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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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schon wieder von vorn an; es ist mit allen vier Bänden,
so dick sie sind, schon zweimal durch; ich sehe, wir
müssen uns was Neues ausbaldowern. Das is nämlich
ein Wort aus der Diebssprache; so weit sind wir nu
schon. Übrigens ist mir was Gutes eingefallen: hol
ihr eine von unsern Wetterfahnen herunter. Die stehn
ja da bloß so 'rum, un wenn ich tot bin und alles
abgeschätzt wird -- was sie ,ordnen' nennen --, dann
kommt Kupperschmied Reuter aus Gransee und taxiert
es auf fünfundsiebzig Pfennig."

"Aber, gnäd'ger Herr, uns' Woldemar ..."

"Nu ja, Woldemar. Woldemar ist gut, natürlich,
und die Comtesse, seine junge Frau, is auch gut. Alles
is gut, und ich hab' es auch nicht so schlimm gemeint;
man red't bloß so. Nur so viel is richtig: meine
Sammlung oben is für Spinnweb und weiter nichts. Alles
Sammeln ist überhaupt verrückt, und wenn Woldemar
sich nich mehr drum kümmert, so is es eigentlich bloß
Wiederherstellung von Sinn und Verstand. Jeder hat
seinen Sparren, und ich habe meinen gehabt. Bring
aber nich gleich alles 'runter. Nur die Mühle bring
und den Dragoner."

Engelke gehorchte.

Den ersten Tag, wie sich denken läßt, war Agnes
ganz für den Dragoner, der, als man ihn vor Jahr
und Tag von seinem Zelliner Kirchturm heruntergeholt
hatte, frisch aufgepinselt worden war: schwarzer Hut,
blauer Rock, gelbe Hosen. Aber sehr bald hatte sich
das Kind an der Buntheit des Dragoners sattgesehen,
und nun kam statt seiner die Mühle an die Reihe.
Die hielt länger vor. Meistens, -- wenn sie nur über¬
haupt erst im Gange war, -- brauchte das Kind bloß
zu pusten, um die Mühlflügel in ziemlich rascher Be¬
wegung zu halten, und der schnarrende Ton der etwas
eingerosteten Drehvorrichtung war dann jedesmal eine

ſchon wieder von vorn an; es iſt mit allen vier Bänden,
ſo dick ſie ſind, ſchon zweimal durch; ich ſehe, wir
müſſen uns was Neues ausbaldowern. Das is nämlich
ein Wort aus der Diebsſprache; ſo weit ſind wir nu
ſchon. Übrigens iſt mir was Gutes eingefallen: hol
ihr eine von unſern Wetterfahnen herunter. Die ſtehn
ja da bloß ſo 'rum, un wenn ich tot bin und alles
abgeſchätzt wird — was ſie ‚ordnen‘ nennen —, dann
kommt Kupperſchmied Reuter aus Granſee und taxiert
es auf fünfundſiebzig Pfennig.“

„Aber, gnäd'ger Herr, unſ' Woldemar ...“

„Nu ja, Woldemar. Woldemar iſt gut, natürlich,
und die Comteſſe, ſeine junge Frau, is auch gut. Alles
is gut, und ich hab' es auch nicht ſo ſchlimm gemeint;
man red't bloß ſo. Nur ſo viel is richtig: meine
Sammlung oben is für Spinnweb und weiter nichts. Alles
Sammeln iſt überhaupt verrückt, und wenn Woldemar
ſich nich mehr drum kümmert, ſo is es eigentlich bloß
Wiederherſtellung von Sinn und Verſtand. Jeder hat
ſeinen Sparren, und ich habe meinen gehabt. Bring
aber nich gleich alles 'runter. Nur die Mühle bring
und den Dragoner.“

Engelke gehorchte.

Den erſten Tag, wie ſich denken läßt, war Agnes
ganz für den Dragoner, der, als man ihn vor Jahr
und Tag von ſeinem Zelliner Kirchturm heruntergeholt
hatte, friſch aufgepinſelt worden war: ſchwarzer Hut,
blauer Rock, gelbe Hoſen. Aber ſehr bald hatte ſich
das Kind an der Buntheit des Dragoners ſattgeſehen,
und nun kam ſtatt ſeiner die Mühle an die Reihe.
Die hielt länger vor. Meiſtens, — wenn ſie nur über¬
haupt erſt im Gange war, — brauchte das Kind bloß
zu puſten, um die Mühlflügel in ziemlich raſcher Be¬
wegung zu halten, und der ſchnarrende Ton der etwas
eingeroſteten Drehvorrichtung war dann jedesmal eine

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[475/0482] ſchon wieder von vorn an; es iſt mit allen vier Bänden, ſo dick ſie ſind, ſchon zweimal durch; ich ſehe, wir müſſen uns was Neues ausbaldowern. Das is nämlich ein Wort aus der Diebsſprache; ſo weit ſind wir nu ſchon. Übrigens iſt mir was Gutes eingefallen: hol ihr eine von unſern Wetterfahnen herunter. Die ſtehn ja da bloß ſo 'rum, un wenn ich tot bin und alles abgeſchätzt wird — was ſie ‚ordnen‘ nennen —, dann kommt Kupperſchmied Reuter aus Granſee und taxiert es auf fünfundſiebzig Pfennig.“ „Aber, gnäd'ger Herr, unſ' Woldemar ...“ „Nu ja, Woldemar. Woldemar iſt gut, natürlich, und die Comteſſe, ſeine junge Frau, is auch gut. Alles is gut, und ich hab' es auch nicht ſo ſchlimm gemeint; man red't bloß ſo. Nur ſo viel is richtig: meine Sammlung oben is für Spinnweb und weiter nichts. Alles Sammeln iſt überhaupt verrückt, und wenn Woldemar ſich nich mehr drum kümmert, ſo is es eigentlich bloß Wiederherſtellung von Sinn und Verſtand. Jeder hat ſeinen Sparren, und ich habe meinen gehabt. Bring aber nich gleich alles 'runter. Nur die Mühle bring und den Dragoner.“ Engelke gehorchte. Den erſten Tag, wie ſich denken läßt, war Agnes ganz für den Dragoner, der, als man ihn vor Jahr und Tag von ſeinem Zelliner Kirchturm heruntergeholt hatte, friſch aufgepinſelt worden war: ſchwarzer Hut, blauer Rock, gelbe Hoſen. Aber ſehr bald hatte ſich das Kind an der Buntheit des Dragoners ſattgeſehen, und nun kam ſtatt ſeiner die Mühle an die Reihe. Die hielt länger vor. Meiſtens, — wenn ſie nur über¬ haupt erſt im Gange war, — brauchte das Kind bloß zu puſten, um die Mühlflügel in ziemlich raſcher Be¬ wegung zu halten, und der ſchnarrende Ton der etwas eingeroſteten Drehvorrichtung war dann jedesmal eine

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/482>, abgerufen am 25.11.2024.