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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"Großartig," sagte Rex. "Ich entschlage mich nach
solchen Mitteilungen jeder weiteren Opposition. Welch
ein Maß von Entsagung! Denn auch im Nichtentsagen
kann ein Entsagen liegen. Andauernde Opferung eines
Innersten und Höchsten."

"Unglaublich!" lachte Czako. "Rex, Rex. Ich hab'
Ihnen da schon vorhin alle Menschenkenntnis abgesprochen.
Aber hier übertrumpfen Sie sich selbst. Wer Konventikel
leitet, der sollte doch wenigstens die Weiber kennen.
Erinnern Sie sich, Stechlin sagte, sie sei lymphatisch und
habe Vergißmeinnichtaugen. Und nun sehen Sie sich
den Katzler an. Beinah' sechs Fuß und rotblond und
das Eiserne Kreuz."

"Czako, Sie sind mal wieder frivol. Aber man darf
es mit Ihnen so genau nicht nehmen. Das ist das
Slavische, was in Ihnen nachspukt; latente Sinnlichkeit."

"Ja, sehr latent; durchaus vergrabner Schatz. Und
ich wollte wohl, daß ich in die Lage käme, besser damit
wuchern zu können. Aber ..."

So ging das Gespräch noch eine gute Weile.

Die große Chaussee, darauf ihr Weg inzwischen wieder
eingemündet, stieg allmählich an, und als man den Höhe¬
punkt dieser Steigung erreicht hatte, lag das Kloster samt
seinem gleichnamigen Städtchen in verhältnismäßiger Nähe
vor ihnen. Auf ihrem Hinritte hatten Rex und Czako so
wenig davon zu Gesicht bekommen, daß ein gewisses Be¬
troffensein über die Schönheit des sich ihnen jetzt dar¬
bietenden Landschafts- und Architekturbildes kaum aus¬
bleiben konnte. Czako besonders war ganz aus dem
Häuschen, aber auch Rex stimmte mit ein. "Die große
Feldsteingiebelwand," sagte er, "so gewagt im allgemeinen
bestimmte Zeitangaben auf diesem Gebiete sind, möcht' ich
in das Jahr 1375, also Landbuch Kaiser Karls IV.,
setzen dürfen."

"Wohl möglich," lachte Woldemar. "Es giebt näm¬

„Großartig,“ ſagte Rex. „Ich entſchlage mich nach
ſolchen Mitteilungen jeder weiteren Oppoſition. Welch
ein Maß von Entſagung! Denn auch im Nichtentſagen
kann ein Entſagen liegen. Andauernde Opferung eines
Innerſten und Höchſten.“

„Unglaublich!“ lachte Czako. „Rex, Rex. Ich hab'
Ihnen da ſchon vorhin alle Menſchenkenntnis abgeſprochen.
Aber hier übertrumpfen Sie ſich ſelbſt. Wer Konventikel
leitet, der ſollte doch wenigſtens die Weiber kennen.
Erinnern Sie ſich, Stechlin ſagte, ſie ſei lymphatiſch und
habe Vergißmeinnichtaugen. Und nun ſehen Sie ſich
den Katzler an. Beinah' ſechs Fuß und rotblond und
das Eiſerne Kreuz.“

„Czako, Sie ſind mal wieder frivol. Aber man darf
es mit Ihnen ſo genau nicht nehmen. Das iſt das
Slaviſche, was in Ihnen nachſpukt; latente Sinnlichkeit.“

„Ja, ſehr latent; durchaus vergrabner Schatz. Und
ich wollte wohl, daß ich in die Lage käme, beſſer damit
wuchern zu können. Aber ...“

So ging das Geſpräch noch eine gute Weile.

Die große Chauſſee, darauf ihr Weg inzwiſchen wieder
eingemündet, ſtieg allmählich an, und als man den Höhe¬
punkt dieſer Steigung erreicht hatte, lag das Kloſter ſamt
ſeinem gleichnamigen Städtchen in verhältnismäßiger Nähe
vor ihnen. Auf ihrem Hinritte hatten Rex und Czako ſo
wenig davon zu Geſicht bekommen, daß ein gewiſſes Be¬
troffenſein über die Schönheit des ſich ihnen jetzt dar¬
bietenden Landſchafts- und Architekturbildes kaum aus¬
bleiben konnte. Czako beſonders war ganz aus dem
Häuschen, aber auch Rex ſtimmte mit ein. „Die große
Feldſteingiebelwand,“ ſagte er, „ſo gewagt im allgemeinen
beſtimmte Zeitangaben auf dieſem Gebiete ſind, möcht' ich
in das Jahr 1375, alſo Landbuch Kaiſer Karls IV.,
ſetzen dürfen.“

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[92/0099] „Großartig,“ ſagte Rex. „Ich entſchlage mich nach ſolchen Mitteilungen jeder weiteren Oppoſition. Welch ein Maß von Entſagung! Denn auch im Nichtentſagen kann ein Entſagen liegen. Andauernde Opferung eines Innerſten und Höchſten.“ „Unglaublich!“ lachte Czako. „Rex, Rex. Ich hab' Ihnen da ſchon vorhin alle Menſchenkenntnis abgeſprochen. Aber hier übertrumpfen Sie ſich ſelbſt. Wer Konventikel leitet, der ſollte doch wenigſtens die Weiber kennen. Erinnern Sie ſich, Stechlin ſagte, ſie ſei lymphatiſch und habe Vergißmeinnichtaugen. Und nun ſehen Sie ſich den Katzler an. Beinah' ſechs Fuß und rotblond und das Eiſerne Kreuz.“ „Czako, Sie ſind mal wieder frivol. Aber man darf es mit Ihnen ſo genau nicht nehmen. Das iſt das Slaviſche, was in Ihnen nachſpukt; latente Sinnlichkeit.“ „Ja, ſehr latent; durchaus vergrabner Schatz. Und ich wollte wohl, daß ich in die Lage käme, beſſer damit wuchern zu können. Aber ...“ So ging das Geſpräch noch eine gute Weile. Die große Chauſſee, darauf ihr Weg inzwiſchen wieder eingemündet, ſtieg allmählich an, und als man den Höhe¬ punkt dieſer Steigung erreicht hatte, lag das Kloſter ſamt ſeinem gleichnamigen Städtchen in verhältnismäßiger Nähe vor ihnen. Auf ihrem Hinritte hatten Rex und Czako ſo wenig davon zu Geſicht bekommen, daß ein gewiſſes Be¬ troffenſein über die Schönheit des ſich ihnen jetzt dar¬ bietenden Landſchafts- und Architekturbildes kaum aus¬ bleiben konnte. Czako beſonders war ganz aus dem Häuschen, aber auch Rex ſtimmte mit ein. „Die große Feldſteingiebelwand,“ ſagte er, „ſo gewagt im allgemeinen beſtimmte Zeitangaben auf dieſem Gebiete ſind, möcht' ich in das Jahr 1375, alſo Landbuch Kaiſer Karls IV., ſetzen dürfen.“ „Wohl möglich,“ lachte Woldemar. „Es giebt näm¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/99>, abgerufen am 24.11.2024.