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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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So war denn also das Programm festgestellt, und
nachdem Dubslav mit Engelkes Hilfe seinen noch ziemlich
neuen weißen Filzhut, den er sehr schonte, mit einem
motanartigen schwarzen Filzhut vertauscht und einen
schweren Eichenstock in die Hand genommen hatte, brach
man auf, um zunächst auf den als erste Sehenswürdigkeit
festgesetzten Aussichtsturm hinaufzusteigen. Der Weg da¬
hin, keine hundert Schritte, führte durch einen sogenannten
,Poetensteig'. "Ich weiß nicht," sagte Dubslav, "warum
meine Mutter diesen etwas anspruchsvollen Namen hier
einführte. Soviel mir bekannt, hat sich hier niemals
etwas betreffen lassen, was zu dieser Rangerhöhung einer
ehemaligen Taxushecke hätte Veranlassung geben können.
Und ist auch recht gut so."

"Warum gut, Papa?"

"Nun, nimm es nicht übel," lachte Dubslav. "Du
sprichst ja, wie wenn du selber einer wärst. Im übrigen
räum' ich dir ein, daß ich kein rechtes Urteil über derlei
Dinge habe. Bei den Kürassieren war keiner, und ich
habe überhaupt nur einmal einen gesehen, mit einem kleinen
Verdruß und einer Goldbrille, die er beständig abnahm und
putzte. Natürlich bloß ein Männchen, klein und eitel.
Aber sehr elegant."

"Elegant?" fragte Czako. "Dann stimmt es nicht;
dann haben Sie so gut wie keinen gesehen."

Unter diesem Gespräche waren sie bis an den Turm
gekommen, der in mehreren Etagen und zuletzt auf bloßen
Leitern anstieg. Man mußte schwindelfrei sein, um gut
hinaufzukommen. Oben aber war es wieder gefahrlos
weil eine feste Wandung das Podium umgab. Rex und
Cazko hielten Umschau. Nach Süden hin lag das Land
frei, nach den drei andern Seiten hin aber war alles mit
Waldmassen besetzt, zwischen denen gelegentlich die sich
hier auf weite Meilen hinziehende Seeenkette sichtbar
wurde. Der nächste See war der Stechlin.

So war denn alſo das Programm feſtgeſtellt, und
nachdem Dubslav mit Engelkes Hilfe ſeinen noch ziemlich
neuen weißen Filzhut, den er ſehr ſchonte, mit einem
motanartigen ſchwarzen Filzhut vertauſcht und einen
ſchweren Eichenſtock in die Hand genommen hatte, brach
man auf, um zunächſt auf den als erſte Sehenswürdigkeit
feſtgeſetzten Ausſichtsturm hinaufzuſteigen. Der Weg da¬
hin, keine hundert Schritte, führte durch einen ſogenannten
‚Poetenſteig‘. „Ich weiß nicht,“ ſagte Dubslav, „warum
meine Mutter dieſen etwas anſpruchsvollen Namen hier
einführte. Soviel mir bekannt, hat ſich hier niemals
etwas betreffen laſſen, was zu dieſer Rangerhöhung einer
ehemaligen Taxushecke hätte Veranlaſſung geben können.
Und iſt auch recht gut ſo.“

„Warum gut, Papa?“

„Nun, nimm es nicht übel,“ lachte Dubslav. „Du
ſprichſt ja, wie wenn du ſelber einer wärſt. Im übrigen
räum' ich dir ein, daß ich kein rechtes Urteil über derlei
Dinge habe. Bei den Küraſſieren war keiner, und ich
habe überhaupt nur einmal einen geſehen, mit einem kleinen
Verdruß und einer Goldbrille, die er beſtändig abnahm und
putzte. Natürlich bloß ein Männchen, klein und eitel.
Aber ſehr elegant.“

„Elegant?“ fragte Czako. „Dann ſtimmt es nicht;
dann haben Sie ſo gut wie keinen geſehen.“

Unter dieſem Geſpräche waren ſie bis an den Turm
gekommen, der in mehreren Etagen und zuletzt auf bloßen
Leitern anſtieg. Man mußte ſchwindelfrei ſein, um gut
hinaufzukommen. Oben aber war es wieder gefahrlos
weil eine feſte Wandung das Podium umgab. Rex und
Cazko hielten Umſchau. Nach Süden hin lag das Land
frei, nach den drei andern Seiten hin aber war alles mit
Waldmaſſen beſetzt, zwiſchen denen gelegentlich die ſich
hier auf weite Meilen hinziehende Seeenkette ſichtbar
wurde. Der nächſte See war der Stechlin.

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[66/0073] So war denn alſo das Programm feſtgeſtellt, und nachdem Dubslav mit Engelkes Hilfe ſeinen noch ziemlich neuen weißen Filzhut, den er ſehr ſchonte, mit einem motanartigen ſchwarzen Filzhut vertauſcht und einen ſchweren Eichenſtock in die Hand genommen hatte, brach man auf, um zunächſt auf den als erſte Sehenswürdigkeit feſtgeſetzten Ausſichtsturm hinaufzuſteigen. Der Weg da¬ hin, keine hundert Schritte, führte durch einen ſogenannten ‚Poetenſteig‘. „Ich weiß nicht,“ ſagte Dubslav, „warum meine Mutter dieſen etwas anſpruchsvollen Namen hier einführte. Soviel mir bekannt, hat ſich hier niemals etwas betreffen laſſen, was zu dieſer Rangerhöhung einer ehemaligen Taxushecke hätte Veranlaſſung geben können. Und iſt auch recht gut ſo.“ „Warum gut, Papa?“ „Nun, nimm es nicht übel,“ lachte Dubslav. „Du ſprichſt ja, wie wenn du ſelber einer wärſt. Im übrigen räum' ich dir ein, daß ich kein rechtes Urteil über derlei Dinge habe. Bei den Küraſſieren war keiner, und ich habe überhaupt nur einmal einen geſehen, mit einem kleinen Verdruß und einer Goldbrille, die er beſtändig abnahm und putzte. Natürlich bloß ein Männchen, klein und eitel. Aber ſehr elegant.“ „Elegant?“ fragte Czako. „Dann ſtimmt es nicht; dann haben Sie ſo gut wie keinen geſehen.“ Unter dieſem Geſpräche waren ſie bis an den Turm gekommen, der in mehreren Etagen und zuletzt auf bloßen Leitern anſtieg. Man mußte ſchwindelfrei ſein, um gut hinaufzukommen. Oben aber war es wieder gefahrlos weil eine feſte Wandung das Podium umgab. Rex und Cazko hielten Umſchau. Nach Süden hin lag das Land frei, nach den drei andern Seiten hin aber war alles mit Waldmaſſen beſetzt, zwiſchen denen gelegentlich die ſich hier auf weite Meilen hinziehende Seeenkette ſichtbar wurde. Der nächſte See war der Stechlin.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/73>, abgerufen am 23.11.2024.