Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite
Einundvierzigstes Kapitel.

Dubslav hatte sich über Krippenstapels Besuch und
sein Geschenk aufrichtig gefreut, weil es ja das Beste
war, was ihm die alte treue Seele bringen konnte.
Er bestand denn auch darauf (trotzdem Engelke, der ein
Vorurteil gegen alles Süße hatte, dagegen war), daß
ihm die Wabe jeden Morgen auf den Frühstückstisch
gestellt werde.

"Siehst du, Engelke," sagte er nach einer Woche,
"daß ich mich wieder wohler fühle, das macht die Wabe.
Denn man muß jedes Fisselchen mitessen, Wachs und
alles, das hat er mir eigens gesagt. Das is grad' so
wie beim Apfel die Schale; das hat die Natur so ge¬
wollt und is ein Fingerzeig und muß respektiert werden."

"Ich bin aber doch für abschälen," sagte Engelke.
"Wenn man so sieht, was mitunter alles dran ist ..."

"Ja, Engelke, ich weiß nicht, du bist jetzt so fein
geworden. Aber ich bin noch ganz altmodisch. Und
dann glaub' ich nebenher wirklich, daß in dem Wachs
die richtige ,gesamte Heilkraft der Natur' steckt, fast noch
mehr als in dem Honig. Krippenstapel übrigens is jetzt
auch so furchtbar gebildet und hat so viele feine Wendungen,
wie zum Beispiel die mit der ,gesamten Heilkraft'. Aber
so fein wie du is er doch noch lange nicht, darauf will
ich mich verschwören. Und auch darauf, daß er sich keine
Birne schält."

Einundvierzigſtes Kapitel.

Dubslav hatte ſich über Krippenſtapels Beſuch und
ſein Geſchenk aufrichtig gefreut, weil es ja das Beſte
war, was ihm die alte treue Seele bringen konnte.
Er beſtand denn auch darauf (trotzdem Engelke, der ein
Vorurteil gegen alles Süße hatte, dagegen war), daß
ihm die Wabe jeden Morgen auf den Frühſtückstiſch
geſtellt werde.

„Siehſt du, Engelke,“ ſagte er nach einer Woche,
„daß ich mich wieder wohler fühle, das macht die Wabe.
Denn man muß jedes Fiſſelchen miteſſen, Wachs und
alles, das hat er mir eigens geſagt. Das is grad' ſo
wie beim Apfel die Schale; das hat die Natur ſo ge¬
wollt und is ein Fingerzeig und muß reſpektiert werden.“

„Ich bin aber doch für abſchälen,“ ſagte Engelke.
„Wenn man ſo ſieht, was mitunter alles dran iſt ...“

