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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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wenigen. Es wäre das beste, wenn ein einziger Alter-
Fritzen-Verstand die ganze Geschichte regulieren könnte.
Freilich braucht ein solcher oberster Wille auch seine Werk¬
zeuge. Die haben wir aber noch in unserm Adel, in
unsrer Armee und speziell auch in Ihrem Regiment."

Während der Alte diesen Trumpf ausspielte, kam
Engelke, um ein paar neue Tassen zu präsentieren.

"Nein, nein, Engelke, wir sind schon weiter. Aber
stell nur hin. ... In Ihrem Regiment, sag' ich, Herr
von Czako; schon sein Name bedeutet ein Programm, und
dies Programm heißt: Rußland. Heutzutage darf man
freilich kaum noch davon reden. Aber das ist Unsinn.
Ich sage Ihnen, Hauptmann, das waren Preußens beste
Tage, als da bei Potsdam herum die ,russische Kirche'
und das ,russische Haus' gebaut wurden, und als es
immer hin und her ging zwischen Berlin und Petersburg.
Ihr Regiment, Gott sei Dank, unterhält noch was von
den alten Beziehungen, und ich freue mich immer, wenn
ich davon lese, vor allem, wenn ein russischer Kaiser kommt
und ein Doppelposten vom Regiment Alexander vor seinem
Palais steht. Und noch mehr freu' ich mich, wenn das
Regiment Deputationen schickt: Georgsfest, Namenstag des
hohen Chefs, oder wenn sich's auch bloß um Uniformab¬
änderungen handelt, beispielsweise Klappkragen statt Steh¬
kragen (diese verdammten Stehkragen) -- und wie dann
der Kaiser alle begrüßt und zur Tafel zieht und so bei
sich denkt: ,Ja, ja, das sind brave Leute; da hab' ich
meinen Halt.'"

Czako nickte, war aber doch in sichtlicher Verlegenheit,
weil er, trotz seiner vorher versicherten "Sympathien", ein
ganz moderner, politisch stark angekränkelter Mensch war,
der, bei strammster Dienstlichkeit, zu all dergleichen Über¬
spanntheiten ziemlich kritisch stand. Der alte Dubslav
nahm indessen von alledem nichts wahr und fuhr fort:
"Und sehen Sie, lieber Hauptmann, so hab' ich's per¬

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wenigen. Es wäre das beſte, wenn ein einziger Alter-
Fritzen-Verſtand die ganze Geſchichte regulieren könnte.
Freilich braucht ein ſolcher oberſter Wille auch ſeine Werk¬
zeuge. Die haben wir aber noch in unſerm Adel, in
unſrer Armee und ſpeziell auch in Ihrem Regiment.“

Während der Alte dieſen Trumpf ausſpielte, kam
Engelke, um ein paar neue Taſſen zu präſentieren.

„Nein, nein, Engelke, wir ſind ſchon weiter. Aber
ſtell nur hin. ... In Ihrem Regiment, ſag' ich, Herr
von Czako; ſchon ſein Name bedeutet ein Programm, und
dies Programm heißt: Rußland. Heutzutage darf man
freilich kaum noch davon reden. Aber das iſt Unſinn.
Ich ſage Ihnen, Hauptmann, das waren Preußens beſte
Tage, als da bei Potsdam herum die ‚ruſſiſche Kirche‘
und das ‚ruſſiſche Haus‘ gebaut wurden, und als es
immer hin und her ging zwiſchen Berlin und Petersburg.
Ihr Regiment, Gott ſei Dank, unterhält noch was von
den alten Beziehungen, und ich freue mich immer, wenn
ich davon leſe, vor allem, wenn ein ruſſiſcher Kaiſer kommt
und ein Doppelpoſten vom Regiment Alexander vor ſeinem
Palais ſteht. Und noch mehr freu' ich mich, wenn das
Regiment Deputationen ſchickt: Georgsfeſt, Namenstag des
hohen Chefs, oder wenn ſich's auch bloß um Uniformab¬
änderungen handelt, beiſpielsweiſe Klappkragen ſtatt Steh¬
kragen (dieſe verdammten Stehkragen) — und wie dann
der Kaiſer alle begrüßt und zur Tafel zieht und ſo bei
ſich denkt: ‚Ja, ja, das ſind brave Leute; da hab' ich
meinen Halt.‘“

Czako nickte, war aber doch in ſichtlicher Verlegenheit,
weil er, trotz ſeiner vorher verſicherten „Sympathien“, ein
ganz moderner, politiſch ſtark angekränkelter Menſch war,
der, bei ſtrammſter Dienſtlichkeit, zu all dergleichen Über¬
ſpanntheiten ziemlich kritiſch ſtand. Der alte Dubslav
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[51/0058] wenigen. Es wäre das beſte, wenn ein einziger Alter- Fritzen-Verſtand die ganze Geſchichte regulieren könnte. Freilich braucht ein ſolcher oberſter Wille auch ſeine Werk¬ zeuge. Die haben wir aber noch in unſerm Adel, in unſrer Armee und ſpeziell auch in Ihrem Regiment.“ Während der Alte dieſen Trumpf ausſpielte, kam Engelke, um ein paar neue Taſſen zu präſentieren. „Nein, nein, Engelke, wir ſind ſchon weiter. Aber ſtell nur hin. ... In Ihrem Regiment, ſag' ich, Herr von Czako; ſchon ſein Name bedeutet ein Programm, und dies Programm heißt: Rußland. Heutzutage darf man freilich kaum noch davon reden. Aber das iſt Unſinn. Ich ſage Ihnen, Hauptmann, das waren Preußens beſte Tage, als da bei Potsdam herum die ‚ruſſiſche Kirche‘ und das ‚ruſſiſche Haus‘ gebaut wurden, und als es immer hin und her ging zwiſchen Berlin und Petersburg. Ihr Regiment, Gott ſei Dank, unterhält noch was von den alten Beziehungen, und ich freue mich immer, wenn ich davon leſe, vor allem, wenn ein ruſſiſcher Kaiſer kommt und ein Doppelpoſten vom Regiment Alexander vor ſeinem Palais ſteht. Und noch mehr freu' ich mich, wenn das Regiment Deputationen ſchickt: Georgsfeſt, Namenstag des hohen Chefs, oder wenn ſich's auch bloß um Uniformab¬ änderungen handelt, beiſpielsweiſe Klappkragen ſtatt Steh¬ kragen (dieſe verdammten Stehkragen) — und wie dann der Kaiſer alle begrüßt und zur Tafel zieht und ſo bei ſich denkt: ‚Ja, ja, das ſind brave Leute; da hab' ich meinen Halt.‘“ Czako nickte, war aber doch in ſichtlicher Verlegenheit, weil er, trotz ſeiner vorher verſicherten „Sympathien“, ein ganz moderner, politiſch ſtark angekränkelter Menſch war, der, bei ſtrammſter Dienſtlichkeit, zu all dergleichen Über¬ ſpanntheiten ziemlich kritiſch ſtand. Der alte Dubslav nahm indeſſen von alledem nichts wahr und fuhr fort: „Und ſehen Sie, lieber Hauptmann, ſo hab' ich's per¬ 4*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/58>, abgerufen am 22.11.2024.