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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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sönlich in meinen jungen Jahren auch noch erlebt und
vielleicht noch ein bißchen besser; denn, Pardon, jeder hält
seine Zeit für die beste. Vielleicht sogar, daß Sie mir
zustimmen, wenn ich Ihnen mein Sprüchel erst ganz her¬
gesagt haben werde. Da haben wir ja nun ,jenseits des
Niemen', wie manche Gebildete jetzt sagen, die ,drei
Alexander' gehabt, den ersten, den zweiten und den
dritten, alle drei große Herren und alle drei richtige
Kaiser und fromme Leute, oder doch beinah' fromm, die's
gut mit ihrem Volk und mit der Menschheit meinten, und
dabei selber richtige Menschen; aber in dies Alexandertum,
das so beinah' das ganze Jahrhundert ausfüllt, da schiebt
sich doch noch einer ein, ein Nicht-Alexander, und ohne
Ihnen zu nahe treten zu wollen, der war doch der
Häupter. Und das war unser Nikolaus. Manche dummen
Kerle haben Spottlieder auf ihn gemacht und vom schwarzen
Niklas gesungen, wie man Kinder mit dem schwarzen
Mann graulich macht, aber war das ein Mann! Und
dieser selbige Nikolaus, nun, der hatte hier, ganz wie die
drei Alexander, auch ein Regiment, und das waren die
Nikolaus-Kürassiere, oder sag' ich lieber: das sind die
Nikolaus-Kürassiere, denn wir haben sie, Gott sei Dank,
noch. Und sehen Sie, lieber Czako, das war mein Re¬
giment, dabei hab' ich gestanden, als ich noch ein junger
Dachs war, und habe dann den Abschied genommen; viel zu
früh; Dummheit, hätte lieber dabei bleiben sollen."

Czako nickte, Dubslav nahm ein neues Glas von
dem Goldwasser. "Unsre Nikolaus-Kürassiere, Gott erhalte
sie, wie sie sind! Ich möchte sagen, in dem Regimente
lebt noch die heilige Alliance fort, die Waffenbrüderschaft
von Anno dreizehn, und dies Anno dreizehn, das wir
mit den Russen zusammen durchgemacht haben, immer
nebeneinander im Biwak, in Glück und Unglück, das war
doch unsre größte Zeit. Größer als die jetzt große.
Große Zeit ist es immer nur, wenn's beinah' schief geht,

ſönlich in meinen jungen Jahren auch noch erlebt und
vielleicht noch ein bißchen beſſer; denn, Pardon, jeder hält
ſeine Zeit für die beſte. Vielleicht ſogar, daß Sie mir
zuſtimmen, wenn ich Ihnen mein Sprüchel erſt ganz her¬
geſagt haben werde. Da haben wir ja nun ‚jenſeits des
Niemen‘, wie manche Gebildete jetzt ſagen, die ‚drei
Alexander‘ gehabt, den erſten, den zweiten und den
dritten, alle drei große Herren und alle drei richtige
Kaiſer und fromme Leute, oder doch beinah' fromm, die's
gut mit ihrem Volk und mit der Menſchheit meinten, und
dabei ſelber richtige Menſchen; aber in dies Alexandertum,
das ſo beinah' das ganze Jahrhundert ausfüllt, da ſchiebt
ſich doch noch einer ein, ein Nicht-Alexander, und ohne
Ihnen zu nahe treten zu wollen, der war doch der
Häupter. Und das war unſer Nikolaus. Manche dummen
Kerle haben Spottlieder auf ihn gemacht und vom ſchwarzen
Niklas geſungen, wie man Kinder mit dem ſchwarzen
Mann graulich macht, aber war das ein Mann! Und
dieſer ſelbige Nikolaus, nun, der hatte hier, ganz wie die
drei Alexander, auch ein Regiment, und das waren die
Nikolaus-Küraſſiere, oder ſag' ich lieber: das ſind die
Nikolaus-Küraſſiere, denn wir haben ſie, Gott ſei Dank,
noch. Und ſehen Sie, lieber Czako, das war mein Re¬
giment, dabei hab' ich geſtanden, als ich noch ein junger
Dachs war, und habe dann den Abſchied genommen; viel zu
früh; Dummheit, hätte lieber dabei bleiben ſollen.“

Czako nickte, Dubslav nahm ein neues Glas von
dem Goldwaſſer. „Unſre Nikolaus-Küraſſiere, Gott erhalte
ſie, wie ſie ſind! Ich möchte ſagen, in dem Regimente
lebt noch die heilige Alliance fort, die Waffenbrüderſchaft
von Anno dreizehn, und dies Anno dreizehn, das wir
mit den Ruſſen zuſammen durchgemacht haben, immer
nebeneinander im Biwak, in Glück und Unglück, das war
doch unſre größte Zeit. Größer als die jetzt große.
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[52/0059] ſönlich in meinen jungen Jahren auch noch erlebt und vielleicht noch ein bißchen beſſer; denn, Pardon, jeder hält ſeine Zeit für die beſte. Vielleicht ſogar, daß Sie mir zuſtimmen, wenn ich Ihnen mein Sprüchel erſt ganz her¬ geſagt haben werde. Da haben wir ja nun ‚jenſeits des Niemen‘, wie manche Gebildete jetzt ſagen, die ‚drei Alexander‘ gehabt, den erſten, den zweiten und den dritten, alle drei große Herren und alle drei richtige Kaiſer und fromme Leute, oder doch beinah' fromm, die's gut mit ihrem Volk und mit der Menſchheit meinten, und dabei ſelber richtige Menſchen; aber in dies Alexandertum, das ſo beinah' das ganze Jahrhundert ausfüllt, da ſchiebt ſich doch noch einer ein, ein Nicht-Alexander, und ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, der war doch der Häupter. Und das war unſer Nikolaus. Manche dummen Kerle haben Spottlieder auf ihn gemacht und vom ſchwarzen Niklas geſungen, wie man Kinder mit dem ſchwarzen Mann graulich macht, aber war das ein Mann! Und dieſer ſelbige Nikolaus, nun, der hatte hier, ganz wie die drei Alexander, auch ein Regiment, und das waren die Nikolaus-Küraſſiere, oder ſag' ich lieber: das ſind die Nikolaus-Küraſſiere, denn wir haben ſie, Gott ſei Dank, noch. Und ſehen Sie, lieber Czako, das war mein Re¬ giment, dabei hab' ich geſtanden, als ich noch ein junger Dachs war, und habe dann den Abſchied genommen; viel zu früh; Dummheit, hätte lieber dabei bleiben ſollen.“ Czako nickte, Dubslav nahm ein neues Glas von dem Goldwaſſer. „Unſre Nikolaus-Küraſſiere, Gott erhalte ſie, wie ſie ſind! Ich möchte ſagen, in dem Regimente lebt noch die heilige Alliance fort, die Waffenbrüderſchaft von Anno dreizehn, und dies Anno dreizehn, das wir mit den Ruſſen zuſammen durchgemacht haben, immer nebeneinander im Biwak, in Glück und Unglück, das war doch unſre größte Zeit. Größer als die jetzt große. Große Zeit iſt es immer nur, wenn's beinah' ſchief geht,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/59>, abgerufen am 22.11.2024.