Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.nes verschuldet hatte. Lahm-Joseph rührte die Trommel, das Haus des Wirths wurde gestürmt, jeder bewegliche Gegenstand weggeschleppt und auf offenem Markt verbrannt. An ein Einschreiten der Behörden in solchem Falle war gar nicht zu denken. Einen entrüsteten Volkshaufen, dem man nicht das Recht überhaupt, sondern nur das Recht, sich Recht zu nehmen, bestreiten kann, läßt man allerorten am besten gewähren. Das Gefühl, zu Gericht zu sitzen, sichert vor Extravaganzen. Wenigstens scheinen die Edinburger Magistrate von diesem oder einem ähnlichen Satze ausgegangen zu sein. Lahm-Joseph's letzte Verhandlung mit den Stadtbehörden fand statt, als ein bourbonischer Prinz der Stadt seinen Besuch zugesagt und gerade den Tag im langen Jahre dafür festgesetzt hatte, an dem die unteren Volksklassen seit vielen, vielen Jahren daran gewöhnt waren, sich durch "Verbrennen des Papstes" einen heiteren Abend zu machen. Der Magistrat ließ Lahm-Joseph kommen, stellte ihm die Sache vor "von wegen des katholischen Prinzen", schob ihm ein Goldstück hin und appellirte an General Smith's Gefühl für Anstand und gute Sitte. Joseph steckte das Goldstück ein, gab dem Stadtschreiber Recht und empfahl sich dann mit den Worten: "aber brennen muß er doch." Bald nachher segnete der Schuhflicker aus Canongate das Zeitliche und die Diktatur über Edinburg ist seitdem ein unbesetzter Posten geblieben. Ziemlich in dieselbe Zeit, in der die Herrschaft Lahm-Joseph's blühte, fällt auch die Geschichte der Lady Grange. nes verschuldet hatte. Lahm-Joseph rührte die Trommel, das Haus des Wirths wurde gestürmt, jeder bewegliche Gegenstand weggeschleppt und auf offenem Markt verbrannt. An ein Einschreiten der Behörden in solchem Falle war gar nicht zu denken. Einen entrüsteten Volkshaufen, dem man nicht das Recht überhaupt, sondern nur das Recht, sich Recht zu nehmen, bestreiten kann, läßt man allerorten am besten gewähren. Das Gefühl, zu Gericht zu sitzen, sichert vor Extravaganzen. Wenigstens scheinen die Edinburger Magistrate von diesem oder einem ähnlichen Satze ausgegangen zu sein. Lahm-Joseph’s letzte Verhandlung mit den Stadtbehörden fand statt, als ein bourbonischer Prinz der Stadt seinen Besuch zugesagt und gerade den Tag im langen Jahre dafür festgesetzt hatte, an dem die unteren Volksklassen seit vielen, vielen Jahren daran gewöhnt waren, sich durch „Verbrennen des Papstes“ einen heiteren Abend zu machen. Der Magistrat ließ Lahm-Joseph kommen, stellte ihm die Sache vor „von wegen des katholischen Prinzen“, schob ihm ein Goldstück hin und appellirte an General Smith’s Gefühl für Anstand und gute Sitte. Joseph steckte das Goldstück ein, gab dem Stadtschreiber Recht und empfahl sich dann mit den Worten: „aber brennen muß er doch.“ Bald nachher segnete der Schuhflicker aus Canongate das Zeitliche und die Diktatur über Edinburg ist seitdem ein unbesetzter Posten geblieben. Ziemlich in dieselbe Zeit, in der die Herrschaft Lahm-Joseph’s blühte, fällt auch die Geschichte der Lady Grange. <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0108" n="94"/> nes verschuldet hatte. Lahm-Joseph rührte die Trommel, das Haus des Wirths wurde gestürmt, jeder bewegliche Gegenstand weggeschleppt und auf offenem Markt verbrannt. An ein Einschreiten der Behörden in solchem Falle war gar nicht zu denken. Einen entrüsteten Volkshaufen, dem man nicht das Recht überhaupt, sondern nur das Recht, sich Recht zu nehmen, bestreiten kann, läßt man allerorten am besten gewähren. Das Gefühl, zu Gericht zu sitzen, sichert vor Extravaganzen. Wenigstens scheinen die Edinburger Magistrate von diesem oder einem ähnlichen Satze ausgegangen zu sein. Lahm-Joseph’s letzte Verhandlung mit den Stadtbehörden fand statt, als ein bourbonischer Prinz der Stadt seinen Besuch zugesagt und gerade <hi rendition="#g">den</hi> Tag im langen Jahre dafür festgesetzt hatte, an dem die unteren Volksklassen seit vielen, vielen Jahren daran gewöhnt waren, sich durch „Verbrennen des Papstes“ einen heiteren Abend zu machen. Der Magistrat ließ Lahm-Joseph kommen, stellte ihm die Sache vor „von wegen des katholischen Prinzen“, schob ihm ein Goldstück hin und appellirte an General Smith’s Gefühl für Anstand und gute Sitte. Joseph steckte das Goldstück ein, gab dem Stadtschreiber Recht und empfahl sich dann mit den Worten: „aber brennen muß er doch.“ Bald nachher segnete der Schuhflicker aus Canongate das Zeitliche und die Diktatur über Edinburg ist seitdem ein unbesetzter Posten geblieben.</p><lb/> <p>Ziemlich in dieselbe Zeit, in der die Herrschaft Lahm-Joseph’s blühte, fällt auch die Geschichte der Lady Grange.<lb/></p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0108]
nes verschuldet hatte. Lahm-Joseph rührte die Trommel, das Haus des Wirths wurde gestürmt, jeder bewegliche Gegenstand weggeschleppt und auf offenem Markt verbrannt. An ein Einschreiten der Behörden in solchem Falle war gar nicht zu denken. Einen entrüsteten Volkshaufen, dem man nicht das Recht überhaupt, sondern nur das Recht, sich Recht zu nehmen, bestreiten kann, läßt man allerorten am besten gewähren. Das Gefühl, zu Gericht zu sitzen, sichert vor Extravaganzen. Wenigstens scheinen die Edinburger Magistrate von diesem oder einem ähnlichen Satze ausgegangen zu sein. Lahm-Joseph’s letzte Verhandlung mit den Stadtbehörden fand statt, als ein bourbonischer Prinz der Stadt seinen Besuch zugesagt und gerade den Tag im langen Jahre dafür festgesetzt hatte, an dem die unteren Volksklassen seit vielen, vielen Jahren daran gewöhnt waren, sich durch „Verbrennen des Papstes“ einen heiteren Abend zu machen. Der Magistrat ließ Lahm-Joseph kommen, stellte ihm die Sache vor „von wegen des katholischen Prinzen“, schob ihm ein Goldstück hin und appellirte an General Smith’s Gefühl für Anstand und gute Sitte. Joseph steckte das Goldstück ein, gab dem Stadtschreiber Recht und empfahl sich dann mit den Worten: „aber brennen muß er doch.“ Bald nachher segnete der Schuhflicker aus Canongate das Zeitliche und die Diktatur über Edinburg ist seitdem ein unbesetzter Posten geblieben.
Ziemlich in dieselbe Zeit, in der die Herrschaft Lahm-Joseph’s blühte, fällt auch die Geschichte der Lady Grange.
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(2018-07-25T15:22:45Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T15:22:45Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen. Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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