Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

pfahl sich Sponholz und fuhr zu weiteren Abschieds¬
besuchen in die Grafschaft hinein.


Am zweitfolgenden Tage brachen die Sponholzschen
Eheleute von Gransee nach Pfäffers hin auf; die Frau,
sehr leidend, war schweigsam, er aber befand sich in
einem hochgradigen Reisefieber, was sich, als sie draußen
auf dem Bahnhof angelangt waren, in immer wach¬
sender Gesprächigkeit äußerte.

Mehrere Freunde (meist Logenbrüder) hatten ihn
bis hinaus begleitet. Sponholz kam hier sofort vom
Hundertsten aufs Tausendste. "Ja, unser guter Stech¬
lin, mit dem steht es so so ... Baruch hat ihn auch
gesehn und ihn einigermaßen verändert gefunden ...
Und Sie, Kirstein, Sie schreiben mir natürlich, wenn
der junge Burmeister eintritt; ich weiß, er will nicht
recht (bloß der Vater will) und soll sogar von ,Hokus¬
pokus' gesprochen haben. Aber dergleichen muß man
leicht nehmen. Unwissenheit, Verkennungen, über so
was sind wir weg; viel Feind', viel Ehr' ... Nur,
es noch einmal zu sagen, der Alte drüben in Stechlin
macht mir Sorge. Man muß aber hoffen; bei Gott kein
Ding unmöglich ist. Und zu Moscheles hab' ich Ver¬
trauen; ihn auskultieren zu sehn, ist ein wahres Ver¬
gnügen für 'nen Fachmann."

So klang, was Sponholz noch in letzter Minute
vom Coupefenster aus zum besten gab. Alles, am
meisten aber das über den alten Stechlin Gesagte, wurde
weitergetragen und drang bis auf die Dörfer hinaus,
so namentlich auch bis nach Quaden-Hennersdorf zu
Superintendent Koseleger, der seit kurzem mit Ermyn¬
trud einen lebhaften Verkehr unterhielt und, angeregt
durch die mit jedem Tage kirchlicher werdende Prinzessin,
einen energischen Vorstoß gegen den Unglauben und die

pfahl ſich Sponholz und fuhr zu weiteren Abſchieds¬
beſuchen in die Grafſchaft hinein.


Am zweitfolgenden Tage brachen die Sponholzſchen
Eheleute von Granſee nach Pfäffers hin auf; die Frau,
ſehr leidend, war ſchweigſam, er aber befand ſich in
einem hochgradigen Reiſefieber, was ſich, als ſie draußen
auf dem Bahnhof angelangt waren, in immer wach¬
ſender Geſprächigkeit äußerte.

Mehrere Freunde (meiſt Logenbrüder) hatten ihn
bis hinaus begleitet. Sponholz kam hier ſofort vom
Hundertſten aufs Tauſendſte. „Ja, unſer guter Stech¬
lin, mit dem ſteht es ſo ſo ... Baruch hat ihn auch
geſehn und ihn einigermaßen verändert gefunden ...
Und Sie, Kirſtein, Sie ſchreiben mir natürlich, wenn
der junge Burmeiſter eintritt; ich weiß, er will nicht
recht (bloß der Vater will) und ſoll ſogar von ‚Hokus¬
pokus‘ geſprochen haben. Aber dergleichen muß man
leicht nehmen. Unwiſſenheit, Verkennungen, über ſo
was ſind wir weg; viel Feind', viel Ehr' ... Nur,
es noch einmal zu ſagen, der Alte drüben in Stechlin
macht mir Sorge. Man muß aber hoffen; bei Gott kein
Ding unmöglich iſt. Und zu Moſcheles hab' ich Ver¬
trauen; ihn auskultieren zu ſehn, iſt ein wahres Ver¬
gnügen für 'nen Fachmann.“

