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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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du persönlich deine Schwester so was wissen läßt oder
einen Boten schickst ..."

"Da muß ich schon tot sein," ergänzte der alte
Stechlin und lachte. "Nun, laß es gut sein, Adelheid,
mach dir's bequem und rücke den Stuhl da heran."

"Den Stuhl da? Aber, Dubslav, was du dir
nur denkst! Das ist ja ein Großvaterstuhl oder doch
beinah'." Und dabei nahm sie statt dessen einen kleinen,
leichten Rohrsessel und ließ sich drauf nieder. "Ich
komme doch nicht zu dir, um mich hier in einen großen
Polsterstuhl mit Backen zu setzen. Ich will meinen lieben
Kranken pflegen, aber ich will nicht selber eine Kranke
sein. Wenn es so mit mir stünde, wär' ich zu Hause
geblieben. Du rechnest immer, daß ich zehn Jahre älter
bin als du. Nun ja, ich bin zehn Jahre älter. Aber
was sind die Jahre? Die Wutzer Luft ist gesund, und
wenn ich die Grabsteine bei uns lese, unter achtzig ist
da beinah' keine von uns abgegangen. Du wirst erst
siebenundsechzig. Aber ich glaube, du hast dein Leben
nicht richtig angelegt, ich meine deine Jugend, als du
noch in Brandenburg warst. Und von Brandenburg
immer 'rüber nach Berlin. Na, das kennt man. Ich
habe neulich was Statistisches gelesen."

"Damen dürfen nie Statistisches lesen," sagte Dubs¬
lav, "es ist entweder zu langweilig oder zu interessant,
-- und das ist dann noch schlimmer. Aber nun klingle
(verzeih, mir wird das Aufstehn so schwer), daß uns
Engelke das Frühstück bringt; du kommst a la fortune
du pot
und mußt fürlieb nehmen. Mein Trost ist, daß
du drei Stunden unterwegs gewesen. Hunger ist der
beste Koch."

Beim Frühstück, das bald danach aufgetragen wurde
-- die Jahreszeit gestattete, daß auch eine Schale mit
Kiebitzeiern aufgesetzt werden konnte -- verbesserte sich

du perſönlich deine Schweſter ſo was wiſſen läßt oder
einen Boten ſchickſt ...“

„Da muß ich ſchon tot ſein,“ ergänzte der alte
Stechlin und lachte. „Nun, laß es gut ſein, Adelheid,
mach dir's bequem und rücke den Stuhl da heran.“

„Den Stuhl da? Aber, Dubslav, was du dir
nur denkſt! Das iſt ja ein Großvaterſtuhl oder doch
beinah'.“ Und dabei nahm ſie ſtatt deſſen einen kleinen,
leichten Rohrſeſſel und ließ ſich drauf nieder. „Ich
komme doch nicht zu dir, um mich hier in einen großen
Polſterſtuhl mit Backen zu ſetzen. Ich will meinen lieben
Kranken pflegen, aber ich will nicht ſelber eine Kranke
ſein. Wenn es ſo mit mir ſtünde, wär' ich zu Hauſe
geblieben. Du rechneſt immer, daß ich zehn Jahre älter
bin als du. Nun ja, ich bin zehn Jahre älter. Aber
was ſind die Jahre? Die Wutzer Luft iſt geſund, und
wenn ich die Grabſteine bei uns leſe, unter achtzig iſt
da beinah' keine von uns abgegangen. Du wirſt erſt
ſiebenundſechzig. Aber ich glaube, du haſt dein Leben
nicht richtig angelegt, ich meine deine Jugend, als du
noch in Brandenburg warſt. Und von Brandenburg
immer 'rüber nach Berlin. Na, das kennt man. Ich
habe neulich was Statiſtiſches geleſen.“

„Damen dürfen nie Statiſtiſches leſen,“ ſagte Dubs¬
lav, „es iſt entweder zu langweilig oder zu intereſſant,
— und das iſt dann noch ſchlimmer. Aber nun klingle
(verzeih, mir wird das Aufſtehn ſo ſchwer), daß uns
Engelke das Frühſtück bringt; du kommſt à la fortune
du pot
und mußt fürlieb nehmen. Mein Troſt iſt, daß
du drei Stunden unterwegs geweſen. Hunger iſt der
beſte Koch.“

Beim Frühſtück, das bald danach aufgetragen wurde
— die Jahreszeit geſtattete, daß auch eine Schale mit
Kiebitzeiern aufgeſetzt werden konnte — verbeſſerte ſich

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[458/0465] du perſönlich deine Schweſter ſo was wiſſen läßt oder einen Boten ſchickſt ...“ „Da muß ich ſchon tot ſein,“ ergänzte der alte Stechlin und lachte. „Nun, laß es gut ſein, Adelheid, mach dir's bequem und rücke den Stuhl da heran.“ „Den Stuhl da? Aber, Dubslav, was du dir nur denkſt! Das iſt ja ein Großvaterſtuhl oder doch beinah'.“ Und dabei nahm ſie ſtatt deſſen einen kleinen, leichten Rohrſeſſel und ließ ſich drauf nieder. „Ich komme doch nicht zu dir, um mich hier in einen großen Polſterſtuhl mit Backen zu ſetzen. Ich will meinen lieben Kranken pflegen, aber ich will nicht ſelber eine Kranke ſein. Wenn es ſo mit mir ſtünde, wär' ich zu Hauſe geblieben. Du rechneſt immer, daß ich zehn Jahre älter bin als du. Nun ja, ich bin zehn Jahre älter. Aber was ſind die Jahre? Die Wutzer Luft iſt geſund, und wenn ich die Grabſteine bei uns leſe, unter achtzig iſt da beinah' keine von uns abgegangen. Du wirſt erſt ſiebenundſechzig. Aber ich glaube, du haſt dein Leben nicht richtig angelegt, ich meine deine Jugend, als du noch in Brandenburg warſt. Und von Brandenburg immer 'rüber nach Berlin. Na, das kennt man. Ich habe neulich was Statiſtiſches geleſen.“ „Damen dürfen nie Statiſtiſches leſen,“ ſagte Dubs¬ lav, „es iſt entweder zu langweilig oder zu intereſſant, — und das iſt dann noch ſchlimmer. Aber nun klingle (verzeih, mir wird das Aufſtehn ſo ſchwer), daß uns Engelke das Frühſtück bringt; du kommſt à la fortune du pot und mußt fürlieb nehmen. Mein Troſt iſt, daß du drei Stunden unterwegs geweſen. Hunger iſt der beſte Koch.“ Beim Frühſtück, das bald danach aufgetragen wurde — die Jahreszeit geſtattete, daß auch eine Schale mit Kiebitzeiern aufgeſetzt werden konnte — verbeſſerte ſich

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/465>, abgerufen am 22.11.2024.