„Ja, Engelke, ich weiß nicht, du biſt jetzt ſo fein
geworden. Aber ich bin noch ganz altmodiſch. Und
dann glaub' ich nebenher wirklich, daß in dem Wachs
die richtige ‚geſamte Heilkraft der Natur‘ ſteckt, faſt noch
mehr als in dem Honig. Krippenſtapel übrigens is jetzt
auch ſo furchtbar gebildet und hat ſo viele feine Wendungen,
wie zum Beiſpiel die mit der ‚geſamten Heilkraft‘. Aber
ſo fein wie du is er doch noch lange nicht, darauf will
ich mich verſchwören. Und auch darauf, daß er ſich keine
Birne ſchält.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0487" n="[480]"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b #g">Einundvierzig&#x017F;tes Kapitel</hi>.<lb/></head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Dubslav hatte &#x017F;ich über Krippen&#x017F;tapels Be&#x017F;uch und<lb/>
&#x017F;ein Ge&#x017F;chenk aufrichtig gefreut, weil es ja das Be&#x017F;te<lb/>
war, was ihm die alte treue Seele bringen konnte.<lb/>
Er be&#x017F;tand denn auch darauf (trotzdem Engelke, der ein<lb/>
Vorurteil gegen alles Süße hatte, dagegen war), daß<lb/>
ihm die Wabe jeden Morgen auf den Früh&#x017F;tücksti&#x017F;ch<lb/>
ge&#x017F;tellt werde.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sieh&#x017F;t du, Engelke,&#x201C; &#x017F;agte er nach einer Woche,<lb/>
&#x201E;daß ich mich wieder wohler fühle, das macht die Wabe.<lb/>
Denn man muß jedes Fi&#x017F;&#x017F;elchen mite&#x017F;&#x017F;en, Wachs und<lb/>
alles, das hat er mir eigens ge&#x017F;agt. Das is grad' &#x017F;o<lb/>
wie beim Apfel die Schale; das hat die Natur &#x017F;o ge¬<lb/>
wollt und is ein Fingerzeig und muß re&#x017F;pektiert werden.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich bin aber doch für ab&#x017F;chälen,&#x201C; &#x017F;agte Engelke.<lb/>
&#x201E;Wenn man &#x017F;o &#x017F;ieht, was mitunter alles dran i&#x017F;t ...&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ja, Engelke, ich weiß nicht, du bi&#x017F;t jetzt &#x017F;o fein<lb/>
geworden. Aber ich bin noch ganz altmodi&#x017F;ch. Und<lb/>
dann glaub' ich nebenher wirklich, daß in dem Wachs<lb/>
die richtige &#x201A;ge&#x017F;amte Heilkraft der Natur&#x2018; &#x017F;teckt, fa&#x017F;t noch<lb/>
mehr als in dem Honig. Krippen&#x017F;tapel übrigens is jetzt<lb/>
auch &#x017F;o furchtbar gebildet und hat &#x017F;o viele feine Wendungen,<lb/>
wie zum Bei&#x017F;piel die mit der &#x201A;ge&#x017F;amten Heilkraft&#x2018;. Aber<lb/>
&#x017F;o fein wie du is er doch noch lange nicht, darauf will<lb/>
ich mich ver&#x017F;chwören. Und auch darauf, daß er &#x017F;ich keine<lb/>
Birne &#x017F;chält.&#x201C;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[480]/0487] Einundvierzigſtes Kapitel. Dubslav hatte ſich über Krippenſtapels Beſuch und ſein Geſchenk aufrichtig gefreut, weil es ja das Beſte war, was ihm die alte treue Seele bringen konnte. Er beſtand denn auch darauf (trotzdem Engelke, der ein Vorurteil gegen alles Süße hatte, dagegen war), daß ihm die Wabe jeden Morgen auf den Frühſtückstiſch geſtellt werde. „Siehſt du, Engelke,“ ſagte er nach einer Woche, „daß ich mich wieder wohler fühle, das macht die Wabe. Denn man muß jedes Fiſſelchen miteſſen, Wachs und alles, das hat er mir eigens geſagt. Das is grad' ſo wie beim Apfel die Schale; das hat die Natur ſo ge¬ wollt und is ein Fingerzeig und muß reſpektiert werden.“ „Ich bin aber doch für abſchälen,“ ſagte Engelke. „Wenn man ſo ſieht, was mitunter alles dran iſt ...“ „Ja, Engelke, ich weiß nicht, du biſt jetzt ſo fein geworden. Aber ich bin noch ganz altmodiſch. Und dann glaub' ich nebenher wirklich, daß in dem Wachs die richtige ‚geſamte Heilkraft der Natur‘ ſteckt, faſt noch mehr als in dem Honig. Krippenſtapel übrigens is jetzt auch ſo furchtbar gebildet und hat ſo viele feine Wendungen, wie zum Beiſpiel die mit der ‚geſamten Heilkraft‘. Aber ſo fein wie du is er doch noch lange nicht, darauf will ich mich verſchwören. Und auch darauf, daß er ſich keine Birne ſchält.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/487
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [480]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/487>, abgerufen am 19.11.2024.