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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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ofen, in den man hineingeschoben wird. Und da hockt
man denn, wie die Indianer hocken, und die Dämpfe
steigen siedeheiß von unten herauf. Wer da nicht wieder
zustande kommt, der kann überhaupt einpacken. Übrigens
will ich für meine Person gleich mit hineinkriechen. Denn
das darf ich wohl sagen, wer so fünfunddreißig Jahre
lang durch Kreis Gransee hin und her kutschiert ist, mit¬
unter bei Ostwind, der hat sich sein Gliederreißen ehrlich
verdient. Sonderbar, daß der Hauptteil davon auf meine
Frau gefallen ist."

"Ja, Sponholz, in einer christlichen Ehe ..."

"Freilich, Herr Major, freilich. Wiewohl das mit
,christlicher Ehe' auch immer bloß so so ist. Da hatten wir,
als ich noch Militär war, einen Compagniechirurgus,
richtige alte Schule, der sagte, wenn er von so was
hörte: ,Ja, christliche Ehe, ganz gut, kenn' ich. Is wie
Schinken in Burgunder. Das eine is immer da, aber das
andere fehlt.'"

"Ja," sagte Dubslav, "diese richtigen alten Com¬
pagniechirurgusse, die hab' ich auch noch gekannt. Blutige
Cyniker, jetzt leider ausgestorben ... Und in solchem
Pfäfferschen Backofen wollen Sie sechs Wochen zu¬
bringen?"

"Nein, Herr von Stechlin, nicht so lange. Bloß
vier, höchstens vier. Denn es strengt sehr an. Aber
wenn man nu doch mal da ist, ich meine in der Schweiz
und da herum, wo sie stellenweise schon italienisch
sprechen, da will man doch schließlich auch gern in das
gelobte Land Italia hineinkucken. Und da haben wir
denn also, meine Frau und ich, vor, von diesem Pfäffers
aus erst noch durch die Viamala zu fahren, den Splügen
hinauf oder auf irgend einen andern Paß. Und wenn wir
dann einen Blick in all die Herrlichkeit drüben hinein ge¬
than haben, dann kehren wir wieder um, und ich für meine
Person ziehe mir wieder meinen grauen Mantel an (denn

ofen, in den man hineingeſchoben wird. Und da hockt
man denn, wie die Indianer hocken, und die Dämpfe
ſteigen ſiedeheiß von unten herauf. Wer da nicht wieder
zuſtande kommt, der kann überhaupt einpacken. Übrigens
will ich für meine Perſon gleich mit hineinkriechen. Denn
das darf ich wohl ſagen, wer ſo fünfunddreißig Jahre
lang durch Kreis Granſee hin und her kutſchiert iſt, mit¬
unter bei Oſtwind, der hat ſich ſein Gliederreißen ehrlich
verdient. Sonderbar, daß der Hauptteil davon auf meine
Frau gefallen iſt.“

„Ja, Sponholz, in einer chriſtlichen Ehe ...“

„Freilich, Herr Major, freilich. Wiewohl das mit
‚chriſtlicher Ehe‘ auch immer bloß ſo ſo iſt. Da hatten wir,
als ich noch Militär war, einen Compagniechirurgus,
richtige alte Schule, der ſagte, wenn er von ſo was
hörte: ‚Ja, chriſtliche Ehe, ganz gut, kenn' ich. Is wie
Schinken in Burgunder. Das eine is immer da, aber das
andere fehlt.‘“

„Ja,“ ſagte Dubslav, „dieſe richtigen alten Com¬
pagniechirurguſſe, die hab' ich auch noch gekannt. Blutige
Cyniker, jetzt leider ausgeſtorben ... Und in ſolchem
Pfäfferſchen Backofen wollen Sie ſechs Wochen zu¬
bringen?“

„Nein, Herr von Stechlin, nicht ſo lange. Bloß
vier, höchſtens vier. Denn es ſtrengt ſehr an. Aber
wenn man nu doch mal da iſt, ich meine in der Schweiz
und da herum, wo ſie ſtellenweiſe ſchon italieniſch
ſprechen, da will man doch ſchließlich auch gern in das
gelobte Land Italia hineinkucken. Und da haben wir
denn alſo, meine Frau und ich, vor, von dieſem Pfäffers
aus erſt noch durch die Viamala zu fahren, den Splügen
hinauf oder auf irgend einen andern Paß. Und wenn wir
dann einen Blick in all die Herrlichkeit drüben hinein ge¬
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Perſon ziehe mir wieder meinen grauen Mantel an (denn

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[423/0430] ofen, in den man hineingeſchoben wird. Und da hockt man denn, wie die Indianer hocken, und die Dämpfe ſteigen ſiedeheiß von unten herauf. Wer da nicht wieder zuſtande kommt, der kann überhaupt einpacken. Übrigens will ich für meine Perſon gleich mit hineinkriechen. Denn das darf ich wohl ſagen, wer ſo fünfunddreißig Jahre lang durch Kreis Granſee hin und her kutſchiert iſt, mit¬ unter bei Oſtwind, der hat ſich ſein Gliederreißen ehrlich verdient. Sonderbar, daß der Hauptteil davon auf meine Frau gefallen iſt.“ „Ja, Sponholz, in einer chriſtlichen Ehe ...“ „Freilich, Herr Major, freilich. Wiewohl das mit ‚chriſtlicher Ehe‘ auch immer bloß ſo ſo iſt. Da hatten wir, als ich noch Militär war, einen Compagniechirurgus, richtige alte Schule, der ſagte, wenn er von ſo was hörte: ‚Ja, chriſtliche Ehe, ganz gut, kenn' ich. Is wie Schinken in Burgunder. Das eine is immer da, aber das andere fehlt.‘“ „Ja,“ ſagte Dubslav, „dieſe richtigen alten Com¬ pagniechirurguſſe, die hab' ich auch noch gekannt. Blutige Cyniker, jetzt leider ausgeſtorben ... Und in ſolchem Pfäfferſchen Backofen wollen Sie ſechs Wochen zu¬ bringen?“ „Nein, Herr von Stechlin, nicht ſo lange. Bloß vier, höchſtens vier. Denn es ſtrengt ſehr an. Aber wenn man nu doch mal da iſt, ich meine in der Schweiz und da herum, wo ſie ſtellenweiſe ſchon italieniſch ſprechen, da will man doch ſchließlich auch gern in das gelobte Land Italia hineinkucken. Und da haben wir denn alſo, meine Frau und ich, vor, von dieſem Pfäffers aus erſt noch durch die Viamala zu fahren, den Splügen hinauf oder auf irgend einen andern Paß. Und wenn wir dann einen Blick in all die Herrlichkeit drüben hinein ge¬ than haben, dann kehren wir wieder um, und ich für meine Perſon ziehe mir wieder meinen grauen Mantel an (denn

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/430>, abgerufen am 25.11.2024.