"Es ist, wie Sie sagen, Herr Hauptmann; ich habe Kinder, aber schon erwachsen, beinah alle, denn ich habe mich jung verheiratet. Ja, Herr von Czako, man ist auch einmal jung gewesen. Und es ist ein Glück, daß ich die Kinder habe. Sonst ist kein Mensch da, mit dem man ein gebildetes Gespräch führen kann. Mein Mann hat seine Politik und möchte sich wählen lassen, aber es wird nichts, und wenn ich die Journale bringe, nicht mal die Bilder sieht er sich an. Und die Geschichten, sagt er, seien bloß dummes Zeug und bloß Wasser auf die Mühlen der Sozialdemokratie. Seine Mühlen, was ich übrigens recht und billig finde, sind ihm lieber."
"Aber Sie müssen doch viele Menschen um sich herum haben, schon in Ihrer Wirtschaft."
"Ja die hab' ich, und die Mamsells die man so kriegt, ja ein paar Wochen geht es; aber dann bändeln sie gleich an, am liebsten mit 'nem Volontär, wir haben nämlich auch Volontärs in der Mühlenbranche. Und die meisten sind aus ganz gutem Hause. Die jungen Menschen passen aber nicht auf, und da hat man's denn, und immer gleich Knall und Fall. All das ist doch traurig, und mitunter ist es auch so, daß man sich geradezu genieren muß."
Czako seufzte. "Mir ein Greuel, all dergleichen. Aber ich weiß vom Manöver her, was alles vorkommt. Und mit einer Schläue .. nichts schlauer, als verliebte Menschen. Ach, das ist ein Kapitel, womit man nicht fertig wird. Aber Sie sagten Linienstraße, meine Gnädigste. Welche Nummer denn? Ich kenne da beinah jedes Haus, kleine, nette Häuser, immer bloß Bel-Etage, höchstens mal ein Oeil de Boeuf."
"Wie? was?"
"Großes rundes Fenster ohne Glas. Aber ich liebe diese Häuser."
"Ja, das kann ich auch von mir sagen, und in
„Es iſt, wie Sie ſagen, Herr Hauptmann; ich habe Kinder, aber ſchon erwachſen, beinah alle, denn ich habe mich jung verheiratet. Ja, Herr von Czako, man iſt auch einmal jung geweſen. Und es iſt ein Glück, daß ich die Kinder habe. Sonſt iſt kein Menſch da, mit dem man ein gebildetes Geſpräch führen kann. Mein Mann hat ſeine Politik und möchte ſich wählen laſſen, aber es wird nichts, und wenn ich die Journale bringe, nicht mal die Bilder ſieht er ſich an. Und die Geſchichten, ſagt er, ſeien bloß dummes Zeug und bloß Waſſer auf die Mühlen der Sozialdemokratie. Seine Mühlen, was ich übrigens recht und billig finde, ſind ihm lieber.“
„Aber Sie müſſen doch viele Menſchen um ſich herum haben, ſchon in Ihrer Wirtſchaft.“
„Ja die hab' ich, und die Mamſells die man ſo kriegt, ja ein paar Wochen geht es; aber dann bändeln ſie gleich an, am liebſten mit 'nem Volontär, wir haben nämlich auch Volontärs in der Mühlenbranche. Und die meiſten ſind aus ganz gutem Hauſe. Die jungen Menſchen paſſen aber nicht auf, und da hat man's denn, und immer gleich Knall und Fall. All das iſt doch traurig, und mitunter iſt es auch ſo, daß man ſich geradezu genieren muß.“
Czako ſeufzte. „Mir ein Greuel, all dergleichen. Aber ich weiß vom Manöver her, was alles vorkommt. Und mit einer Schläue .. nichts ſchlauer, als verliebte Menſchen. Ach, das iſt ein Kapitel, womit man nicht fertig wird. Aber Sie ſagten Linienſtraße, meine Gnädigſte. Welche Nummer denn? Ich kenne da beinah jedes Haus, kleine, nette Häuſer, immer bloß Bel-Etage, höchſtens mal ein Oeil de Boeuf.“
„Wie? was?“
„Großes rundes Fenſter ohne Glas. Aber ich liebe dieſe Häuſer.“
„Ja, das kann ich auch von mir ſagen, und in
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0045"n="38"/><p>„Es iſt, wie Sie ſagen, Herr Hauptmann; ich habe<lb/>
Kinder, aber ſchon erwachſen, beinah alle, denn ich habe<lb/>
mich jung verheiratet. Ja, Herr von Czako, man iſt<lb/>
