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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Und dabei griff er in seinen Rock und suchte nach
einem Nickel. "Sehen Sie, Hauptmann, Sie sind ein
bißchen ein Spötter, so viel hab' ich schon gemerkt; aber
so muß es gemacht werden. Der Junge weiß von Fehr¬
bellin und von Leipzig und hat ein kluges Gesicht und
steht Red' und Antwort. Und rote Backen hat er auch.
Sieht er aus, als ob er einen Kummer hätte oder einen
Gram ums Vaterland? Unsinn. Ordnung und immer
feste. Na, so lange ich hier sitze, so lange hält es noch.
Aber freilich, es kommen andre Tage."

Woldemar lächelte.

"Na", fuhr der Alte fort, "will mich trösten. Als
der alte Fritz zu sterben kam, dacht' er auch, nu ginge
die Welt unter. Und sie steht immer noch, und wir Deutsche
sind wieder obenauf, ein bißchen zu sehr. Aber immer
besser als zu wenig."

Inzwischen hatte sich Krippenstapel in seiner Stube
proper gemacht: schwarzer Rock mit dem Inhaberband
des Adlers von Hohenzollern, den ihm sein gütiger Guts¬
herr verschafft hatte. Statt des Hutes, den er in der
Eile nicht hatte finden können, trug er eine Mütze von
sonderbarer Form. In der Rechten aber hielt er einen
ausgehöhlten Kirchenschlüssel, der wie 'ne rostige Pistole
aussah.

Der Weg bis zur Kirche war ganz nah. Und nun
standen sie dem Portal gegenüber.

Rex, zu dessen Ressort auch Kirchenbauliches gehörte,
setzte sein Pincenez auf und musterte. "Sehr interessant.
Ich setze das Portal in die Zeit von Bischof Luger.
Prämonstratenser-Bau. Wenn mich nicht alles täuscht,
Anlehnung an die Brandenburger Krypte. Also sagen
wir zwölfhundert. Wenn ich fragen darf, Herr von
Stechlin, existieren Urkunden? Und war vielleicht Herr
von Quast schon hier oder Geheimrat Adler, unser bester
Kenner?"

Und dabei griff er in ſeinen Rock und ſuchte nach
einem Nickel. „Sehen Sie, Hauptmann, Sie ſind ein
bißchen ein Spötter, ſo viel hab' ich ſchon gemerkt; aber
ſo muß es gemacht werden. Der Junge weiß von Fehr¬
bellin und von Leipzig und hat ein kluges Geſicht und
ſteht Red' und Antwort. Und rote Backen hat er auch.
Sieht er aus, als ob er einen Kummer hätte oder einen
Gram ums Vaterland? Unſinn. Ordnung und immer
feſte. Na, ſo lange ich hier ſitze, ſo lange hält es noch.
Aber freilich, es kommen andre Tage.“

Woldemar lächelte.

„Na“, fuhr der Alte fort, „will mich tröſten. Als
der alte Fritz zu ſterben kam, dacht' er auch, nu ginge
die Welt unter. Und ſie ſteht immer noch, und wir Deutſche
ſind wieder obenauf, ein bißchen zu ſehr. Aber immer
beſſer als zu wenig.“

Inzwiſchen hatte ſich Krippenſtapel in ſeiner Stube
proper gemacht: ſchwarzer Rock mit dem Inhaberband
des Adlers von Hohenzollern, den ihm ſein gütiger Guts¬
herr verſchafft hatte. Statt des Hutes, den er in der
Eile nicht hatte finden können, trug er eine Mütze von
ſonderbarer Form. In der Rechten aber hielt er einen
ausgehöhlten Kirchenſchlüſſel, der wie 'ne roſtige Piſtole
ausſah.

Der Weg bis zur Kirche war ganz nah. Und nun
ſtanden ſie dem Portal gegenüber.

Rex, zu deſſen Reſſort auch Kirchenbauliches gehörte,
ſetzte ſein Pincenez auf und muſterte. „Sehr intereſſant.
Ich ſetze das Portal in die Zeit von Biſchof Luger.
Prämonſtratenſer-Bau. Wenn mich nicht alles täuſcht,
Anlehnung an die Brandenburger Krypte. Alſo ſagen
wir zwölfhundert. Wenn ich fragen darf, Herr von
Stechlin, exiſtieren Urkunden? Und war vielleicht Herr
von Quaſt ſchon hier oder Geheimrat Adler, unſer beſter
Kenner?“

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[72/0079] Und dabei griff er in ſeinen Rock und ſuchte nach einem Nickel. „Sehen Sie, Hauptmann, Sie ſind ein bißchen ein Spötter, ſo viel hab' ich ſchon gemerkt; aber ſo muß es gemacht werden. Der Junge weiß von Fehr¬ bellin und von Leipzig und hat ein kluges Geſicht und ſteht Red' und Antwort. Und rote Backen hat er auch. Sieht er aus, als ob er einen Kummer hätte oder einen Gram ums Vaterland? Unſinn. Ordnung und immer feſte. Na, ſo lange ich hier ſitze, ſo lange hält es noch. Aber freilich, es kommen andre Tage.“ Woldemar lächelte. „Na“, fuhr der Alte fort, „will mich tröſten. Als der alte Fritz zu ſterben kam, dacht' er auch, nu ginge die Welt unter. Und ſie ſteht immer noch, und wir Deutſche ſind wieder obenauf, ein bißchen zu ſehr. Aber immer beſſer als zu wenig.“ Inzwiſchen hatte ſich Krippenſtapel in ſeiner Stube proper gemacht: ſchwarzer Rock mit dem Inhaberband des Adlers von Hohenzollern, den ihm ſein gütiger Guts¬ herr verſchafft hatte. Statt des Hutes, den er in der Eile nicht hatte finden können, trug er eine Mütze von ſonderbarer Form. In der Rechten aber hielt er einen ausgehöhlten Kirchenſchlüſſel, der wie 'ne roſtige Piſtole ausſah. Der Weg bis zur Kirche war ganz nah. Und nun ſtanden ſie dem Portal gegenüber. Rex, zu deſſen Reſſort auch Kirchenbauliches gehörte, ſetzte ſein Pincenez auf und muſterte. „Sehr intereſſant. Ich ſetze das Portal in die Zeit von Biſchof Luger. Prämonſtratenſer-Bau. Wenn mich nicht alles täuſcht, Anlehnung an die Brandenburger Krypte. Alſo ſagen wir zwölfhundert. Wenn ich fragen darf, Herr von Stechlin, exiſtieren Urkunden? Und war vielleicht Herr von Quaſt ſchon hier oder Geheimrat Adler, unſer beſter Kenner?“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/79>, abgerufen am 24.11.2024.