So klang, was Sponholz noch in letzter Minute
vom Coupéfenſter aus zum beſten gab. Alles, am
meiſten aber das über den alten Stechlin Geſagte, wurde
weitergetragen und drang bis auf die Dörfer hinaus,
ſo namentlich auch bis nach Quaden-Hennersdorf zu
Superintendent Koſeleger, der ſeit kurzem mit Ermyn¬
trud einen lebhaften Verkehr unterhielt und, angeregt
durch die mit jedem Tage kirchlicher werdende Prinzeſſin,
einen energiſchen Vorſtoß gegen den Unglauben und die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0433" n="426"/>
pfahl &#x017F;ich Sponholz und fuhr zu weiteren Ab&#x017F;chieds¬<lb/>
be&#x017F;uchen in die Graf&#x017F;chaft hinein.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Am zweitfolgenden Tage brachen die Sponholz&#x017F;chen<lb/>
Eheleute von Gran&#x017F;ee nach Pfäffers hin auf; die Frau,<lb/>
&#x017F;ehr leidend, war &#x017F;chweig&#x017F;am, er aber befand &#x017F;ich in<lb/>
einem hochgradigen Rei&#x017F;efieber, was &#x017F;ich, als &#x017F;ie draußen<lb/>
auf dem Bahnhof angelangt waren, in immer wach¬<lb/>
&#x017F;ender Ge&#x017F;prächigkeit äußerte.</p><lb/>
          <p>Mehrere Freunde (mei&#x017F;t Logenbrüder) hatten ihn<lb/>
bis hinaus begleitet. Sponholz kam hier &#x017F;ofort vom<lb/>
Hundert&#x017F;ten aufs Tau&#x017F;end&#x017F;te. &#x201E;Ja, un&#x017F;er guter Stech¬<lb/>
lin, mit dem &#x017F;teht es &#x017F;o &#x017F;o ... Baruch hat ihn auch<lb/>
ge&#x017F;ehn und ihn einigermaßen verändert gefunden ...<lb/>
Und Sie, Kir&#x017F;tein, Sie &#x017F;chreiben mir natürlich, wenn<lb/>
der junge Burmei&#x017F;ter eintritt; ich weiß, er will nicht<lb/>
recht (bloß der Vater will) und &#x017F;oll &#x017F;ogar von &#x201A;Hokus¬<lb/>
pokus&#x2018; ge&#x017F;prochen haben. Aber dergleichen muß man<lb/>
leicht nehmen. Unwi&#x017F;&#x017F;enheit, Verkennungen, über &#x017F;o<lb/>
was &#x017F;ind wir weg; viel Feind', viel Ehr' ... Nur,<lb/>
es noch einmal zu &#x017F;agen, der Alte drüben in Stechlin<lb/>
macht mir Sorge. Man muß aber hoffen; bei Gott kein<lb/>
Ding unmöglich i&#x017F;t. Und zu Mo&#x017F;cheles hab' ich Ver¬<lb/>
trauen; ihn auskultieren zu &#x017F;ehn, i&#x017F;t ein wahres Ver¬<lb/>
gnügen für 'nen Fachmann.&#x201C;</p><lb/>
          <p>So klang, was Sponholz noch in letzter Minute<lb/>
vom Coup<hi rendition="#aq">é</hi>fen&#x017F;ter aus zum be&#x017F;ten gab. Alles, am<lb/>
mei&#x017F;ten aber das über den alten Stechlin Ge&#x017F;agte, wurde<lb/>
weitergetragen und drang bis auf die Dörfer hinaus,<lb/>
&#x017F;o namentlich auch bis nach Quaden-Hennersdorf zu<lb/>
Superintendent Ko&#x017F;eleger, der &#x017F;eit kurzem mit Ermyn¬<lb/>
trud einen lebhaften Verkehr unterhielt und, angeregt<lb/>
durch die mit jedem Tage kirchlicher werdende Prinze&#x017F;&#x017F;in,<lb/>
einen energi&#x017F;chen Vor&#x017F;toß gegen den Unglauben und die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[426/0433] pfahl ſich Sponholz und fuhr zu weiteren Abſchieds¬ beſuchen in die Grafſchaft hinein. Am zweitfolgenden Tage brachen die Sponholzſchen Eheleute von Granſee nach Pfäffers hin auf; die Frau, ſehr leidend, war ſchweigſam, er aber befand ſich in einem hochgradigen Reiſefieber, was ſich, als ſie draußen auf dem Bahnhof angelangt waren, in immer wach¬ ſender Geſprächigkeit äußerte. Mehrere Freunde (meiſt Logenbrüder) hatten ihn bis hinaus begleitet. Sponholz kam hier ſofort vom Hundertſten aufs Tauſendſte. „Ja, unſer guter Stech¬ lin, mit dem ſteht es ſo ſo ... Baruch hat ihn auch geſehn und ihn einigermaßen verändert gefunden ... Und Sie, Kirſtein, Sie ſchreiben mir natürlich, wenn der junge Burmeiſter eintritt; ich weiß, er will nicht recht (bloß der Vater will) und ſoll ſogar von ‚Hokus¬ pokus‘ geſprochen haben. Aber dergleichen muß man leicht nehmen. Unwiſſenheit, Verkennungen, über ſo was ſind wir weg; viel Feind', viel Ehr' ... Nur, es noch einmal zu ſagen, der Alte drüben in Stechlin macht mir Sorge. Man muß aber hoffen; bei Gott kein Ding unmöglich iſt. Und zu Moſcheles hab' ich Ver¬ trauen; ihn auskultieren zu ſehn, iſt ein wahres Ver¬ gnügen für 'nen Fachmann.“ So klang, was Sponholz noch in letzter Minute vom Coupéfenſter aus zum beſten gab. Alles, am meiſten aber das über den alten Stechlin Geſagte, wurde weitergetragen und drang bis auf die Dörfer hinaus, ſo namentlich auch bis nach Quaden-Hennersdorf zu Superintendent Koſeleger, der ſeit kurzem mit Ermyn¬ trud einen lebhaften Verkehr unterhielt und, angeregt durch die mit jedem Tage kirchlicher werdende Prinzeſſin, einen energiſchen Vorſtoß gegen den Unglauben und die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/433
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/433>, abgerufen am 25.11.2024.