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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Madonna treten wolle. Worte, bei denen er noch dazu
wie verklärt aussah. Und das find' ich einfach unerhört.
Warum, werden Sie mich vielleicht fragen. Nun denn, weil
es erstens eine Beleidigung ist, sich auf eine Madonna
so extrem zu freuen, wenn man eine Braut oder gar
eine junge Frau zur Seite hat, und zweitens, weil
dieser geplante Galeriebesuch einen Mangel an Dispo¬
sition und Ökonomie bedeutet, der mich für Woldemars
ganze Zukunft besorgt machen kann. Diese Zukunft
liegt doch am Ende nach der agrarischen Seite hin und
richtige "Dispositionen" bedeuten in der Landwirtschaft
so gut wie alles."

Der alte Graf wollte widersprechen, aber Melu¬
sine ließ es nicht dazu kommen und fuhr ihrerseits fort:
"Jedenfalls, -- das ist nicht wegzudisputieren, -- fährt
unser Woldemar jetzt in das Land der Madonnen hinein
und will da mutmaßlich mit leidlich frischen Kräften
antreten; wenn er sich aber schon in Deutschland
etappenweise verthut, so wird er, wenn er in Rom ist,
wohl sein Programm ändern und im Cafe Cavour eine
Berliner Zeitung lesen müssen, statt nebenan im Palazzo
Borghese Kunst zu schwelgen. Ich sage mit Vorbedacht:
eine Berliner Zeitung, denn wir werden jetzt Welt¬
stadt und wachsen mit unserer Presse schon über Char¬
lottenburg hinaus ... Übrigens läßt, wie das junge
Paar, so auch die Baronin bestens grüßen. Eine reizende
Frau, Herr von Stechlin, die grad Ihnen ganz besonders
gefallen würde. Glaubt eigentlich gar nichts und geriert
sich dabei streng katholisch. Das klingt widersinnig und
ist doch richtig und reizend zugleich. All die Süddeutschen
sind überhaupt viel netter als wir, und die nettesten,
weil die natürlichsten, sind die Bayern."


Madonna treten wolle. Worte, bei denen er noch dazu
wie verklärt ausſah. Und das find' ich einfach unerhört.
Warum, werden Sie mich vielleicht fragen. Nun denn, weil
es erſtens eine Beleidigung iſt, ſich auf eine Madonna
ſo extrem zu freuen, wenn man eine Braut oder gar
eine junge Frau zur Seite hat, und zweitens, weil
dieſer geplante Galeriebeſuch einen Mangel an Diſpo¬
ſition und Ökonomie bedeutet, der mich für Woldemars
ganze Zukunft beſorgt machen kann. Dieſe Zukunft
liegt doch am Ende nach der agrariſchen Seite hin und
richtige „Diſpoſitionen“ bedeuten in der Landwirtſchaft
ſo gut wie alles.“

Der alte Graf wollte widerſprechen, aber Melu¬
ſine ließ es nicht dazu kommen und fuhr ihrerſeits fort:
„Jedenfalls, — das iſt nicht wegzudisputieren, — fährt
unſer Woldemar jetzt in das Land der Madonnen hinein
und will da mutmaßlich mit leidlich friſchen Kräften
antreten; wenn er ſich aber ſchon in Deutſchland
etappenweiſe verthut, ſo wird er, wenn er in Rom iſt,
wohl ſein Programm ändern und im Café Cavour eine
Berliner Zeitung leſen müſſen, ſtatt nebenan im Palazzo
Borgheſe Kunſt zu ſchwelgen. Ich ſage mit Vorbedacht:
eine Berliner Zeitung, denn wir werden jetzt Welt¬
ſtadt und wachſen mit unſerer Preſſe ſchon über Char¬
lottenburg hinaus ... Übrigens läßt, wie das junge
Paar, ſo auch die Baronin beſtens grüßen. Eine reizende
Frau, Herr von Stechlin, die grad Ihnen ganz beſonders
gefallen würde. Glaubt eigentlich gar nichts und geriert
ſich dabei ſtreng katholiſch. Das klingt widerſinnig und
iſt doch richtig und reizend zugleich. All die Süddeutſchen
ſind überhaupt viel netter als wir, und die netteſten,
weil die natürlichſten, ſind die Bayern.“


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[408/0415] Madonna treten wolle. Worte, bei denen er noch dazu wie verklärt ausſah. Und das find' ich einfach unerhört. Warum, werden Sie mich vielleicht fragen. Nun denn, weil es erſtens eine Beleidigung iſt, ſich auf eine Madonna ſo extrem zu freuen, wenn man eine Braut oder gar eine junge Frau zur Seite hat, und zweitens, weil dieſer geplante Galeriebeſuch einen Mangel an Diſpo¬ ſition und Ökonomie bedeutet, der mich für Woldemars ganze Zukunft beſorgt machen kann. Dieſe Zukunft liegt doch am Ende nach der agrariſchen Seite hin und richtige „Diſpoſitionen“ bedeuten in der Landwirtſchaft ſo gut wie alles.“ Der alte Graf wollte widerſprechen, aber Melu¬ ſine ließ es nicht dazu kommen und fuhr ihrerſeits fort: „Jedenfalls, — das iſt nicht wegzudisputieren, — fährt unſer Woldemar jetzt in das Land der Madonnen hinein und will da mutmaßlich mit leidlich friſchen Kräften antreten; wenn er ſich aber ſchon in Deutſchland etappenweiſe verthut, ſo wird er, wenn er in Rom iſt, wohl ſein Programm ändern und im Café Cavour eine Berliner Zeitung leſen müſſen, ſtatt nebenan im Palazzo Borgheſe Kunſt zu ſchwelgen. Ich ſage mit Vorbedacht: eine Berliner Zeitung, denn wir werden jetzt Welt¬ ſtadt und wachſen mit unſerer Preſſe ſchon über Char¬ lottenburg hinaus ... Übrigens läßt, wie das junge Paar, ſo auch die Baronin beſtens grüßen. Eine reizende Frau, Herr von Stechlin, die grad Ihnen ganz beſonders gefallen würde. Glaubt eigentlich gar nichts und geriert ſich dabei ſtreng katholiſch. Das klingt widerſinnig und iſt doch richtig und reizend zugleich. All die Süddeutſchen ſind überhaupt viel netter als wir, und die netteſten, weil die natürlichſten, ſind die Bayern.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/415>, abgerufen am 25.11.2024.