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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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gerade solchen Häusern hab' ich meine beste Zeit verbracht,
als ich noch ein Quack war, höchstens vierzehn. Und
so grausam wild. Damals waren nämlich noch die
Rinnsteine, und wenn es dann regnete und alles über¬
schwemmt war und die Bretter anfingen, sich zu heben,
und schon so halb herumschwammen, und die Ratten,
die da drunter steckten, nicht mehr wußten, wo sie hin
sollten, dann sprangen wir auf die Bohlen rauf, und
nun die Biester 'raus, links und rechts, und die Jungens
hinterher, immer aufgekrempelt und ganz nackigt. Und
einmal, weil der eine Junge nicht abließ und mit seinen
Holzpantinen immer drauf losschlug, da wurde das Un¬
tier falsch und biß den Jungen so, daß er schrie! Nein,
so hab' ich noch keinen Menschen wieder schreien hören.
Und es war auch fürchterlich."

"Ja, das ist es. Und da helfen bloß Rattenfänger."

"Ja, Rattenfänger, davon hab' ich auch gehört
-- Rattenfänger von Hameln. Aber die giebt es doch
nicht mehr."

"Nein, gnädige Frau, die giebt es nicht mehr,
wenigstens nicht mehr solche Hexenmeister mit Zauber¬
spruch und einer Pfeife zum pfeifen. Aber die meine
ich auch gar nicht. Ich meine überhaupt nicht Menschen,
die dergleichen als Metier betreiben und sich in den Zeitungen
anzeigen, unheimliche Gesichter mit einer Pelzkappe. Was
ich meine, sind bloß Pinscher, die nebenher auch noch
,Rattenfänger' heißen und es auch wirklich sind. Und
mit einem solchen Rattenfänger auf die Jagd gehen, das
ist eigentlich das Schönste, was es giebt."

"Aber mit einem Pinscher kann man doch nicht
auf die Jagd gehen!"

"Doch, doch, meine gnädigste Frau. Als ich in
Paris war (ich war da nämlich mal hinkommandiert),
da bin ich mit 'runtergestiegen in die sogenannten Kata¬
komben, hochgewölbte Kanäle, die sich unter der Erde

gerade ſolchen Häuſern hab' ich meine beſte Zeit verbracht,
als ich noch ein Quack war, höchſtens vierzehn. Und
ſo grauſam wild. Damals waren nämlich noch die
Rinnſteine, und wenn es dann regnete und alles über¬
ſchwemmt war und die Bretter anfingen, ſich zu heben,
und ſchon ſo halb herumſchwammen, und die Ratten,
die da drunter ſteckten, nicht mehr wußten, wo ſie hin
ſollten, dann ſprangen wir auf die Bohlen rauf, und
nun die Bieſter 'raus, links und rechts, und die Jungens
hinterher, immer aufgekrempelt und ganz nackigt. Und
einmal, weil der eine Junge nicht abließ und mit ſeinen
Holzpantinen immer drauf losſchlug, da wurde das Un¬
tier falſch und biß den Jungen ſo, daß er ſchrie! Nein,
ſo hab' ich noch keinen Menſchen wieder ſchreien hören.
Und es war auch fürchterlich.“

„Ja, das iſt es. Und da helfen bloß Rattenfänger.“

„Ja, Rattenfänger, davon hab' ich auch gehört
— Rattenfänger von Hameln. Aber die giebt es doch
nicht mehr.“

„Nein, gnädige Frau, die giebt es nicht mehr,
wenigſtens nicht mehr ſolche Hexenmeiſter mit Zauber¬
ſpruch und einer Pfeife zum pfeifen. Aber die meine
ich auch gar nicht. Ich meine überhaupt nicht Menſchen,
die dergleichen als Metier betreiben und ſich in den Zeitungen
anzeigen, unheimliche Geſichter mit einer Pelzkappe. Was
ich meine, ſind bloß Pinſcher, die nebenher auch noch
‚Rattenfänger‘ heißen und es auch wirklich ſind. Und
mit einem ſolchen Rattenfänger auf die Jagd gehen, das
iſt eigentlich das Schönſte, was es giebt.“

„Aber mit einem Pinſcher kann man doch nicht
auf die Jagd gehen!“

„Doch, doch, meine gnädigſte Frau. Als ich in
Paris war (ich war da nämlich mal hinkommandiert),
da bin ich mit 'runtergeſtiegen in die ſogenannten Kata¬
komben, hochgewölbte Kanäle, die ſich unter der Erde

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[39/0046] gerade ſolchen Häuſern hab' ich meine beſte Zeit verbracht, als ich noch ein Quack war, höchſtens vierzehn. Und ſo grauſam wild. Damals waren nämlich noch die Rinnſteine, und wenn es dann regnete und alles über¬ ſchwemmt war und die Bretter anfingen, ſich zu heben, und ſchon ſo halb herumſchwammen, und die Ratten, die da drunter ſteckten, nicht mehr wußten, wo ſie hin ſollten, dann ſprangen wir auf die Bohlen rauf, und nun die Bieſter 'raus, links und rechts, und die Jungens hinterher, immer aufgekrempelt und ganz nackigt. Und einmal, weil der eine Junge nicht abließ und mit ſeinen Holzpantinen immer drauf losſchlug, da wurde das Un¬ tier falſch und biß den Jungen ſo, daß er ſchrie! Nein, ſo hab' ich noch keinen Menſchen wieder ſchreien hören. Und es war auch fürchterlich.“ „Ja, das iſt es. Und da helfen bloß Rattenfänger.“ „Ja, Rattenfänger, davon hab' ich auch gehört — Rattenfänger von Hameln. Aber die giebt es doch nicht mehr.“ „Nein, gnädige Frau, die giebt es nicht mehr, wenigſtens nicht mehr ſolche Hexenmeiſter mit Zauber¬ ſpruch und einer Pfeife zum pfeifen. Aber die meine ich auch gar nicht. Ich meine überhaupt nicht Menſchen, die dergleichen als Metier betreiben und ſich in den Zeitungen anzeigen, unheimliche Geſichter mit einer Pelzkappe. Was ich meine, ſind bloß Pinſcher, die nebenher auch noch ‚Rattenfänger‘ heißen und es auch wirklich ſind. Und mit einem ſolchen Rattenfänger auf die Jagd gehen, das iſt eigentlich das Schönſte, was es giebt.“ „Aber mit einem Pinſcher kann man doch nicht auf die Jagd gehen!“ „Doch, doch, meine gnädigſte Frau. Als ich in Paris war (ich war da nämlich mal hinkommandiert), da bin ich mit 'runtergeſtiegen in die ſogenannten Kata¬ komben, hochgewölbte Kanäle, die ſich unter der Erde

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/46>, abgerufen am 21.11.2024.