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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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auch 'ne Decke. Früher war ich nich so für's Pimplige;
jetzt aber heißt es: besser bewahrt als beklagt."


In dem ganzen Dreieck zwischen Rheinsberg, Kloster
Wutz und Gransee hatte sich die Nachricht von des alten
Dubslav ernster Erkrankung mehr und mehr herumge¬
sprochen, und es war wohl im Zusammenhange damit,
daß ungefähr um dieselbe Stunde, wo Dubslav und
Engelke sich über "Schniepel" und "opportun" unter¬
hielten, ein Einspänner auf die Stechliner Rampe fuhr,
ein etwas sonderbares Gefährt, dem der alte Baruch
Hirschfeld langsam und vorsichtig entstieg. Engelke war
ihm dabei behilflich und meldete gleich danach, daß der
Alte da sei.

"Der alte Baruch! Um Gottes willen, Engelke,
was will denn der? Es ist ja doch glücklicherweise nichts
los. Und so ganz aus freien Stücken. Na, laß ihn
kommen."

Und Baruch Hirschfeld trat gleich darauf ein.

Dubslav, in seine Decke gewickelt, begrüßte den
Alten. "Aber, Baruch, um alles in der Welt, was
giebt es? Was bringen Sie? Gleichviel übrigens, ich freue
mich, Sie zu sehn. Machen Sie sich's so bequem, wie's
auf den drei Latten eines Gartenstuhls überhaupt möglich
ist. Und dann noch einmal: Was giebt es? Was
bringen Sie?"

"Herr Major wollen entschuldigen, es giebt nichts,
und ich bringe auch nichts. Ich kam da bloß so vor¬
bei, Geschäfte mit Herrn von Gundermann, und da
wollt' ich mir doch die Freiheit genommen haben, mal
nach der Gesundheit zu fragen. Habe gehört, der Herr
Major seien nicht ganz gut bei Wege."

"Nein, Baruch, nicht ganz gut bei Wege, beinahe
schon schlecht genug. Aber lassen wir das schlimme

Fontane, Der Stechlin. 27

auch 'ne Decke. Früher war ich nich ſo für's Pimplige;
jetzt aber heißt es: beſſer bewahrt als beklagt.“


In dem ganzen Dreieck zwiſchen Rheinsberg, Kloſter
Wutz und Granſee hatte ſich die Nachricht von des alten
Dubslav ernſter Erkrankung mehr und mehr herumge¬
ſprochen, und es war wohl im Zuſammenhange damit,
daß ungefähr um dieſelbe Stunde, wo Dubslav und
Engelke ſich über „Schniepel“ und „opportun“ unter¬
hielten, ein Einſpänner auf die Stechliner Rampe fuhr,
ein etwas ſonderbares Gefährt, dem der alte Baruch
Hirſchfeld langſam und vorſichtig entſtieg. Engelke war
ihm dabei behilflich und meldete gleich danach, daß der
Alte da ſei.

„Der alte Baruch! Um Gottes willen, Engelke,
was will denn der? Es iſt ja doch glücklicherweiſe nichts
los. Und ſo ganz aus freien Stücken. Na, laß ihn
kommen.“

Und Baruch Hirſchfeld trat gleich darauf ein.

Dubslav, in ſeine Decke gewickelt, begrüßte den
Alten. „Aber, Baruch, um alles in der Welt, was
giebt es? Was bringen Sie? Gleichviel übrigens, ich freue
mich, Sie zu ſehn. Machen Sie ſich’s ſo bequem, wie’s
auf den drei Latten eines Gartenſtuhls überhaupt möglich
iſt. Und dann noch einmal: Was giebt es? Was
bringen Sie?“

„Herr Major wollen entſchuldigen, es giebt nichts,
und ich bringe auch nichts. Ich kam da bloß ſo vor¬
bei, Geſchäfte mit Herrn von Gundermann, und da
wollt’ ich mir doch die Freiheit genommen haben, mal
nach der Geſundheit zu fragen. Habe gehört, der Herr
Major ſeien nicht ganz gut bei Wege.“

„Nein, Baruch, nicht ganz gut bei Wege, beinahe
ſchon ſchlecht genug. Aber laſſen wir das ſchlimme

Fontane, Der Stechlin. 27
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[417/0424] auch 'ne Decke. Früher war ich nich ſo für's Pimplige; jetzt aber heißt es: beſſer bewahrt als beklagt.“ In dem ganzen Dreieck zwiſchen Rheinsberg, Kloſter Wutz und Granſee hatte ſich die Nachricht von des alten Dubslav ernſter Erkrankung mehr und mehr herumge¬ ſprochen, und es war wohl im Zuſammenhange damit, daß ungefähr um dieſelbe Stunde, wo Dubslav und Engelke ſich über „Schniepel“ und „opportun“ unter¬ hielten, ein Einſpänner auf die Stechliner Rampe fuhr, ein etwas ſonderbares Gefährt, dem der alte Baruch Hirſchfeld langſam und vorſichtig entſtieg. Engelke war ihm dabei behilflich und meldete gleich danach, daß der Alte da ſei. „Der alte Baruch! Um Gottes willen, Engelke, was will denn der? Es iſt ja doch glücklicherweiſe nichts los. Und ſo ganz aus freien Stücken. Na, laß ihn kommen.“ Und Baruch Hirſchfeld trat gleich darauf ein. Dubslav, in ſeine Decke gewickelt, begrüßte den Alten. „Aber, Baruch, um alles in der Welt, was giebt es? Was bringen Sie? Gleichviel übrigens, ich freue mich, Sie zu ſehn. Machen Sie ſich’s ſo bequem, wie’s auf den drei Latten eines Gartenſtuhls überhaupt möglich iſt. Und dann noch einmal: Was giebt es? Was bringen Sie?“ „Herr Major wollen entſchuldigen, es giebt nichts, und ich bringe auch nichts. Ich kam da bloß ſo vor¬ bei, Geſchäfte mit Herrn von Gundermann, und da wollt’ ich mir doch die Freiheit genommen haben, mal nach der Geſundheit zu fragen. Habe gehört, der Herr Major ſeien nicht ganz gut bei Wege.“ „Nein, Baruch, nicht ganz gut bei Wege, beinahe ſchon ſchlecht genug. Aber laſſen wir das ſchlimme Fontane, Der Stechlin. 27

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/424>, abgerufen am 22.11.2024.