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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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kommt, ohne weiteres im Stich. Es soll jetzt viele
solche geben, denen ihr Humor und ihre Rechthaberei
viel wichtiger ist als Gläubigkeit und Apostolikum.
Denn sie sind sich selber ihr Glaubensbekenntnis. Aber,
glaube mir, dahinter steckt der Versucher, und wohin
der am Ende führt, das weißt du, -- so viel wird dir
ja wohl noch geblieben sein."

"Ich hoffe," sagte Dubslav.

"Und weil du bist wie du bist, freust du dich, daß
diese Zierpuppe (schon ganz wie die Karline) rote Strümpfe
trägt und sich neue dazu strickt. Ich aber wiederhole
dir, diese roten Strümpfe, die sind ein Zeichen, eine hoch¬
gehaltene Fahne."

"Strümpfe werden nicht hochgehalten."

"Noch nicht, aber das kann auch noch kommen.
Und das ist dann die richtige Revolution, die Revolution
in der Sitte, -- das, was sie jetzt das "Letzte" nennen.
Und ich begreife dich nicht, daß du davon kein Einsehn
hast, du, ein Mann von Familie, von Zugehörigkeit
zu Thron und Reich. Oder der sich's wenigstens ein¬
bildet."

"Nun gut, nun gut."

"Und da reist du herum, wenn sie den Torgelow
oder den Katzenstein wählen wollen, und hältst deine
Reden, wiewohl du eigentlich nicht reden kannst ..."

"Das is richtig. Aber ich hab' auch keine ge¬
halten ..."

"Und hältst deine Reden für König und Vaterland
und für die alten Güter und sprichst gegen die Freiheit.
Ich versteh' dich nicht mit deinem ewigen "gegen die
Freiheit". Laß sie doch mit ihrer ganzen dummen Frei¬
heit machen, was sie wollen. Was heißt Freiheit?
Freiheit ist gar nichts; Freiheit ist, wenn sie sich ver¬
sammeln und Bier trinken und ein Blatt gründen. Du
hast bei den Kürassieren gestanden und mußt doch wissen,

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kommt, ohne weiteres im Stich. Es ſoll jetzt viele
ſolche geben, denen ihr Humor und ihre Rechthaberei
viel wichtiger iſt als Gläubigkeit und Apoſtolikum.
Denn ſie ſind ſich ſelber ihr Glaubensbekenntnis. Aber,
glaube mir, dahinter ſteckt der Verſucher, und wohin
der am Ende führt, das weißt du, — ſo viel wird dir
ja wohl noch geblieben ſein.“

„Ich hoffe,“ ſagte Dubslav.

„Und weil du biſt wie du biſt, freuſt du dich, daß
dieſe Zierpuppe (ſchon ganz wie die Karline) rote Strümpfe
trägt und ſich neue dazu ſtrickt. Ich aber wiederhole
dir, dieſe roten Strümpfe, die ſind ein Zeichen, eine hoch¬
gehaltene Fahne.“

„Strümpfe werden nicht hochgehalten.“

„Noch nicht, aber das kann auch noch kommen.
Und das iſt dann die richtige Revolution, die Revolution
in der Sitte, — das, was ſie jetzt das „Letzte“ nennen.
Und ich begreife dich nicht, daß du davon kein Einſehn
haſt, du, ein Mann von Familie, von Zugehörigkeit
zu Thron und Reich. Oder der ſich's wenigſtens ein¬
bildet.“

„Nun gut, nun gut.“

„Und da reiſt du herum, wenn ſie den Torgelow
oder den Katzenſtein wählen wollen, und hältſt deine
Reden, wiewohl du eigentlich nicht reden kannſt ...“

„Das is richtig. Aber ich hab' auch keine ge¬
halten ...“

„Und hältſt deine Reden für König und Vaterland
und für die alten Güter und ſprichſt gegen die Freiheit.
Ich verſteh' dich nicht mit deinem ewigen „gegen die
Freiheit“. Laß ſie doch mit ihrer ganzen dummen Frei¬
heit machen, was ſie wollen. Was heißt Freiheit?
Freiheit iſt gar nichts; Freiheit iſt, wenn ſie ſich ver¬
ſammeln und Bier trinken und ein Blatt gründen. Du
haſt bei den Küraſſieren geſtanden und mußt doch wiſſen,

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[467/0474] kommt, ohne weiteres im Stich. Es ſoll jetzt viele ſolche geben, denen ihr Humor und ihre Rechthaberei viel wichtiger iſt als Gläubigkeit und Apoſtolikum. Denn ſie ſind ſich ſelber ihr Glaubensbekenntnis. Aber, glaube mir, dahinter ſteckt der Verſucher, und wohin der am Ende führt, das weißt du, — ſo viel wird dir ja wohl noch geblieben ſein.“ „Ich hoffe,“ ſagte Dubslav. „Und weil du biſt wie du biſt, freuſt du dich, daß dieſe Zierpuppe (ſchon ganz wie die Karline) rote Strümpfe trägt und ſich neue dazu ſtrickt. Ich aber wiederhole dir, dieſe roten Strümpfe, die ſind ein Zeichen, eine hoch¬ gehaltene Fahne.“ „Strümpfe werden nicht hochgehalten.“ „Noch nicht, aber das kann auch noch kommen. Und das iſt dann die richtige Revolution, die Revolution in der Sitte, — das, was ſie jetzt das „Letzte“ nennen. Und ich begreife dich nicht, daß du davon kein Einſehn haſt, du, ein Mann von Familie, von Zugehörigkeit zu Thron und Reich. Oder der ſich's wenigſtens ein¬ bildet.“ „Nun gut, nun gut.“ „Und da reiſt du herum, wenn ſie den Torgelow oder den Katzenſtein wählen wollen, und hältſt deine Reden, wiewohl du eigentlich nicht reden kannſt ...“ „Das is richtig. Aber ich hab' auch keine ge¬ halten ...“ „Und hältſt deine Reden für König und Vaterland und für die alten Güter und ſprichſt gegen die Freiheit. Ich verſteh' dich nicht mit deinem ewigen „gegen die Freiheit“. Laß ſie doch mit ihrer ganzen dummen Frei¬ heit machen, was ſie wollen. Was heißt Freiheit? Freiheit iſt gar nichts; Freiheit iſt, wenn ſie ſich ver¬ ſammeln und Bier trinken und ein Blatt gründen. Du haſt bei den Küraſſieren geſtanden und mußt doch wiſſen, 30*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/474>, abgerufen am 22.11.2024.