auch einmal jung geweſen. Und es iſt ein Glück, daß<lb/>
ich die Kinder habe. Sonſt iſt kein Menſch da, mit<lb/>
dem man ein gebildetes Geſpräch führen kann. Mein<lb/>
Mann hat ſeine Politik und möchte ſich wählen laſſen,<lb/>
aber es wird nichts, und wenn ich die Journale bringe,<lb/>
nicht mal die Bilder ſieht er ſich an. Und die Geſchichten,<lb/>ſagt er, ſeien bloß dummes Zeug und bloß Waſſer auf<lb/>
die Mühlen der Sozialdemokratie. Seine Mühlen, was<lb/>
ich übrigens recht und billig finde, ſind ihm lieber.“</p><lb/><p>„Aber Sie müſſen doch viele Menſchen um ſich<lb/>
herum haben, ſchon in Ihrer Wirtſchaft.“</p><lb/><p>„Ja die hab' ich, und die Mamſells die man ſo<lb/>
kriegt, ja ein paar Wochen geht es; aber dann bändeln<lb/>ſie gleich an, am liebſten mit 'nem Volontär, wir haben<lb/>
nämlich auch Volontärs in der Mühlenbranche. Und<lb/>
die meiſten ſind aus ganz gutem Hauſe. Die jungen<lb/>
Menſchen paſſen aber nicht auf, und da hat man's denn,<lb/>
und immer gleich Knall und Fall. All das iſt doch<lb/>
traurig, und mitunter iſt es auch ſo, daß man ſich<lb/>
geradezu genieren muß.“</p><lb/><p>Czako ſeufzte. „Mir ein Greuel, all dergleichen.<lb/>
Aber ich weiß vom Manöver her, was alles vorkommt.<lb/>
Und mit einer Schläue .. nichts ſchlauer, als verliebte<lb/>
Menſchen. Ach, das iſt ein Kapitel, womit man nicht<lb/>
fertig wird. Aber Sie ſagten Linienſtraße, meine<lb/>
Gnädigſte. Welche Nummer denn? Ich kenne da beinah<lb/>
jedes Haus, kleine, nette Häuſer, immer bloß Bel-Etage,<lb/>
höchſtens mal ein Oeil de Boeuf.“</p><lb/><p>„Wie? was?“</p><lb/><p>„Großes rundes Fenſter ohne Glas. Aber ich liebe<lb/>
dieſe Häuſer.“</p><lb/><p>„Ja, das kann ich auch von mir ſagen, und in<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[38/0045]
„Es iſt, wie Sie ſagen, Herr Hauptmann; ich habe
Kinder, aber ſchon erwachſen, beinah alle, denn ich habe
mich jung verheiratet. Ja, Herr von Czako, man iſt
auch einmal jung geweſen. Und es iſt ein Glück, daß
ich die Kinder habe. Sonſt iſt kein Menſch da, mit
dem man ein gebildetes Geſpräch führen kann. Mein
Mann hat ſeine Politik und möchte ſich wählen laſſen,
aber es wird nichts, und wenn ich die Journale bringe,
nicht mal die Bilder ſieht er ſich an. Und die Geſchichten,
ſagt er, ſeien bloß dummes Zeug und bloß Waſſer auf
die Mühlen der Sozialdemokratie. Seine Mühlen, was
ich übrigens recht und billig finde, ſind ihm lieber.“
„Aber Sie müſſen doch viele Menſchen um ſich
herum haben, ſchon in Ihrer Wirtſchaft.“
„Ja die hab' ich, und die Mamſells die man ſo
kriegt, ja ein paar Wochen geht es; aber dann bändeln
ſie gleich an, am liebſten mit 'nem Volontär, wir haben
nämlich auch Volontärs in der Mühlenbranche. Und
die meiſten ſind aus ganz gutem Hauſe. Die jungen
Menſchen paſſen aber nicht auf, und da hat man's denn,
und immer gleich Knall und Fall. All das iſt doch
traurig, und mitunter iſt es auch ſo, daß man ſich
geradezu genieren muß.“
Czako ſeufzte. „Mir ein Greuel, all dergleichen.
Aber ich weiß vom Manöver her, was alles vorkommt.
Und mit einer Schläue .. nichts ſchlauer, als verliebte
Menſchen. Ach, das iſt ein Kapitel, womit man nicht
fertig wird. Aber Sie ſagten Linienſtraße, meine
Gnädigſte. Welche Nummer denn? Ich kenne da beinah
jedes Haus, kleine, nette Häuſer, immer bloß Bel-Etage,
höchſtens mal ein Oeil de Boeuf.“
„Wie? was?“
„Großes rundes Fenſter ohne Glas. Aber ich liebe
dieſe Häuſer.“
„Ja, das kann ich auch von mir ſagen, und in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/45>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.