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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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auch ein gehorsamer Kranker. Nun will ich aber bloß
noch wissen, was Ihr mir da in Euern Tüten schicken
wollt, in der weißen und in der blauen. Is doch kein
Geheimnis?"

"Nei, jnäd'ger Herr."

"Na also."

"In de witte Tüt' is Bärlapp un in de blue Tüt'
is, wat de Lüd' hier Katzenpoot nennen."

"Versteh', Versteh'," lächelte Dubslav, und dann
sprach er wie zu sich selbst: "Nu ja, nu ja, das kann
schon helfen. Dazwischen liegt eigentlich die ganze
Weltgeschichte. Mit Bärlapp zum Einstreuen fängt die
süße Gewohnheit des Daseins an und mit Katzenpfötchen
hört es auf. So verläuft es. Katzenpfötchen ... die
gelben Blumen, draus sie die letzten Kränze machen ...
Na, wir wollen sehn."


An demselben Abend kam Agnes und brachte die
beiden Tüten, und es geschah, was beinah' über alles
Erwarten hinaus lag: es wurde wirklich besser. Die
Geschwulst schwand, und Dubslav atmete leichter. "Dat
Woater nimmt dat Woater", an diesem Hexenspruch,
-- den er, wenn er mit Engelke plauderte, gern citierte,
-- richteten sich seine Hoffnungen und seine Lebensgeister
wieder auf. Er war auch wieder für Bewegung und
ließ, wenn es das Wetter irgendwie gestattete, seinen
Rollstuhl nicht bloß auf die Veranda hinausschieben,
sondern fuhr auch um das Rundell herum und sah dem
kleinen Springbrunnen zu, der wieder sprang. Ja, es
kam ihm vor, als ob er höher spränge. "Findest du
nich auch, Engelke? Vor vier Wochen wollt' er nich.
Aber es geht jetzt wieder. Alles geht wieder, und es
ist eigentlich dumm, ohne Hoffnung zu leben; wozu hat
man sie denn?"

auch ein gehorſamer Kranker. Nun will ich aber bloß
noch wiſſen, was Ihr mir da in Euern Tüten ſchicken
wollt, in der weißen und in der blauen. Is doch kein
Geheimnis?“

„Nei, jnäd'ger Herr.“

„Na alſo.“

„In de witte Tüt' is Bärlapp un in de blue Tüt'
is, wat de Lüd' hier Katzenpoot nennen.“

„Verſteh', Verſteh',“ lächelte Dubslav, und dann
ſprach er wie zu ſich ſelbſt: „Nu ja, nu ja, das kann
ſchon helfen. Dazwiſchen liegt eigentlich die ganze
Weltgeſchichte. Mit Bärlapp zum Einſtreuen fängt die
ſüße Gewohnheit des Daſeins an und mit Katzenpfötchen
hört es auf. So verläuft es. Katzenpfötchen ... die
gelben Blumen, draus ſie die letzten Kränze machen ...
Na, wir wollen ſehn.“


An demſelben Abend kam Agnes und brachte die
beiden Tüten, und es geſchah, was beinah' über alles
Erwarten hinaus lag: es wurde wirklich beſſer. Die
Geſchwulſt ſchwand, und Dubslav atmete leichter. „Dat
Woater nimmt dat Woater“, an dieſem Hexenſpruch,
— den er, wenn er mit Engelke plauderte, gern citierte,
— richteten ſich ſeine Hoffnungen und ſeine Lebensgeiſter
wieder auf. Er war auch wieder für Bewegung und
ließ, wenn es das Wetter irgendwie geſtattete, ſeinen
Rollſtuhl nicht bloß auf die Veranda hinausſchieben,
ſondern fuhr auch um das Rundell herum und ſah dem
kleinen Springbrunnen zu, der wieder ſprang. Ja, es
kam ihm vor, als ob er höher ſpränge. „Findeſt du
nich auch, Engelke? Vor vier Wochen wollt' er nich.
Aber es geht jetzt wieder. Alles geht wieder, und es
iſt eigentlich dumm, ohne Hoffnung zu leben; wozu hat
man ſie denn?“

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[445/0452] auch ein gehorſamer Kranker. Nun will ich aber bloß noch wiſſen, was Ihr mir da in Euern Tüten ſchicken wollt, in der weißen und in der blauen. Is doch kein Geheimnis?“ „Nei, jnäd'ger Herr.“ „Na alſo.“ „In de witte Tüt' is Bärlapp un in de blue Tüt' is, wat de Lüd' hier Katzenpoot nennen.“ „Verſteh', Verſteh',“ lächelte Dubslav, und dann ſprach er wie zu ſich ſelbſt: „Nu ja, nu ja, das kann ſchon helfen. Dazwiſchen liegt eigentlich die ganze Weltgeſchichte. Mit Bärlapp zum Einſtreuen fängt die ſüße Gewohnheit des Daſeins an und mit Katzenpfötchen hört es auf. So verläuft es. Katzenpfötchen ... die gelben Blumen, draus ſie die letzten Kränze machen ... Na, wir wollen ſehn.“ An demſelben Abend kam Agnes und brachte die beiden Tüten, und es geſchah, was beinah' über alles Erwarten hinaus lag: es wurde wirklich beſſer. Die Geſchwulſt ſchwand, und Dubslav atmete leichter. „Dat Woater nimmt dat Woater“, an dieſem Hexenſpruch, — den er, wenn er mit Engelke plauderte, gern citierte, — richteten ſich ſeine Hoffnungen und ſeine Lebensgeiſter wieder auf. Er war auch wieder für Bewegung und ließ, wenn es das Wetter irgendwie geſtattete, ſeinen Rollſtuhl nicht bloß auf die Veranda hinausſchieben, ſondern fuhr auch um das Rundell herum und ſah dem kleinen Springbrunnen zu, der wieder ſprang. Ja, es kam ihm vor, als ob er höher ſpränge. „Findeſt du nich auch, Engelke? Vor vier Wochen wollt' er nich. Aber es geht jetzt wieder. Alles geht wieder, und es iſt eigentlich dumm, ohne Hoffnung zu leben; wozu hat man ſie denn?“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/452>, abgerufen am 22.11.2024.