewannen endlich Consistenz und die Sache war so gut wie bewiesen, aber Niemand schritt ein und Lord Grange handhabte nach wie vor in Würde und Strenge das Gesetz, das nicht den Muth hatte, seine Spitze auch gegen ihn selbst zu kehren. Ein oberster Richter war zur Selbsthülfe geschritten, hatte das Einschreiten von 20 Hochländern dem Einschreiten des Gesetzes vorgezogen; welche Furcht, welches sich Beugen vor dem Gesetz war von denen zu erwarten, die <hi rendition="#g">dort</hi> lebten, wohin man die Lady Grange als zu einem unerreichbaren Punkt geschleppt hatte?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [96/0110]
die Lady in einem Steinhäuschen zurück, nur fünf Menschen lebten auf der Insel, eine einzige arme Fischerfamilie. Für Nahrungsmittel wurde von der Küste aus gesorgt. Als sie einmal an den Hochländer, der ihr wie ein Gefangenwärter beigegeben war, die Frage richtete: „ob er sich des Dienstes nicht schäme, zu dem er mißbraucht würde,“ antwortete dieser im ächten Clan-Geist: „ich würde mich schämen; aber Lord Lovat will, daß ich thue, was ich thue, drum schäm’ ich mich nicht.“ Auf dieser Insel lebte die Lady 13 Jahre, verwilderte zuletzt und starb ohne das Festland von Schottland, geschweige Edinburg wieder gesehen zu haben. Ihr Verschwinden hatte zu allerhand Gerüchten Veranlassung gegeben; die Gerüchte gewannen endlich Consistenz und die Sache war so gut wie bewiesen, aber Niemand schritt ein und Lord Grange handhabte nach wie vor in Würde und Strenge das Gesetz, das nicht den Muth hatte, seine Spitze auch gegen ihn selbst zu kehren. Ein oberster Richter war zur Selbsthülfe geschritten, hatte das Einschreiten von 20 Hochländern dem Einschreiten des Gesetzes vorgezogen; welche Furcht, welches sich Beugen vor dem Gesetz war von denen zu erwarten, die dort lebten, wohin man die Lady Grange als zu einem unerreichbaren Punkt geschleppt hatte?
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/110>, abgerufen am 22.07.2024. |